WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021
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WIKO
unheimlich gutgetan hat, war die öffentliche
Anerkennung. Bitter ist, dass
sich diese Anerkennung nicht auch im
Geldbeutel ausgezahlt hat. Und wenn
du schuftest bis zum Umfallen, magst
du irgendwann auch nicht mehr nur
beklatscht werden.
Seit rund einem Jahr herrscht jetzt
ein fortwährender Ausnahmezustand.
Glauben Sie, dass es im Zuge
der Corona-Pandemie auch zu einer
Zunahme der psychischen Erkrankungen
wie Burn-out etc. kommen
wird?
Ja, wird es. Jeder hat eine persönliche
Belastungsgrenze, ab der er sagt: ich
kann einfach nicht mehr. Da werden
Leute zusammenklappen Ich habe
eine Online-Gruppe mit 500 PTAs.
Und die Geschichten, die ich da gelesen
habe, da muss ich sagen: Holla
die Waldfee. Das war schon sehr fordernd.
Allgemein kann man sagen, so
unterschiedlich die Menschen sind, so
unterschiedlich sind auch Apotheken,
Ärzte, Kliniken mit den Anforderungen
umgegangen. Ein Rettungssanitäter,
eine Intensivkraft, ein Intensivmediziner,
die haben den Sturm in ihrem täglichen
Geschäft erlebt und haben sich
auch in der Krise leichter getan. Aber
Menschen, die bisher weit weg von
solchen Notsituationen ihren normalen
Job gemacht haben, für die waren
das extreme Herausforderungen.
Was raten Sie den Menschen unter
diesen Bedingungen? Wie kann es
gelingen, dauerhaft stabil zu bleiben
und vor allem auch gut mit sich umzugehen?
Was ich schon vor der Pandemie gesagt
habe: Achtet auf euch, sorgt für
euch. Ich habe einen Vortrag, der heißt
„Druckabfall – und dann?“. Zu Beginn
des Vortrags fällt eine Sauerstoffmaske
herunter. Wie im Flieger. Und dann
erzähle ich, dass auch bei den Sicherheitsunterweisungen
gesagt wird, zuerst
selbst die Maske aufsetzen und
atmen, erst danach den anderen Menschen
helfen. Das ist der Punkt. Wir
können anderen nur helfen, wenn es
uns selbst gut geht. Aber dem steht
unsere Mentalität entgegen: Geht
schon, geht schon, da beißen wir uns
jetzt durch, heißt es dann … Aber dadurch
wird es nicht besser.
Schaffen Sie das immer?
Zumindest habe ich im August meine
Sommerpause gemacht, obwohl ich
das Jahr viel daheim war. Ich habe lange
überlegt, aber dann habe ich mir gedacht,
nein, du machst das, was du anderen
rätst, und zwar Pause. Und das
war ein guter Moment zum Innehalten.
Ich habe zum Beispiel erst da gemerkt,
was ich in den vergangenen Monaten
alles gelernt hatte. Das fiel mir auf, als
ich meinen Schreibtisch aufgeräumt
habe. Da sind mir meine Notizen von
den ersten Online-Workshops in die
Hände gefallen, die ich selber belegt
habe, um mich digital fit zu machen.
Und da habe ich erst mal herzhaft
gelacht. Weil auf den Zetteln standen
absolute Selbstverständlichkeiten. Da
wurde mir erst bewusst, wie ahnungslos
ich noch ein paar Wochen vorher
war und wie viel ich dazugelernt hatte.
Und das war ein Super-Gefühl, direkt
zu sehen, was man geschafft hat. Und
das ist ein allgemeiner Ratschlag: Die
Leute sollten sich Zeit nehmen und es
greifbar machen, es visualisieren, was
sie schon alles geschafft haben. Weil
ansonsten schaut man nicht darauf,
was man schon getan hat, sondern
darauf, was man noch alles nicht getan
hat, und das ist nach wie vor eine ganze
Menge.
Was kann im Alltag konkret helfen?
Es braucht neue Bahnen und Wege
im Kopf. Corona hat viele Gewohnheiten
erledigt. Und Gewohnheiten
sind wichtig für uns, weil sie unserem
Gehirn helfen, Energie zu sparen. In
Bezug auf Sauerstoff- und Nährstoffverbrauch
ist unser Gehirn ganz schön
fordernd. Es kann bis zu 20 Prozent
des gesamten Energieverbrauchs
des Körpers für sich beanspruchen –
mehr als jedes andere Organ, obwohl
es nur etwa zwei Prozent der Körpermasse
ausmacht. Also jedes fünfte
Stück Schokolade wird komplett zum
Hirnfutter. Corona hat uns ganz gezwungen,
ständig neue Trampfelpfade
anzulegen. Und das kostet Kraft. Wir
brauchen neue Routinen, und
wenn neue Routinen
da sind, spart das
Energie, tut uns
gut und gibt
Sicherheit, in
einer Zeit, in
der nichts sicher scheint. Und natürlich
hilft auch Humor, wenn einem das
Wasser bis zum Hals steht.
Sie haben sogar einen Preis gewonnen
für Ihr persönliches Krisenmanagement?
Ja, das hat mich sehr gefreut. Der
BDVT, der größte deutsche Trainerverband,
hat einen Sonderpreis ausgelobt
für Trainer, die besonders kreativ durch
die Krise gekommen sind. Das war der
Dandelion-Award. Dandelion ist ja auf
Englisch der Löwenzahn und der steht
auch dafür, überall irgendwie durchzukommen.
Egal wie oft du ihn ummähst.
Wofür genau war der Preis?
Für eine Videoreihe. Ich habe – als
das mit Corona anfing – mit meinen
Zielgruppen telefoniert und versucht
rauszukriegen, was die brauchen. Und
dabei hat sich gezeigt, dass ein ganz
wichtiges Thema für die Menschen in
den Gesundheitsberufen die Arbeitsbelastung
war. Und damit verbunden
die Motivation. Also habe ich mit einer
Apothekerin Videobotschaften
für PTAs produziert. Mit dramaturgisch
einfachsten Mitteln haben wir
da immer wieder für einen Schmunzler
im Alltag gesorgt. Das war nicht
high-sophisticated, sondern sollte
eine Art Humorschüttler für die Mittagspause
sein. Diese Videoserie ist
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