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Niels Klims unterirdische Reise

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schen seinen Leib aufzuschneiden.« Sie gab aber zur Antwort:<br />

»Trage an der Ehrlichkeit dieser Männer, unter denen du dich<br />

befindest, keinen Zweifel. Du bist in der Tat bei ehrlichen und<br />

netten Leuten, die nichts aus bösem Vorsatz unternehmen, sondern<br />

sie haben bloß diese Operation untereinander beschlossen,<br />

um das Studium Anatomicum in ein besseres Licht zu setzen.«<br />

Ich aber erwiderte: »Ich wollte lieber von Mördern freigelassen,<br />

als von ehrlichen Leuten zergliedert werden«, fiel hierauf der<br />

Frau zu Füßen und bat mit den bittersten Tränen, sie möchte<br />

doch eine Fürbitte für mich einlegen. Sie gab mir aber zur Antwort:<br />

»Meine Fürbitte wird dir wenig helfen, da es die Fakultät<br />

einmal beschlossen, denn ihr Schluss pflegt unabänderlich zu<br />

sein, doch will ich mich bemühen, dich durch einen anderen<br />

Weg vom Tod zu erretten.« Bei diesen Worten nahm sie mich<br />

bei der Hand und führte mich durch eine heimliche Tür aus<br />

dem Haus, begleitete mich auch, der ich vor Furcht zitterte, bis<br />

an das Stadttor. Hier wollte ich nun von meiner Erhalterin Abschied<br />

nehmen und stattete ihr mit den verbindlichsten Worten<br />

wie billig meinen Dank ab. Sie fiel mir aber in die Rede und<br />

sagte, sie würde mich nicht eher verlassen, bis sie sähe, dass<br />

ich außer aller Gefahr sei, und begleitete mich gegen meinen<br />

Willen noch weiter. Unterwegs fielen unterschiedliche Reden<br />

von der Beschaffenheit dieses Landes vor, und ich hörte aufmerksam<br />

zu. Endlich aber fiel sie auf eine Erzählung, die mir<br />

nicht allzu angenehm war, weil ich aus ihrem Reden schloss,<br />

dass sie zur Belohnung für ihren mir erwiesenen Dienst etwas<br />

von mir verlange, was mir nach der Sittenlehre unmöglich war.<br />

Sie erzählte mir mit herzzerbrechenden Worten, wie schlimm<br />

die Frauen in diesem Land dran seien, dass nämlich die philosophischen<br />

Schulmeister, weil sie alle ihre Gedanken nur auf<br />

das Studieren richteten, die eheliche Pflicht bei ihnen ganz<br />

und gar hintan setzten. »Ich kann es mit einem Eid bestätigen«,<br />

fuhr sie fort, »es wäre ganz und gar um uns Frauen geschehen,<br />

wenn sich nicht etwa zuweilen ein ehrbarer und barmherziger<br />

Fremdling unser Elend ließe zu Herzen gehen und dem Übel,

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