UNDERDOG #67
Schwerpunkt: Anti everything
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Frauenrockbands
Spannungen zwischen Unter-Rock und
‚Bewegungsfrauen‘, die der Band
vorwarfen, schlechte Kopien von Nina
Hagen oder Mick Jagger zu sein. Im
Gegensatz dazu verstanden die
Musikerinnen von UnterRock ihren Stil
und ihre Musik als ‚Öffentlichkeitsarbeit
für Lesben‘, ‚Gesellschaftskritik‘ und als
Versuch, ‚neue Bewusstseinsprozesse‘
auszulösen. Die Lieder der Band
beschäftigen sich vor allem mit
frauenspezifischen Themen. In ihrem
Lied „Heterowelt – leck mich am Arsch“
thematisiert UnterRock das Verhältnis
von Hetero- und Homosexualität. Live
spielte die Band nur für Frauen.
Und sie benutzten ihre Musik, um andere
Frauen anzumachen: „Wir sind nicht
ausgeflippte Frauen, die nicht wissen,
was sie machen. Wir wollen anderen
Frauen z.B. klarmachen, dass
Frauenbewegung nicht nur Kaffeeklatsch
und leise Stimmchen bedeutet. Wir
sprechen auch Frauen an, die nichts mit
der Bewegung am Hut haben. Die
denken dann, durfte, stark, die haben
auch Power.“ 3
Heterowelt – leck mich am Arsch
(1980)
»Mach mal deine Schnauze auf,
lass mal deine Scheiße raus,
versteck’ dich nicht hinter Modeflitter,
zeig mal deinen Psychoglitter
Heterowelt – leck mich am Arsch!«
Frauen*musik
Zur gleichen Zeit des Erscheinens
der Platte von UnterRock gerät – trotz
der neuen Netzwerke und
Auftrittsmöglichkeiten für Musikerinnen
– die Vorstellung von „Frauenmusik“ ins
Wanken. Die Begrenzung des Begriffs
und die ausschließenden Praxen werden
3 Zitiert aus: Sounds 5/1980
durch die Kritik von Schwarzen
Feministinnen und von Frauen aus der
Punk-Bewegung an die Oberfläche
gekehrt. An Olivia Records, dem USamerikanischen
Plattenlabel von und für
Frauen, manifestieren sich exemplarisch
die Ein- und Ausschlussmechanismen.
Die hehren Ansprüche der
Protagonistinnen der „Frauenmusik“,
den Anteil von Frauen*/Lesben in
Machtpositionen in der Musikindustrie
zu erhöhen, eine kritische Öffentlichkeit
für und neue Sichtbarkeit von
feministischen und lesbischen
Musikerinnen aufzubauen sowie die
Trennung zwischen Künstlerinnen und
Publikum aufzuheben, werden nur für
einige wenige zur Realität. Die Mehrheit
der Women of Color, der
Afroamerikaner*innen und der
Migrant*innen werden hingegen zu
Zeuginnen der spezifischen historischen
Beziehung von weißen Feministinnen
zum Rassismus.
Wenig später nach Gründung von Olivia
Records 1973 werden in den USA
weitere kleine unabhängige Plattenlabels
von Frauen* ins Leben gerufen wie Wise
Woman Records, Pleiades Records,
Righteous Babe Records oder Redwood
Records. Letzteres Label beginnt nicht
zuletzt durch die Kritik von
afroamerikanischen Feministinnen mit
Sweet Honey in the Rock 1978 auch
Musik von Women of Color zu
veröffentlichen. Mit diesem Versuch der
Öffnung erfährt die „Frauenmusik“ eine
Pluralisierung hinsichtlich der bislang
eingeschränkten musikalischen Genres
als auch in Bezug auf die Herkunft und
den kulturellen Hintergrund der
Musikerinnen.
Für die Frauen* aus der Punk-Bewegung,
ein von weißen Musiker*innen und
Konsument*innen dominiertes
popkulturelles Phänomen, gestaltet sich
die Kritik anders: Die „Frauenmusik“
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