HANSA 11-2019
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Abschlussbericht Auslandsaufenthalt an der University of Ottawa, Kanada,<br />
vom 14.09.2018 bis zum 14.08.<strong>2019</strong> von Tom Kristian Hoffmann<br />
In meinem bisherigen Studienverlauf waren<br />
Auslandsaufenthalte immer ein wichtiger<br />
und fester Bestandteil der Ausbildung,<br />
um über den Tellerrand zu schauen,<br />
fachliche und sprachliche Kenntnisse zu<br />
erweitern. Nach einem Erasmus in Spanien<br />
und zwei Fachexkursionen bzw. Fachkursen<br />
nach Indonesien entschied ich mich<br />
die Masterarbeit in Ottawa, Kanada, zu<br />
schreiben. Als studentische Hilfskraft am<br />
Ludwig-Franzius-Institut (LuFI) in Hannover<br />
sammelte ich schon seit dem Start<br />
des Masterstudiums Erfahrungen in physikalischen<br />
Modellversuchen. Diesen Erfahrungsschatz<br />
wollte ich neben einer Vertiefung<br />
der englischen Sprache in Kanada<br />
erweitern. Dank Prof. Nils Goseberg, LWI<br />
Braunschweig, und Prof. Torsten Schlurmann,<br />
LuFi Hannover, fand ich die Möglichkeit<br />
in den hydraulischen Einrichtungen<br />
der University of Ottawa unter der<br />
Leitung von Dr. Ioan Nistor zu arbeiten.<br />
Als visiting student researcher unterstützte<br />
ich das Projekt einer PhD-Studentin und<br />
konnte ein Teil der Ergebnisse auch in meiner<br />
Masterarbeit verwenden. Ohne Kurse,<br />
Hausarbeiten oder Klausuren konnte ich<br />
meine Zeit zu 100% auf die Zusammenarbeit<br />
im Projekt fokussieren.<br />
Das Team um Dr. Nistor ist im Bereich<br />
der Post-Tsunami Forschung und der resultierenden<br />
Schäden der Tsunamis weltweit<br />
bekannt. Ich war froh, dass ich unter<br />
seiner Betreuung meine fachlichen Kenntnisse<br />
vertiefen durfte. Der Fokus des Forschungsvorhabens<br />
war der Einfluss des<br />
Porenwasserdrucks auf die Entwicklung<br />
von Kolken an küstennahen Strukturen.<br />
Seitliche Ansicht des Kolks an der<br />
quadratischen Struktur<br />
abhängig von der Größe und der Geschwindigkeit<br />
der gebrochenen Tsunami-<br />
Welle, die als Bore vorantrieb, und den Bodenverhältnissen<br />
entwickelt sich der Kolk<br />
um Strukturen unterschiedlich. Die zwei<br />
Ziele der Untersuchungen waren zum einen<br />
der Porenwasserdruck, der vom Bodenwassergehalt,<br />
von der Wasserhöhe und<br />
der Porosität abhängt, und zum anderen<br />
der Unterschied zwischen der maximalen<br />
Kolktiefe und der finalen Kolktiefe.<br />
Die Kolke werden häufig beim Rückfließen<br />
des Wassers von Sedimenten wieder<br />
gefüllt. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />
der hereinkommenden Bore wurde mit<br />
einer GoPro Kamera ausgewertet und die<br />
Anfangswasserhöhe mit einem Wasserpegel<br />
gemessen. An der Teststruktur selber<br />
befanden sich zwei Wave Sensors, um<br />
den Wasserpegel über den Tensiometern<br />
(Messung der Saugspannung) zu messen,<br />
und zwei Acoustic Doppler Velocimeter<br />
(ADV), um die Geschwindigkeit unmittelbar<br />
vor der Struktur zu messen. Die eigentliche<br />
Herausforderung war, den Porenwasserdruck<br />
im Sand an der Struktur<br />
zu ermitteln. Die Plexiglas® Struktur wurde<br />
mit neun Tensiometern auf der Front<br />
und einem auf der Seite ausgestattet.<br />
Der Blick auf das Sandbett mit Struktur<br />
stromabwärts<br />
Die empfindlichen Messgeräte leiteten den<br />
hydrostatischen und dynamischen Druck<br />
weiter. Aus der zeitlichen Veränderung<br />
des Porenwasserdruckes konnte die PhD-<br />
