WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021
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WIKO
können“, ist er überzeugt. „Wir müssen
Unternehmen und Nutzung in die
Zentren zurückholen, die in die Gewerbegebiete
vertrieben worden sind.
Handwerker, Fitnesscenter, aber auch
Kindertagesstätten sollten und müssen
wieder Räume bekommen.“
Auf lange Sicht dürfte die Zukunft des
innerstädtischen Einzelhandels nicht
in der Grundversorgung liegen, sondern
in Nischen. Das ist als Gedanke
nicht neu, aber wäre in der Praxis doch
revolutionär, immerhin waren die vergangenen
Jahrzehnte von der Eroberung
der Innenstädte durch uniforme
Einzelhandelsketten geprägt. Und jetzt
die Umkehr?
„Ich sage, dass Corona dafür sorgen
wird, dass der Einzelhandel in den Städten
wieder individueller wird“, zeigt sich
Haderlein überzeugt. „Es bieten sich
Chancen für Läden mit hoher Aufenthaltsqualität
und Erlebnisorientierung,
bei denen die Kunden auch eine emotionale
Verbindung aufbauen.“ Das ist
der Grund, warum in Weißenburg und
Gunzenhausen längst auch Buchhändler
und Haushaltswarenläden schicke
Cafés betreiben und eigene Veranstaltungen
anbieten. Stichwort Buchhandlung
Meyer in Weißenburg oder S-Kultur
in Gunzenhausen.
Große Probleme könnte dagegen vor
allem der textile Einzelhandel in den
Zentren bekommen. Das liegt an ihrem
Geschäftsmodell. Zum einen ist in der
Branche die Online-Konkurrenz am
stärksten. Zum anderen ist hier Usus,
weit im Voraus Kollektionen einkaufen
zu müssen. Bei vielen Einzelhändlern
liegt nun die Winterware in den geschlossenen
Geschäften.
Dass es gerade textile Ketten sind, die
Schlagseite bekommen könnten, muss
mit Blick auf Gunzenhausen und noch
viel mehr auf Weißenburg Sorgen machen.
Denn die Textilkette Steingass
aus dem schwäbischen Heidenheim
hat mit Abstand die größten Quadratmeterzahlen
in den beiden großen
Städten im Landkreis. Bekommt
das Unternehmen Husten, hat die
Weißenburger Innenstadt Fieber. Das
Frühjahr markiert nicht nur wegen des
weiteren Verlaufs der Pandemie, sondern
auch aus wirtschaflicher Sicht die
Monate der Wahrheit. „Die Reserven
der Unternehmen sind aufgebraucht.
Wenn im April die Bilanzen kommen,
die Nachzahlungen von Steuer und
Co und wenn das Insolvenzrecht nicht
mehr ausgesetzt ist, dann wird es sich
zeigen“, sagt Wilfried Wiedemann,
Vorstand der Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen.
„Es werden sicher
nicht alle überleben“, stellt auch
IHK-Frau Karin Bucher fest. „So traurig
das ist.“
Handwerk und Dienstleister scheinen
eher nicht in Gefahr. „Normal bis gut“
sei 2020 gelaufen, bilanzierte etwa
Haustechnik-Installateur Rainer Mory,
der mit 80 Mitarbeitern in Pleinfeld einer
der größten Handwerksbetriebe
der Region ist. Und beim IT-Dienstleiszer
Amro aus Weißenburg blickt man
auf das umsatzstärkste Jahr der Unternehmensgeschichte
zurück.
Kurzfristig scheint es darum zu gehen,
in den Innenstädten und Ortskernen
zu retten, was zu retten ist. Und das
geht vor allem über die Frequenz. „Davon
leben die Einzelhändler“, bestätigt
Bucher. Und da brauche es nun Impulse.
„Die Folgen von Corona werden uns
in Einzelhandel und Gastronomie noch
Jahre begleiten und können die Struktur
unserer Innenstädte grundlegend
verändern“, ist die IHK-Frau überzeugt.
Fragt man vor Ort nach, stellt sich die
Lage noch nicht dramatisch dar. „Im
Moment herrscht Ruhe bei uns“, so
Andreas Zuber von der Wirtschaftsförderung
in Gunzenhausen. „Aber die
Ruhe ist vielleicht ein bisschen trügerisch“,
räumt er ein. Man habe bislang
keine konkreten Geschäftsaufgaben
gehabt, aber zweifelsohne rechne man
damit, dass möglicherweise nicht alle
zurückkommen. „Es kann schon sein,
dass Leute jetzt aufhören, die das in
ein paar Jahren geplant hatten“, sagt
Zuber. In puncto Frequenz blickt man
in Gunzenhausen mit sorgenvoller Erwartung
auf den Tourismus. „Der muss
in diesem Jahr wieder weitgehend
ohne Einschränkungen möglich sein.
Der ist für den Einzelhandel in Gunzenhausen
sehr, sehr wichtig.“
Auch in Weißenburg sei bislang wenig
von existenziellen Sorgen zu hören,
bestätigt Simon Sulk, Geschäftsführer
des Weißenburger Stadtmarketingvereins.
„Aber viele leiden leise“, gibt
Mathias Meyer zu bedenken, einer der
Vorsitzenden des Stadtmarketingvereins.
Dass man in Altmühlfranken
regional aufgestellt sei, könnte jetzt
zu einem Vorteil werden. Etwa bei den
Banken: „Da wird sich die nächsten
Monate viel entscheiden und da wird
es wichtig sein, dass die ein verlässlicher
Partner für die lokale Wirtschaft
bleiben“, so Meyer. „Ich bin heilfroh,
dass wir da bei uns noch mit Leuten zu
tun haben, die mein Geschäft kennen,
und ich nicht irgendeinem Sachbearbeiter
in Frankfurt erzählen muss, was
ich für einen tollen Laden habe.“
So wird die Krise am Ende vielleicht
auch zu einer Bewährungsprobe für
die regionale Struktur der altmühlfränkischen
Wirtschaft. Der starke, ortsgebundene
Mittelstand, die regionalen
Banken, die inhabergeführten Einzelhändler
und nicht zuletzt Kunden, die
eben nicht nur Konsumenten sind,
sondern auch solidarische Unterstützer
eines Systems, das man der Einfachheit
halber vielleicht schlicht Heimat
nennen könnte.
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