31.07.2022 Aufrufe

UNDERDOG #67

Schwerpunkt: Anti everything

Schwerpunkt: Anti everything

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bik

Queercore band Bikini Kill 1995. Photograph: Alice Wheeler

iges und gesellschaftlich abweichendes tat. Im

Shakespeare-Englisch bedeutete es eine weibliche

Prostituierte; später bezeichnete es auch junge

Männer, die Sex an ältere Männer verkauften.

Punk und Queer sind ein Paar, das in der Gosse

entstanden ist. Der Punkrock macht sich diesen

erbärmlichen Status zu eigen. Er zelebriert ihn und

lehnt die Gesellschaft ab, die ihn ablehnt. Es geht

um schlechtes Benehmen, Anarchie, Asozialität

und Lärm. Es geht darum, eine Freiheit von

dumpfen und heuchlerischen normativen

Zwängen zu beanspruchen. Mit anderen Worten:

Punk ist queer.

Die Punkszenen waren, zumindest in ihrer

Anfangsphase, eher heterogene Orte. Sie wurden

vom Pöbel, dem hoi polloi, geschaffen. Jeder war

willkommen. Aber diese Szenen kämpften mit

homophoben, sexistischen und rassistischen

Elementen. Es gibt viele Beispiele dafür, dass

heterosexuelle Punks queeren Sex als derbe

Pointe benutzen. Punks mussten sich mit

Rassismus und Faschismus in der Szene

auseinandersetzen. Es gab gravierende Fälle, z. B.

die Szene im San Francisco der 1980er Jahre, als

Organisationen der weißen Vorherrschaft aus

ihren Hochburgen in Nordkalifornien auftauchten

und begannen, mit den örtlichen Skinheads zu

interagieren. Das war verhängnisvoll für die

Limp Wrist

Szene, doch Queer- und Trans-Punks weigerten

sich, klein beizugeben, und schufen so ihre eigene

Szene. Queercore und Riot Grrrl widersetzten sich

den unterdrückerischen homonormativen

Tendenzen, die in der Mainstream-LGBT+-

Organisation verortet waren. „VerliererInnen,

Freaks und AbweichlerInnen haben diese

Bewegung ins Leben gerufen, nicht diese

Kontrollfreaks“, sagt Penny Arcade in der 2017

erschienenen Dokumentation „Queercore: How to

Punk a Revolution.“ Die Dokumentation erzählt die

Geschichte einer subversiven Subkultur innerhalb

zweier Subkulturen, die zunächst sehr

gegensätzlich anmuten: Punk und Homo- bzw.

Transsexualität. Mithilfe seltener

Archivaufnahmen, pulsierender Konzert-

Mitschnitte und zahlreicher Interviews,

verdeutlicht der Film die Hintergründe und Ziele

der schwulen Punkmusik. Und: wie weit der

Einflussfaktor der Queercore-Bewegung bis in

unsere heutige Zeit reicht. Besonders sehenswert

machen den Film seine aufwendige Montage und

der rasante Schnitt, der dem Werk eine

mitreißend-stürmische, druckvolle Eigendynamik

verschafft. „Queercore“ reist zurück ins Toronto

der 80er-Jahre: ab der Mitte des Jahrzehnts

formierte sich eine Bewegung, die Punk und

queere Lebensweisen zusammenbrachte.

29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!