HANSA 11-2019
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SCHIFFFAHRT | SHIPPING<br />
Über 25 Mrd. $ hat Peking im Rahmen<br />
seiner umstrittenen Infrastruktur-<br />
Initiative (<strong>HANSA</strong> 01/2017) schon in den<br />
Transportsektor gesteckt. Das sind wohlgemerkt<br />
lediglich die Mittel, die tatsächlich<br />
schon geflossen sind und Projekte,<br />
die bereits abgeschlossen sind – also<br />
vor allem Einstiege in weltweit verteilte<br />
Häfen und deren Aus- und Aufbau.<br />
Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Thomas<br />
Eder, Analyst beim in Berlin ansässigen<br />
»Mercator Institute for China Studies«<br />
(MERICS) wagt im Gespräch mit<br />
der <strong>HANSA</strong> einen Ausblick: »Wir gehen<br />
davon aus, dass es mindestens noch einmal<br />
25 Mrd. $ werden.«<br />
Eines der in der Schifffahrt prominentesten<br />
Beispiele ist der griechische Hafen<br />
Piräus, in den China eingestiegen ist. Er<br />
ist im Mittelmeer-Hafenwettbewerb stark<br />
gewachsen. Eders Ansicht nach ist es allerdings<br />
zu früh, von einer größeren Verschiebung<br />
von Nordeuropa auf das Mittelmeer<br />
zu sprechen, zumal sehr diversifiziert<br />
investiert wird, beispielsweise auch in Zeebrugge.<br />
Zudem bringen sich Standorte wie<br />
Antwerpen und auch Hamburg oder die<br />
Häfen Mecklenburg-Vorpommerns immer<br />
wieder selbst als Knotenpunkte für<br />
die Seidenstraße ins Gespräch, Duisburg<br />
gilt ohnehin als wichtiger Hub für Zugverbindungen<br />
von und nach China.<br />
Auch wenn Europa nicht (mehr) der<br />
Hauptfokus aus chinesischer Sicht ist,<br />
muss sich die hiesige Hafenbranche auf<br />
weitere Investitionen einstellen, meint<br />
man beim Berliner Institut.<br />
Es geht insgesamt um dreistellige Milliardensummen,<br />
die China in das Projekt<br />
investieren will, das neben der Infrastruktur<br />
und der Energieversorgung,<br />
dem finanziell bislang größten Segment,<br />
mittlerweile auch den Bereich Telekommunikation<br />
umfasst.<br />
Transport bleibt zentral<br />
Der Ausbau der Transportinfrastruktur<br />
ist und bleibt jedoch ein ganz entscheidender<br />
Punkt der Strategie. Langfristig<br />
sollen nach dem Wunsch der Staatspartei<br />
auch mittels einer »Vernetzung der<br />
Gesellschaften« neue Absatzmärkte für<br />
chinesische Produkte entstehen, die mit<br />
Transporten bedient werden müssen.<br />
Kurzfristiger werden bereits umfangreiche<br />
Rohstoff- und Anlagenverschiffungen<br />
nötig, um Industrie- und Infrastrukturprojekte<br />
überhaupt erst zu ermöglichen<br />
– mit großen Chancen für die weltweite<br />
Breakbulk-, Schwergut- und Drybulk-<br />
Schifffahrt. Die<br />
Branchen müssen für<br />
den Aufbau sorgen, danach<br />
sollen zudem Rohöltanker und<br />
nicht zuletzt Containerschiffe auf neuen<br />
oder zumindest stärker nachgefragten<br />
Routen Beschäftigung finden.<br />
Es sollen Mauern und Handelshemmnisse<br />
abgebaut und durch ein China-zentriertes<br />
Infrastrukturnetzwerk ersetzt<br />
werden. Der neue Fokus »Telekommunikation«<br />
dürfte entsprechend nicht zu Lasten<br />
des Transports gehen: »Es sind nicht<br />
kleinere Summen geworden. Peking will<br />
– in beiden Bereichen –, dass die eigenen<br />
Unternehmen Weltmarktführer werden<br />
und hat auch ausreichend Geld dafür.<br />
Wenn man jetzt etwa Huawei stärker fördert,<br />
heißt das nicht, dass man das nicht<br />
für Cosco oder China Merchants weiter<br />
tun wird«, sagt Eder.<br />
Für die <strong>HANSA</strong> zieht er eine kleine<br />
Zwischenbilanz für die Initiative und<br />
sieht drei Muster.<br />
Erstens hat eine Konsolidierung stattgefunden.<br />
»Anfängliche Zweifel an der<br />
Langlebigkeit der Initiative haben sich<br />
zerstreut«, heißt es seitens des MERICS.<br />
Peking hat die Seidenstraße sogar in die<br />
Verfassung geschrieben. »Das Projekt<br />
steht somit auf stabileren Füßen«, so der<br />
Experte. Chinesische Geldgeber würden<br />
mehr Wert auf das Risikomanagement<br />
und Evaluierung legen, man gehe mit<br />
mehr Bedacht vor.<br />
Expansion und Image<br />
Das zweite Muster ist die Expansion. Zunächst<br />
geographisch. Es fließt nicht weniger<br />
Geld, aber es wird weiter gestreut.<br />
Mittlerweile sind nicht mehr 65 Staaten<br />
Teil des Projekts, sondern über 120. Damit<br />
ist die Seidenstraße vollends zu einem<br />
globalen Ansatz geworden, nachdem es<br />
anfänglich offiziell um eine Wiederbelebung<br />
der Land- und Seerouten nach Europa<br />
ging. Zuletzt wurden Vereinbarungen<br />
mit Ländern in Lateinamerika, der Karibik,<br />
Westafrika oder im Südpazifik geschlossen.<br />
Nicht nur im Fall von Panama<br />
führte das zu Argwohn seitens der USA.<br />
Zudem gibt es eine thematische Expansion.<br />
Zum wirtschaftlichen Aspekt<br />
ist die Sicherheit hinzugekommen. China<br />
bietet sich als Partner an, etwa mittels<br />
eines – mit dem Beidou-Konzern entwickelten<br />
– eigenen Satellitennavigationssystems<br />
als Konkurrenz zu GPS sowie<br />
für Katastrophenhilfe oder Anti-Piraterie-Support.<br />
HÄFEN & HINTERLAND |<br />
ENERGIE & EXPANSION<br />
Länder mit neuen<br />
Seidenstraßen-Verbindungen<br />
Antigua & Barbuda<br />
Barbados<br />
Brasilien<br />
Bolivien<br />
Chile<br />
Costa Rica<br />
Cuba<br />
Dominica<br />
Dominikanische Republik<br />
Ecuador<br />
El Salvador<br />
Guyana<br />
Jamaika<br />
Panama<br />
Surinam<br />
Trinidad & Tobago<br />
Uruguay<br />
Venezuela<br />
Das dritte Muster ist eine in diesem<br />
Ausmaß für chinesische Verhältnisse<br />
fast schon erstaunliche Verhandlungsbereitschaft.<br />
In einigen Ländern Asiens<br />
gab es große Proteste gegen die chinesischen<br />
Investitionen – Kritikpunkte waren<br />
mangelnde Transparenz, Korruption<br />
© <strong>HANSA</strong><br />
36 <strong>HANSA</strong> International Maritime Journal <strong>11</strong> | <strong>2019</strong>