UNDERDOG #67
Schwerpunkt: Anti everything
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Bik
Queercore band Bikini Kill 1995. Photograph: Alice Wheeler
iges und gesellschaftlich abweichendes tat. Im
Shakespeare-Englisch bedeutete es eine weibliche
Prostituierte; später bezeichnete es auch junge
Männer, die Sex an ältere Männer verkauften.
Punk und Queer sind ein Paar, das in der Gosse
entstanden ist. Der Punkrock macht sich diesen
erbärmlichen Status zu eigen. Er zelebriert ihn und
lehnt die Gesellschaft ab, die ihn ablehnt. Es geht
um schlechtes Benehmen, Anarchie, Asozialität
und Lärm. Es geht darum, eine Freiheit von
dumpfen und heuchlerischen normativen
Zwängen zu beanspruchen. Mit anderen Worten:
Punk ist queer.
Die Punkszenen waren, zumindest in ihrer
Anfangsphase, eher heterogene Orte. Sie wurden
vom Pöbel, dem hoi polloi, geschaffen. Jeder war
willkommen. Aber diese Szenen kämpften mit
homophoben, sexistischen und rassistischen
Elementen. Es gibt viele Beispiele dafür, dass
heterosexuelle Punks queeren Sex als derbe
Pointe benutzen. Punks mussten sich mit
Rassismus und Faschismus in der Szene
auseinandersetzen. Es gab gravierende Fälle, z. B.
die Szene im San Francisco der 1980er Jahre, als
Organisationen der weißen Vorherrschaft aus
ihren Hochburgen in Nordkalifornien auftauchten
und begannen, mit den örtlichen Skinheads zu
interagieren. Das war verhängnisvoll für die
Limp Wrist
Szene, doch Queer- und Trans-Punks weigerten
sich, klein beizugeben, und schufen so ihre eigene
Szene. Queercore und Riot Grrrl widersetzten sich
den unterdrückerischen homonormativen
Tendenzen, die in der Mainstream-LGBT+-
Organisation verortet waren. „VerliererInnen,
Freaks und AbweichlerInnen haben diese
Bewegung ins Leben gerufen, nicht diese
Kontrollfreaks“, sagt Penny Arcade in der 2017
erschienenen Dokumentation „Queercore: How to
Punk a Revolution.“ Die Dokumentation erzählt die
Geschichte einer subversiven Subkultur innerhalb
zweier Subkulturen, die zunächst sehr
gegensätzlich anmuten: Punk und Homo- bzw.
Transsexualität. Mithilfe seltener
Archivaufnahmen, pulsierender Konzert-
Mitschnitte und zahlreicher Interviews,
verdeutlicht der Film die Hintergründe und Ziele
der schwulen Punkmusik. Und: wie weit der
Einflussfaktor der Queercore-Bewegung bis in
unsere heutige Zeit reicht. Besonders sehenswert
machen den Film seine aufwendige Montage und
der rasante Schnitt, der dem Werk eine
mitreißend-stürmische, druckvolle Eigendynamik
verschafft. „Queercore“ reist zurück ins Toronto
der 80er-Jahre: ab der Mitte des Jahrzehnts
formierte sich eine Bewegung, die Punk und
queere Lebensweisen zusammenbrachte.
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