Niels Klims unterirdische Reise
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Schiffsleuten. Ich aber war der Einzige, der das allgemeine Unglück<br />
mit größter Gelassenheit ansah, weil ich meines Lebens<br />
überdrüssig war und mich nicht im Geringsten wieder zurück<br />
nach Martinia sehnte, wo ich Freiheit, Ehre und Reputation<br />
verloren hatte, und also unter diejenigen zu rechnen war, die<br />
weder Armut noch Bande noch der Tod erschrecken können.<br />
Doch hatte ich gleichwohl mit dem Schiffspatron Mitleid, weil<br />
er mir auf der ganzen <strong>Reise</strong> allen guten Willen gezeigt hatte und<br />
suchte daher sein Gemüt mit den besten und auserlesensten<br />
Worten wieder aufzurichten. Allein ich wandte alle Beredsamkeit<br />
vergebens an, denn er blieb bei seinem weibischen Heulen<br />
und Wehklagen, bis er endlich von der entsetzlichen Flut ins<br />
Meer gerissen wurde. Bei beständig fortwährendem und immer<br />
mehr und mehr überhandnehmendem Sturm war man auf<br />
Erhaltung des Schiffs ferner nicht mehr bedacht, sondern die<br />
Wellen warfen es wie einen Ball hin und her, nachdem es alle<br />
Masten, sogar das Steuerruder, alles Tauwerk und die anderen<br />
Ruder verloren hatte. Der Sturm hielt 3 Tage und 3 Nächte in<br />
einem hintereinander an, wobei wir in beständiger Todesfurcht<br />
waren und keinen Bissen Speise zu uns nahmen. Der helle Himmel<br />
blickte zwar zuweilen hervor, allein der Sturm währte immer<br />
fort. Endlich lebte beim übrigen Schiffsvolk die Hoffnung<br />
einigermaßen wieder auf, als sie von weitem Land sahen, das<br />
aber doch sehr felsig und bergig schien, denn weil der Wind<br />
landwärts ging, so hofften wir, wir würden in kurzem landen<br />
können. Es konnte dies zwar nicht ohne Schiffbruch geschehen,<br />
weil sich viele Klippen um das Ufer befanden, es war aber<br />
doch wahrscheinlich, wenn wir auch nicht alle unser Leben<br />
davonbrächten, dass doch einige oder die meisten sich auf den<br />
Trümmern des Schiffes würden retten können. Indem wir uns<br />
aber mit dieser angenehmen Hoffnung schmeichelten, stieß<br />
das Schiff mit solcher Gewalt auf eine verborgene Klippe, dass<br />
es in tausend Stücke zerschellte. In dieser Angst ergriff ich ein<br />
Brett und dachte nur an meine Rettung, denn um die anderen<br />
war ich unbesorgt, weil ich mit mir selber genug zu tun hatte,