UNDERDOG #67
Schwerpunkt: Anti everything
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Gegen toxische Männlichkeit und das Patriarchat:
Girls, Femmes, Flinta* to the front
Tochter zu haben. In diesem Moment
fühlte ich, wie eine schreckliche Scham
in mir aufstieg, ich fühlte mich schmutzig
und wollte nicht mit meinem Vater
darüber sprechen, als er sagte, dass das
„ein paar schräge Typen“ seien. Ich hatte
das Gefühl, mich verstecken zu müssen,
als ob etwas mit mir nicht stimmte, denn
sonst hätten sie mich nicht ins Visier
genommen. Ich habe das Gefühl, dass
dies eine allgemeine Angst davor
ausgelöst hat, sich in der Öffentlichkeit
zu bewegen, da die Gefahr der sexuellen
Belästigung sehr real ist. Eine Angst, die
ich zum Glück mithilfe von viel
radikalfeministischer Literatur
überwunden habe. Ich schätze, diese
Erfahrung könnte mein persönliches
feministisches Erwachen gewesen sein.
Der Punkt, an dem ich erfuhr, wie es
wirklich ist, eine Frau in dieser
Gesellschaft zu sein. Und ich denke, jede
hat ihren eigenen Moment, ihre eigene
Erfahrung, wenn sie sich dessen bewusst
wird.
Zwei Autorinnen, die meinen Feminismus
stark geprägt und beeinflusst haben,
allerdings auf eine eher formale und
theoretische Weise, sind Catharine
MacKinnon und Andrea Dworkin. Durch
die Lektüre ihrer Werke war ich in der
Lage, viele Zusammenhänge darüber zu
erkennen, wie Patriarchat und
Frauenfeindlichkeit unsere
Lebenserfahrung direkt beeinflussen. Ich
betrachte MacKinnons „Feministische
Staatstheorie“ als die
(radikale/marxistische) feministische
Bibel und kann sie gar nicht genug
empfehlen (überspringe nur den ersten
Teil, wenn du dich im klassischen
Marxismus nicht so gut auskennst, denn
das könnte dich vom weiteren Lesen
abhalten).
Heute wird viel über
Geschlechterunterschiede und
Rollenstereotypen diskutiert, ob
Frauen und Männer völlig gleich sind
oder ob man die Unterschiede
einfach akzeptieren muss.
Gudrun (Bass): Ich denke, seit in
der Wissenschaft Anstrengungen
unternommen werden, Gender zu
dekonstruieren, haben wir uns von der
Debatte, ob man die Gleichheit oder die
Differenz besonders betonen soll, die
viele frühere feministische Schriften
kennzeichnete, weitgehend entfernt.
Heutzutage geht es meiner Meinung
nach eher darum, die gesamte
Geschlechtertrennung zu überwinden
(was immer das auch heißen mag) und
sich von der Vorstellung zu befreien, dass
es eine festgelegte, vorbestimmte Art
und Weise gibt, wie ein Mann oder eine
Frau zu sein und sich zu fühlen. Ein
Denken, das über diese binäre Aufteilung
von Männlichkeit und Weiblichkeit
hinausgeht, über Stereotypen hinaus und
hin zu einer offenen Erkundung all der
Dinge, die die eigene Identität mit sich
bringen kann, all der Möglichkeiten, wie
eine Person sich ausdrücken kann. Ich
glaube nicht, dass es in der aktuellen
Debatte darum geht, wie sich Männer
und Frauen zueinander verhalten, sei es
durch Differenz- oder Gleichheitsdenken.
Der Schwerpunkt hat sich darauf
verlagert, alle Arten des binären
Denkens kritisch zu hinterfragen und die
Idee, dass es nur zwei feste Geschlechter
gibt, zu demontieren.
Ich habe das Gefühl, dass viele meiner
Mitschüler über dieses Thema
nachdenken, und je mehr sie darüber
nachdenken, desto mehr scheinen sie
damit zu kämpfen. Ich denke, dieser
Kampf hat damit zu tun, dass sich in
jüngster Zeit viele neue Möglichkeiten
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