WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021
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WIKO
mitmischte. Und bei ihr beginnen die
Umsätze relevant zu werden. Zumindest
in einzelnen Monaten. Bemerkenswert
aus ihrer Sicht, sie hat nun
Kunden in Hamburg und Berlin sitzen,
die sie über die übergeordnete Plattform
Atalanda finden. „Ich denke, das
hat Potenzial und ist eine gute Sache“,
sagt Wolf. Allerdings sieht sie im Moment
auch zwei wesentliche Probleme.
„Es wissen einfach viel zu wenige
Menschen davon. Da muss unbedingt
größer Werbung dafür gemacht werden.
Und es sind viel zu wenig Händler
im Shop.“ Dabei sei das System für die
Händler absolut niederschwellig und
es gebe jederzeit Ansprechpartner bei
Problemen.
Mancher Kollege wolle aber nur mitmachen,
wenn es sofort Ernte einzufahren
gibt. „Aber bevor ich was ernten kann,
muss ich erst mal investieren“, sagt
Antje Wolf. Und in diesem Fall besteht
der Invest weniger in Geld als in Mühe,
die man sich mit dem Online-Auftritt
im Shop geben muss. Aber das ist ja
mit dem Schaufenster im echten Leben
auch nichts anderes. Wer etwas
verkaufen will, muss es in Szene setzen.
„Mir war klar, dass das nicht von
Anfang an die dicken Verkäufe gibt“,
erzählt die umtriebige Geschäftsfrau.
Und hofft nun darauf, dass sich bald
noch weitere Kollegen dem Shop anschließen.
„Ein Problem war sicher, dass wir wegen
Corona wenig Präsenzveranstaltungen
machen konnten“, glaubt Online-Experte
Haderlein. „Das ganze
Change-Management hat nicht so
funktioniert wie üblich. Das ist eine
Sache, die einfach auch stark von der
Motivation lebt. Und die lässt sich am
besten in Präsenzveranstaltungen vermitteln.“
Auch im Marketing erkennt er
deutlichen Nachholbedarf. Speziell die
Bekanntheit des Portals im Landkreis
müsse ausgebaut werden.
Aber die Probleme liegen auch in den
Läden. „Ein paar sind bei solchen Sachen
sofort dabei, ein paar kannst du
durch Reden überzeugen und ein paar
erreicht man einfach nicht“, erzählt
Andreas Zuber, der Wirtschaftsförderer
der Stadt Gunzenhausen. Zum Teil
sei es auch eine Frage der Generation,
und mit Betreiberwechseln in den
kommenden Jahren würden solche Initiativen
stetigen Zuwachs bekommen.
Dass Gunzenhausen bei der Beteiligung
am Online-Kaufhaus noch hinterherhinkt,
hat aus seiner Sicht damit zu
tun, dass man in der Stadt bereits ein
eigenes Einkaufsportal hatte. Allerdings
eines, auf dem es keine Einkaufsfunktion
gibt, sondern die Geschäfte
sich lediglich darstellen konnten. Zuletzt
habe man aber aus Gunzenhausen
auch einige Beitritte auf der Landkreis-Seite
zu vermelden gehabt.
Neben der Generationenfrage sieht
Mathias Meyer, Buchhändler aus Weißenburg
und stellvertretender Vorsitzender
des lokalen IHK-Gremiums,
auch ganz handfeste Gründe für die
Zurückhaltung des Einzelhandels in
Sachen Digitalisierung. „Wer da vor
der Krise noch nicht angefangen hatte,
der kam da in der Krise auch nicht
mehr dazu.“ Die Vorstellung, dass die
Geschäftsleute im Lockdown däumchendrehend
in ihren Geschäften sitzen
würden, sei grundlegend falsch.
Hinter den Einzelhändlern lägen harte
Monate. Das Hin und Her bei den Hygieneregelungen,
die Entwicklung eigener
Hygienekonzepte, der Versuch,
sein jeweiliges Geschäftsmodell coronakonform
zu bekommen, und die
Organisation der Mitarbeiter hätten
viele Kräfte gebunden. Dazu Umstrukturierungen,
Beantragung von Hilfen,
Kurzarbeitergeld …
Bei allem Verständnis sieht Meyer
aber auch das Risiko, in das sich Einzelhändler
begeben, die während der
Lockdwons komplett weg waren. „Die
Gefahr ist einfach, dass das zunehmend
Richtung online geht. Dass die
Kunden, die jetzt mal auf die großen
Online-Anbieter ausgewichen sind,
nicht mehr zurückkommen.“ Deshalb
war die eigene Online-Aktivität seiner
Buchhandlung für ihn nicht nur Umsatzbringer,
sondern auch Mittel der
Kundenbindung.
Und hier liegt – online hin, online her –
auch eine der ganz großen positiven
Erfahrungen dieser Krise. „Die Kunden
sind absolut solidarisch gewesen“, erzählt
der Buchhändler. „Wir haben sogar
neue Kunden gewonnen, die uns
ganz bewusst unterstützen wollten.“
Die Leute hätten auch gemerkt, wie
schön und wichtig es doch eigentlich
ist, sich vor Ort, schnell und einfach
versorgen zu können.
„Die Wertschätzung ist schon gewachsen“,
glaubt auch Weißenburgs Stadtmarketing-Geschäftsführer
Simon
Sulk. „Weil die Leute gemerkt haben,
wie wichtig der Einzelhandel auch als
sozialer Treffpunkt ist und wie weh es
tut, wenn man nicht mal eben beim Einkaufen
immer wieder Leute trifft.“ Das
ist eine Erkenntnis, die für den Einzelhandel
in den Städten noch Gold wert
sein kann. Frei nach dem Motto: Erst
wenn der letzte Tante-Emma-Laden
geschlossen hat, werdet ihr feststellen,
dass man bei Amazon niemandem
zum Ratschen trifft. Oder so ähnlich.
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