Niels Klims unterirdische Reise
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mens hineingehen wollte, fand ich das Stadttor zugeschlossen.<br />
Ich musste deshalb eine Zeit lang warten, ehe der verschlafene<br />
Wächter das mit Riegeln und Schlössern fest verwahrte Tor<br />
aufmachte. In der Stadt lag alles in tiefem Schlaf vergraben<br />
und ich hörte weiter nichts, als das gewaltige Schnarchen der<br />
schlafenden Einwohner, dass ich mir sogar einbildete, ich sei<br />
hier zu der wahren Wohnung des Schlafs, dergleichen sich die<br />
Poeten eingebildet, gekommen. Ich dachte daher bei mir selber:<br />
»Wollte Gott, dass einige von unseren Bürgermeistern und<br />
Ratsherrn nebst anderen honetten Bürgern in meinem Vaterland<br />
hier geboren worden wären, so könnten sie doch in dieser<br />
glückseligen Stadt ihr Leben in vollkommener Gemächlichkeit<br />
und Ruhe zubringen, auf die sie so sehr viel halten.« Aus den<br />
Zeichen und Überschriften der Häuser konnte ich aber doch<br />
so viel herauslesen, dass hier Künste und Handwerke getrieben<br />
wurden, hingleichen, dass man Recht und Gerechtigkeit handhabe.<br />
Nach Anweisungen dieser Überschriften entdeckte ich<br />
auch ein Wirtshaus, doch war der Eingang nicht offen, denn<br />
die Tür war verriegelt und zugeschlossen, und obgleich es schon<br />
über Mittag war, so war es was die Einwohner betraf doch noch<br />
Nacht. Nach langem Anpochen wurde ich endlich eingelassen.<br />
Hier teilen sie Tag und Nacht in 23 Stunden ein, wovon sie 19<br />
dem Schlaf, die übrigen 4 aber dem Wachen widmen. Ich mutmaßte<br />
daher, dass hier sowohl öffentliche als Privatgeschäfte<br />
sehr nachlässig behandelt werden müssten und befahl, mir in<br />
aller Geschwindigkeit aufzutragen, was an Speisen vorhanden<br />
sei, denn ich befürchtete, es möchte den Koch unter währender<br />
Zubereitung des Mittagsmahls die Nacht wieder überfallen.<br />
Aber da hier alles sehr gedrängt zugeht und alles Überflüssige<br />
vermieden wird, so ist ein solcher kurzer mikrokischer Tag<br />
lang genug, dass sie ihre Geschäfte verrichten können. Nach<br />
der Mittagsmahlzeit, die mir früher aufgetragen wurde, als ich<br />
vermuten konnte, führte mich mein Wirt durch die Stadt. Wir<br />
gingen in die Kirche, wo eine Rede gehalten wurde, die der Zeit<br />
nach sehr kurz, der Wichtigkeit wegen aber sehr lang zu hal-