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UNDERDOG #67

Schwerpunkt: Anti everything

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gepierct ist, eher aus der

heutigen Norm fällt.

Letztendlich ist es mir aber

auch nicht wichtig, wie

jemand aussieht. Wenn ich

mich in meinem

Freundeskreis umschaue,

dann sind es oftmals

diejenigen, deren Äußeres

(mittlerweile) völlig

unauffällig ist, die politisch

oder punkszeneintern sehr

aktiv sind. Gerade für Leute,

die sich politisch

engagieren, kann es ja zum

Beispiel situationsbedingt

sehr von Vorteil sein, wenn

Nazis oder Cops sie nicht

schon auf einen Kilometer

Entfernung als Punks oder

Antifas identifizieren…

Mika: Hat für mich

keine Relevanz. Ich bin

Mitte der 1990er zu Punk

gekommen. Damals waren

bunte Haare durch Techno

präsent, der Fußballer

David Beckham hatte auf

einmal einen Mohawk-

Schnitt. Kurze Zeit später

waren auf jedem

Bauernschützenfest in der

CDU-Meute genügend

Tattoos zu sehen, sodass

Äußerlichkeiten immer

beliebiger wurden und für

mich keinerlei Relevanz

bekam, um mich

abzugrenzen. Buttons und

Shirts sowie bequeme,

sportliche Kleidung ja, aber

nach Möglichkeiten kein

Szenedress.

Falls und wenn Punks

stereotyp als

aggressiv/feindselig

gelten, ist mitunter ein

Prozess der Abschottung

als Selbstfindung wirksam, die junge Menschen

durchmachen. Glaubst du, dass Punk heute noch

ein Synonym ist,

abwertende/ausgrenzende/gewalttätige

Reaktionen hervorzurufen? Wenn ja, gibt es bei

dir ein Beispiel dafür, ein konkretes Erlebnis?

Mareike: Nein. Punk war für mich viel mehr

der Weg, die Anerkennung zu bekommen, die ich

gebraucht habe/brauche. Menschen, die mich

länger kennen, wissen, dass ich optisch schon

immer mein Ding mache.

Jan: Auch wenn ich in meiner vorangegangenen

Antwort geschrieben habe, dass sich die

Durchschnittsgesellschaft mittlerweile nicht mehr so

intensiv an einer andersartigen Optik wie noch vor

zwanzig Jahren reibt, so ist es hier in Sachsen

weiterhin mit nicht zu unterschätzenden Risiken

verbunden, sich als Punk oder Linker sichtbar zu

erkennen zu geben. Um es kurz zu machen: mein

gesamter Freundeskreis samt mir können ungelogen

ganze Abende und dicke Bücher mit derartigen

Erlebnissen füllen: angefangen bei feindseligen

Blicken und hasserfüllten Pöbeleien über einzelne

Schläge und Tritte, die zum Teil ohne Vorwarnung im

Vorbeigehen ausgeteilt wurden, bis hin zu brutalen

Überfällen, Verfolgungsjagden und „Hausbesuchen“.

Die Häufigkeit dieser Vorfälle hat in unseren Kreisen

in den vergangenen Jahren zum Teil nachgelassen –

einerseits, weil sich einige von uns schlagkräftigen

Respekt verschafft haben, andererseits, weil viele im

Gegensatz zu ihrer Jugend optisch nicht mehr so

auffällig aussehen oder in Großstädte wie Leipzig

gezogen sind, wo es einfach sicherer als in der Provinz

ist. Dass es für uns hier in Sachsen aber weiterhin

nicht ungefährlich ist, zeigt zum Beispiel der Vorfall,

als erst vor kurzem einer meiner Schüler als

offensichtlich zu erkennender Punk zusammen mit

einem Freund mitten am Tag in der Chemnitzer

Innenstadt von einer Gruppe von etwa zehn Nazis

attackiert, geschlagen und getreten worden ist.

Mika: Wenn es heute gewalttätige Reaktion auf

Punks gibt, würde ich vermuten, dass diese fast

ausschließlich von rechten, oder zumindest

rechtsoffenen Gewalttäter*innen kommt. Ich kann mir

nicht vorstellen, dass andere Anhänger*innen von

Jugendkulturen zu Gewalt gegen Punks aufrufen, wie

in den 70ern Popper, Mods, Rocker oder Teds. Wobei

auch hier fraglich ist, wie rechts oder rechsoffen die

damals schon waren).

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