Niels Klims unterirdische Reise
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schrieb er dieses Urteil mit eigener Hand, ließ das gewöhnliche<br />
Siegel darauf drücken und befahl, es zu publizieren, doch linderte<br />
er es in soweit, da ich ein Fremdling und aus einer neuen<br />
und unbekannten Welt hergekommen sei, wo ein frühkluger<br />
Verstand unter die Tugenden gerechnet werde, so sollte ich<br />
dieser wegen mit der Todesstrafe verschont bleiben. Damit<br />
aber gleichwohl durch Erlassung der Strafe die Gesetze nicht<br />
geschwächt würden, sollte ich bis zum Birkenmonat gefänglich<br />
verwahrt, sodann aber nebst anderen Übertretern der Gesetze<br />
nach dem Firmament verbannt werden.<br />
Nach Publizierung des Urteils wurde ich ins Gefängnis gelegt.<br />
Meine Freunde rieten mir damals, ich solle gegen dieses<br />
Urteil protestieren, weil unter meinen Richtern so viel Frauen<br />
und Jungfrauen gewesen seien, die in ihrer eigenen Sache gerichtet<br />
hätten. Anderen aber schien es ratsamer, ich solle mein<br />
Vergehen erkennen und dasjenige, was geschehen sei, durch<br />
meine natürliche und angeborene Dummheit entschuldigen.<br />
Aber ich verwarf diesen Vorschlag beständig, weil ich allzu viel<br />
Respekt gegen die Menschen auf unserer oberen Erde hegte,<br />
sodass ich sie durch ein so niederträchtiges Bekenntnis nicht<br />
hätte beschimpfen wollen. Nicht lange hernach erfuhr ich, der<br />
Fürst wolle mir alle Strafen erlassen, wenn ich nur bei ihm um<br />
Gnade anhielte und um Vergebung meines Fehlers bäte, obgleich<br />
die Rahagna, oder die Schatzmeisterin, mit Händen und<br />
Füßen sich dagegen zur Wehr setzte, dass ich meine Freiheit erhalten<br />
sollte. Doch dass ich die Wahrheit offenherzig bekenne,<br />
ich kümmerte mich gar nicht um dieses Urteil, denn das Amt,<br />
das ich verwaltete, war mir unerträglicher als der Tod und ich<br />
war es überdrüssig, länger bei diesen Bäumen zu leben, die vor<br />
allzu großer Weisheit hätten bersten mögen; überdies hoffte ich<br />
auch, meine Umstände könnten sich vielleicht im Firmament<br />
bessern, denn ich hatte gehört, dass dort alle Fremdlinge ohne<br />
Unterschied sehr gütig aufgenommen würden.