Niels Klims unterirdische Reise
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Familie kann eine kleine Republik vorstellen, denn sie sind keinen<br />
Gesetzen und keiner Obrigkeit unterworfen, doch halten<br />
sie unter sich eine Art von gesellschaftlichem Wesen und in allgemeinen<br />
Angelegenheiten beratschlagen sich die Alten miteinander,<br />
die denn immer Friede und Einigkeit zu erhalten suchen<br />
und vornehmlich diese Regel aus dem natürlichen Gesetz einführen:<br />
»Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem<br />
anderen zu.« An allen Stadttoren und an allen Haustüren<br />
war das Bild der Freiheit ausgeschnitzt zu sehen, die auf Ketten<br />
und Banden trat, wobei gleich die Aufschrift stand: »Die goldene<br />
Freiheit«. In der ersten Stadt, in die ich kam, sah alles ziemlich<br />
ruhig aus, doch sah ich, dass sich die Einwohner durch gewisse<br />
Binden voneinander unterschieden, welche die Merkmale<br />
besonderer Fraktionen waren, in die die Bürgerschaft eingeteilt<br />
war. Die Zugänge an den Häusern der Mächtigsten waren mit<br />
sieben bewaffneten Wächtern besetzt und es schien, als wenn<br />
sie nur alle darauf lauerten, dass nach beendetem Stillstand der<br />
Krieg von neuem angehen möchte. Ich floh daher voller Furcht<br />
aus diesem Freien Land und hielt mich nicht eher für sicher, bis<br />
ich es aus den Augen verloren hatte.<br />
Das nächste Land, das gleich neben diesem lag, hieß Jochtana.<br />
Was ich von diesem Land wusste, setzte mich in Erstaunen,<br />
weil ich glaubte, es würde allhier noch viel unordentlicher,<br />
ja unsicherer und verwirrter zugehen als in dem Freien Land,<br />
denn hier wurden alle Religionen, Sekten und Ketzereien geduldet<br />
und alle Lehren, die nur an irgendeinem Ort dieses<br />
Planeten gelehrt wurden, kamen hier gleichsam wie zu einem<br />
Mittelpunkt zusammen und wurden öffentlich vorgetragen.<br />
Da mir nun hierbei einfiel, was für traurige Folgen aus dem<br />
Unterschied der Religionen in den meisten Ländern unseres<br />
Europa entstanden, wagte ich beinah nicht, in die Hauptstadt<br />
Jochtansii einzukehren, weil hier so viele Kirchen und einander<br />
entgegengesetzte Sekten wie öffentliche Plätze und Gassen<br />
anzutreffen waren. Aber als ich hineinkam, verschwand meine<br />
Furcht augenblicklich, weil ich die größte Einigkeit regieren sah