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Niels Klims unterirdische Reise

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— 204 —<br />

Schiffsleuten. Ich aber war der Einzige, der das allgemeine Unglück<br />

mit größter Gelassenheit ansah, weil ich meines Lebens<br />

überdrüssig war und mich nicht im Geringsten wieder zurück<br />

nach Martinia sehnte, wo ich Freiheit, Ehre und Reputation<br />

verloren hatte, und also unter diejenigen zu rechnen war, die<br />

weder Armut noch Bande noch der Tod erschrecken können.<br />

Doch hatte ich gleichwohl mit dem Schiffspatron Mitleid, weil<br />

er mir auf der ganzen <strong>Reise</strong> allen guten Willen gezeigt hatte und<br />

suchte daher sein Gemüt mit den besten und auserlesensten<br />

Worten wieder aufzurichten. Allein ich wandte alle Beredsamkeit<br />

vergebens an, denn er blieb bei seinem weibischen Heulen<br />

und Wehklagen, bis er endlich von der entsetzlichen Flut ins<br />

Meer gerissen wurde. Bei beständig fortwährendem und immer<br />

mehr und mehr überhandnehmendem Sturm war man auf<br />

Erhaltung des Schiffs ferner nicht mehr bedacht, sondern die<br />

Wellen warfen es wie einen Ball hin und her, nachdem es alle<br />

Masten, sogar das Steuerruder, alles Tauwerk und die anderen<br />

Ruder verloren hatte. Der Sturm hielt 3 Tage und 3 Nächte in<br />

einem hintereinander an, wobei wir in beständiger Todesfurcht<br />

waren und keinen Bissen Speise zu uns nahmen. Der helle Himmel<br />

blickte zwar zuweilen hervor, allein der Sturm währte immer<br />

fort. Endlich lebte beim übrigen Schiffsvolk die Hoffnung<br />

einigermaßen wieder auf, als sie von weitem Land sahen, das<br />

aber doch sehr felsig und bergig schien, denn weil der Wind<br />

landwärts ging, so hofften wir, wir würden in kurzem landen<br />

können. Es konnte dies zwar nicht ohne Schiffbruch geschehen,<br />

weil sich viele Klippen um das Ufer befanden, es war aber<br />

doch wahrscheinlich, wenn wir auch nicht alle unser Leben<br />

davonbrächten, dass doch einige oder die meisten sich auf den<br />

Trümmern des Schiffes würden retten können. Indem wir uns<br />

aber mit dieser angenehmen Hoffnung schmeichelten, stieß<br />

das Schiff mit solcher Gewalt auf eine verborgene Klippe, dass<br />

es in tausend Stücke zerschellte. In dieser Angst ergriff ich ein<br />

Brett und dachte nur an meine Rettung, denn um die anderen<br />

war ich unbesorgt, weil ich mit mir selber genug zu tun hatte,

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