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Niels Klims unterirdische Reise

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— 139 —<br />

mens hineingehen wollte, fand ich das Stadttor zugeschlossen.<br />

Ich musste deshalb eine Zeit lang warten, ehe der verschlafene<br />

Wächter das mit Riegeln und Schlössern fest verwahrte Tor<br />

aufmachte. In der Stadt lag alles in tiefem Schlaf vergraben<br />

und ich hörte weiter nichts, als das gewaltige Schnarchen der<br />

schlafenden Einwohner, dass ich mir sogar einbildete, ich sei<br />

hier zu der wahren Wohnung des Schlafs, dergleichen sich die<br />

Poeten eingebildet, gekommen. Ich dachte daher bei mir selber:<br />

»Wollte Gott, dass einige von unseren Bürgermeistern und<br />

Ratsherrn nebst anderen honetten Bürgern in meinem Vaterland<br />

hier geboren worden wären, so könnten sie doch in dieser<br />

glückseligen Stadt ihr Leben in vollkommener Gemächlichkeit<br />

und Ruhe zubringen, auf die sie so sehr viel halten.« Aus den<br />

Zeichen und Überschriften der Häuser konnte ich aber doch<br />

so viel herauslesen, dass hier Künste und Handwerke getrieben<br />

wurden, hingleichen, dass man Recht und Gerechtigkeit handhabe.<br />

Nach Anweisungen dieser Überschriften entdeckte ich<br />

auch ein Wirtshaus, doch war der Eingang nicht offen, denn<br />

die Tür war verriegelt und zugeschlossen, und obgleich es schon<br />

über Mittag war, so war es was die Einwohner betraf doch noch<br />

Nacht. Nach langem Anpochen wurde ich endlich eingelassen.<br />

Hier teilen sie Tag und Nacht in 23 Stunden ein, wovon sie 19<br />

dem Schlaf, die übrigen 4 aber dem Wachen widmen. Ich mutmaßte<br />

daher, dass hier sowohl öffentliche als Privatgeschäfte<br />

sehr nachlässig behandelt werden müssten und befahl, mir in<br />

aller Geschwindigkeit aufzutragen, was an Speisen vorhanden<br />

sei, denn ich befürchtete, es möchte den Koch unter währender<br />

Zubereitung des Mittagsmahls die Nacht wieder überfallen.<br />

Aber da hier alles sehr gedrängt zugeht und alles Überflüssige<br />

vermieden wird, so ist ein solcher kurzer mikrokischer Tag<br />

lang genug, dass sie ihre Geschäfte verrichten können. Nach<br />

der Mittagsmahlzeit, die mir früher aufgetragen wurde, als ich<br />

vermuten konnte, führte mich mein Wirt durch die Stadt. Wir<br />

gingen in die Kirche, wo eine Rede gehalten wurde, die der Zeit<br />

nach sehr kurz, der Wichtigkeit wegen aber sehr lang zu hal-

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