HANSA 11-2019
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Kapitän Birger Möller<br />
studiert die Seekarte.<br />
Die 1962 gebaute<br />
»Cap San Diego« ist auch heute<br />
noch gelegentlich unterwegs<br />
© Wägener/Hero Lang<br />
Mit der »Cap San Diego«<br />
historische Seefahrt live erleben<br />
Von der Romantik von früher, als es<br />
noch keine Container gab, ist in der<br />
heutigen Seefahrt kaum noch etwas übrig<br />
geblieben. Doch es gibt sie noch, die<br />
Erinnerungen an die Zeit, als traditionelle<br />
Stückgutfrachter über die Weltmeere<br />
fuhren. Einer davon ist die im März<br />
1962 abgelieferte »Cap San Diego« der<br />
Reederei Hamburg Südamerikanische<br />
Dampfschifffahrts-Gesellschaft.<br />
1986 sollte das Schiff eigentlich verschrottet<br />
werden. Seinerzeit war der<br />
Frachter bereits unterwegs zur Abwrackwerft,<br />
als der Hamburger Senat sich sozusagen<br />
in letzter Sekunde dazu entschloss,<br />
das Schiff vor der Verschrottung zu retten<br />
und es wieder umkehren ließ.<br />
Seither liegt die »Cap San Diego« vorwiegend<br />
im Hamburger Hafen und kann<br />
besichtigt werden. Darüber hinaus bietet<br />
sich die Gelegenheit, auf dem Frachter zu<br />
übernachten, denn die ehemaligen Passagierkabinen<br />
wurden inzwischen als Hotelzimmer<br />
hergerichtet.<br />
An manchen Tagen aber werden auch<br />
die Leinen los gemacht und das Schiff<br />
sticht in See. Denn auch wenn der rund<br />
160 m lange und mehr als 21 m breite<br />
Stückgutfrachter schon fast 60 Jahre alt<br />
ist, ist er auch heute noch vollends fahrtüchtig.<br />
Entsprechend wird er behandelt<br />
wie ein normales Seeschiff und muss<br />
auch alle fünf Jahre für Klassearbeiten<br />
in die Werft. Der nächste Aufenthalt dort<br />
steht in zwei Jahren an, schon jetzt wird<br />
an der notwendigen Werftliste gearbeitet.<br />
Eigens zum Erhalt der Fahrtüchtigkeit<br />
und Hochseefähigkeit des historischen<br />
Frachters wurde die Stiftung Hamburger<br />
Admiralität gegründet, der die »Cap San<br />
Diego« heute gehört. Um den Frachter zu<br />
betreiben, wurde die gemeinnützige Cap<br />
San Diego Betriebsgesellschaft ins Leben<br />
gerufen, die Fahrten sowie den Hotelund<br />
Museumsbetrieb an Bord organisiert.<br />
Die eingenommenen Gelder werden<br />
in die Instandsetzung reinvestiert,<br />
denn es bedarf eines erhöhten finanziellen<br />
Aufwands, um ein solches historisches<br />
Schiff in Schuss zu halten.<br />
»Pro Jahr werden zwischen 250.000 und<br />
500.000 € fällig«, sagt Ann-Cathrin Cornelius,<br />
Geschäftsführerin der Cap San<br />
Diego Betriebsgesellschaft. Wenn die<br />
Klasse ansteht, kann der Betrag auch<br />
schnell über 1 Mio. € steigen.<br />
Rund 120 Ehrenamtliche und etwa<br />
20 Festangestellte kümmern sich um das<br />
Wohl des Schiffes. Ehrenamtlicher Kapitän<br />
ist Birger Möller, der auf einem der<br />
fünf Schwesterschiffe der »Cap San Diego«<br />
selber noch zur See gefahren ist. Seinen<br />
Beruf übte er seit 1967 aus, vor sieben<br />
Jahren wechselte er in den Ruhestand.<br />
Die Erfahrung, die er in den vielen Jahren<br />
gesammelt hat, kommt ihm heute zugute.<br />
»Das hohe Durchschnittsalter der<br />
Mannschaft von 74 Jahren ist neben der<br />
Finanzierung die größte Herausforderung«,<br />
sagt Cornelius. Man sei dringend<br />
auf Nachwuchs angewiesen, da für den<br />
Frachter – wie für jedes andere Seeschiff<br />
– die Schiffsbesetzungsverordnung gelte.<br />
»Die Mannschaft freut sich immer,<br />
wenn es wieder auf Fahrt geht«, so Cornelius.<br />
Künftig soll das häufiger der Fall<br />
sein, denn »wir liegen etwas zu viel im<br />
Hafen«, wie sie sagt. Schließlich seien es<br />
ja gerade die Fahrten, die den größten<br />
Spaß bereiteten.<br />
Blick in den Maschinenraum auf den<br />
Neun-Zylinder-Motor von MAN<br />
Die Nachfrage nach den Touren ist<br />
groß, zumeist sind sie Wochen vorher<br />
ausgebucht. Bis zu 500 Passagiere dürfen<br />
auf den deutschen Gewässern an Bord genommen<br />
werden. Hinzu kommt die Besatzung.<br />
Auf hoher See, etwa bis nach<br />
Helgoland, ist die Beförderung von nur<br />
zwölf Gästen zulässig.<br />
Auch kann das Schiff gechartert werden,<br />
wie es beispielsweise die Polizeidirektion<br />
Niedersachen im August für eine<br />
Anti-Terror-Übung auf der Nordsee gemacht<br />
hat.<br />
Eine Herausforderung ist zudem die<br />
Besorgung von Ersatzteilen, falls Reparaturen<br />
anstehen. Vieles wird gesponsert.<br />
Einmal im Jahr übernehmen<br />
Lehrlinge von MAN zusammen mit<br />
der ehrenamtlichen Maschinencrew die<br />
Wartung der Maschine. Zudem kann<br />
auf noch erhaltene Komponenten der<br />
Schwesterschiffe zurückgegriffen werden.<br />
Sollte etwas dennoch einmal nicht<br />
vorhanden sein, ist die Mannschaft gefordert,<br />
sich ein entsprechendes Teil<br />
selbst anzufertigen. TWG<br />
72 <strong>HANSA</strong> International Maritime Journal <strong>11</strong> | <strong>2019</strong>