Studentin den Gradienten ermitteln, der<br />
die Kolk-Rate beeinflusste. Die Theorie<br />
hinter dem Porenwasserdruckgradienten<br />
basiert auf die Forschungsarbeit von Tonkin<br />
et al. (Tsunami scour around a cylinder.<br />
Journal of Fluid Mechanics, 496, 165-<br />
192, 2003). Zwei zusätzliche Faktoren, die<br />
wir in unserer Arbeit hinzufügten, waren<br />
die Bodenwasserverhältnisse und die<br />
Neigung des Strandes. Da nach der ersten<br />
Tsunamiwelle noch häufig eine weitere<br />
Welle folgt, führten wir die Versuche mit<br />
jeweils komplett trockenem oder vollgesättigtem<br />
Sand durch, um dort die Unterschiede<br />
der Kolkentwicklung zu ermitteln.<br />
Außerdem fügten wir am Ende der Versuche<br />
noch eine Testreihe mit Neigung hinzu,<br />
die die Interaktion zwischen der Bore,<br />
der Struktur und dem sandigen Strand<br />
beeinflusst. Die endgültigen Ergebnisse<br />
liegen zum jetzigen Zeitpunkt (Oktober<br />
<strong>2019</strong>) noch nicht vor, so dass zum jetzigen<br />
Zeitpunkt noch keine eindeutige Aussage<br />
getroffen werden kann. Diese Ergebnisse<br />
werden bei der Aktualisierung des amerikanischen<br />
Leitfadens »Minimum Design<br />
Loads and Associated Criteria for Buildings<br />
and Other Structures (ASCE/SEI<br />
7-16)« herangezogen.<br />
Das Parlament in Ottawa<br />
Die Zusammenarbeit in der Wasserbauhalle<br />
hat mir einen Einblick in ein neues<br />
Forschungsfeld und in den Ablauf einer<br />
kanadischen Promotion ermöglicht. Zudem<br />
habe ich gelernt, dass es in der Forschung<br />
häufig Perioden ohne Ergebnisse<br />
gibt, die man mit sehr viel Geduld überbrücken<br />
muss. Aber es gilt Herausforderungen<br />
anzunehmen, Probleme zu lösen<br />
und neue Erkenntnisse zu gewinnen. In<br />
einem nächsten Schritt möchte ich ein eigenes<br />
Projekt bearbeiten und die komplette<br />
Planung und Durchführung übernehmen.<br />
Ab Januar 2020 werde ich daher als<br />
Research Associate am LuFI meine Promotion<br />
beginnen.<br />
Neben den zeitaufwendigen Forschungsarbeiten<br />
konnte ich dennoch ein Teil der<br />
Zeit zum Reisen nutzen. Im März besuchte<br />
ich gemeinsam mit Dr. Nistor einen<br />
Workshop in Vancouver an der kanadischen<br />
Westküste. Dort wurden zukünftige<br />
Möglichkeiten der Nutzung intelligenter<br />
und nachhaltiger Infrastrukturen diskutiert.<br />
Ich nutze die Zeit aber auch, um<br />
die Stadt und die Wintersport-Metropole<br />
Whistler zu erkunden. An den Wochenenden<br />
konnte ich zudem die Niagarafälle,<br />
den umliegenden Nationalpark Gatineau<br />
und die Städte Montreal und Toronto besuchen.<br />
Zum Schluss meines Auslandsaufenthaltes<br />
fuhr ich mit dem Auto die Ostküste<br />
entlang. Traumhafte Landschaften,<br />
wilde Tiere in der unberührten Natur und<br />
an jeder Ecke freundliche und zuvorkommende<br />
Kanadier, die immer für Fremde<br />
offen sind.<br />
Der goldene Herbst auf dem Campus<br />
Dank der finanziellen Unterstützung der<br />
HTG und eines PROMOS Stipendiums<br />
konnte ich mich fachlich und persönlich<br />
weiterentwickeln. Besonders der Wunsch<br />
zu promovieren hat sich während meiner<br />
Zeit in Kanada gefestigt. Ich bedanke mich<br />
bei der HTG für die Unterstützung und bei<br />
allen anderen, die mir den Auslandsaufenthalt<br />
in Ottawa ermöglicht haben.<br />
© Tom Kristian Hoffmann<br />
<strong>HANSA</strong> International Maritime Journal <strong>11</strong> | <strong>2019</strong><br />
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