WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021
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WIKO
ter auch die Schnittstellen zwischen
Verwaltung und den einzelnen Leistungsbereichen,
hat man beim Bayerischen
Roten Kreuz (BRK) Kreisverband
Südfranken beobachtet. Die mehr
als 650 MitarbeiterInnen sind etwa in
den Bereichen Rettungsdienst, Pflege,
Kinder- und Seniorenbetreuung
tätig. „Man muss sich verstärkt um die
Menschen kümmern, um die Folgen
der Pandemie im emotionalen Bereich
abzumildern, gleichzeitig kommen
neue Herausforderungen, die mit einem
großen Aufwand verbunden sind.
Das war nur zu bewältigen, weil wir alle
abteilungsübergreifend zusammengeholfen
und überall dort angepackt haben,
wo es nötig war“, berichtet Rainer
Braun, Geschäftsführer im Kreisverband.
Man musste besonders flexibel
reagieren, neue Regelungen von heute
auf morgen umsetzen, personelle Ressourcen
umplanen und dort einsetzen,
wo es am dringlichsten war.
Trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen
hat alles erstaunlich
reibungslos funktioniert, freut sich
Andrea Lehmann, Ansprechpartnerin
der Medien in Corona-Zeiten. „Für die
Kolleginnen und Kollegen war und ist
die Situation freilich sehr belastend,
aber umgeworfen hat das niemanden.
Rettungsdienst
und Pflege sind mit
emotional schwierigen
Situationen ja
auch im Tagesgeschäft vertraut. Und
bei uns fährt auch der Geschäftsführer
mal eine Rettungsdienstschicht mit,
wenn Not am Mann ist“, sagt Andrea
Lehmann. Eine Selbstverständlichkeit,
wie es scheint: anpacken, wo es
nötig ist, niemanden hängen lassen,
zusammenhalten. Womöglich ist es
die Stärke gerade im sozialen Bereich,
um dem Druck der Pandemie standzuhalten?
„Mehr noch als sonst macht es
sich bemerkbar, dass bei uns niemand
alleingelassen wird“, findet Andrea
Lehmann. „Und ich denke, es ist der
Ursprung des Roten Kreuzes im Ehrenamt
und unsere starke Ausrichtung an
hilfebedürftigen Menschen, was unter
den Kollegen besonders in solchen Situationen
zu einem festen Zusammenhalt
führt.“
Freilich ist aber die Belastung in Pandemiezeiten
deutlich höher als sonst
und bringt – wie in anderen Branchen
auch – Probleme mit sich. Eine neue
Tagespflege-Einrichtung des BRK in
Abenberg muss kurz nach der Eröffnung
pandemiebedingt in den Lockdown,
die Tagesgäste können nicht
betreut werden. Corona wirkt wie eine
Lupe, die die Schwachstellen in unserer
Gesellschaft und der sozialen Infrastruktur
unbarmherzig vergrößert.
Da ist zum Beispiel die Sache mit dem
Ehrenamt. Es ist kein Geheimnis, dass
organisationsgebundenes
Ehrenamt in nahezu allen
Bereichen Deutschlands
seit Jahren abnimmt, von der Feuerwehr
bis zur Wasserwacht. „Wir haben
2000 Ehrenamtler, das hört sich
zunächst einmal viel an, ist aber nicht
unbedingt luxuriös“, so Andrea Lehmann
vom BRK. Denn die freiwilligen
Kräfte sind im BRK Südfranken für eine
große Fläche verantwortlich, und auch
die Altersstruktur beeinflusst das ehrenamtliche
Gefüge vor allem in der
Pandemie. Durch den Wandel der Arbeitswelt,
die immer mehr Flexibilität
und Mobilität fordert, fehlen jüngere
Ehrenamtliche, die über ein planbares
Zeitkontingent verfügen. Viele finden
erst im Rentenalter Zeit und Energie für
freiwillige Arbeit. Die Diakoniekaufhäuser
im Landkreis etwa werden zu einem
nicht unerheblichen Anteil durch
ehrenamtliche Mitarbeiter gestemmt,
die als Senioren aber zur Corona-Risikogruppe
gehören und dadurch oft
nicht mehr zum Einsatz kommen.
Eine Chance sieht Rainer Braun vom
BRK in der Digitalisierung. Das klingt
zunächst verwunderlich – schließlich
kann ein Pflegedienst nicht „via Fernwartung“
arbeiten. Aber ein Paradebeispiel,
wie sinnvoll Digitalisierung
auch im sozialen Sektor sein kann: Verpflichtende
Fort- und Weiterbildungen
in Form von Präsenzveranstaltungen
haben in der Vergangenheit enorme
personelle, zeitliche und finanzielle
Ressourcen gebunden. Nun finden die
Seminare und Fortbildungen digital
statt.
Digitialisierung ist eine Chance und
ein Wandel, hat man beim Roten Kreuz
erkannt. Etwa auch, indem man die
Möglichkeiten der Digitalisierung für
die Verwaltungsaufgaben nutzt und so
die KollegInnen der operativen Bereiche,
die direkt am Menschen arbeiten,
entlastet und durch weiter optimierte
Schnittstellen zukünftig noch flexibler
und mit weniger Kraftakt auf solch
große Herausforderungen reagieren
kann. „Es ist nicht selbstverständlich,
dass meine Leute diesen Kraftakt gerade
jetzt stemmen, wo schon die Alltagsaufgaben
unter erschwerten Bedingungen
laufen müssen“, freut sich
der Geschäftsführer darüber, dass die
MitarbeiterInnen sich einig waren und
solch grundlegende Schritte nicht nur
mittragen, sondern den Wandel auch
maßgeblich selbst mitgestalten.
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