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Diplomarbeit - Leben und Werk des Dichters Gottfried August Bürger

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Tatsächlich reproduziert […] [das literarische <strong>Werk</strong>, TJ] auf außerordentlich exakte Weise die Struktur<br />

der sozialen Welt, in der dieses <strong>Werk</strong> produziert wurde, ja sogar die mentalen Strukturen, die, durch<br />

jene sozialen Strukturen geformt, das Erzeugungsprinzip <strong>des</strong> <strong>Werk</strong>s darstellen, in dem diese<br />

Strukturen aufscheinen. Aber das bewirkt es mit den ihm eigenen Mitteln, das heißt, indem es sehen<br />

<strong>und</strong> empfinden läßt […]. […]<br />

Die sinnlich wahrnehmbare Übertragung verschleiert die Struktur, in der Form selbst, in der sie sie<br />

darstellt <strong>und</strong> dank der es ihr gelingt, einen Glaubenseffekt (<strong>und</strong> weniger Realitätseffekt)<br />

hervorzubringen. Und dies ist es wohl auch, weshalb das literarische <strong>Werk</strong> manchmal mehr sogar über<br />

die soziale Welt aussagen kann als so manche vorgeblich wissenschaftliche Schrift […]. 52<br />

Das literarische <strong>Werk</strong> schafft damit einen Zugang zur sozialen Welt, der durch die Form vermittelt<br />

<strong>und</strong> ermöglicht wird. Damit verb<strong>und</strong>en ist nicht zuletzt eine starke Aufwertung von<br />

Literaturwissenschaft, die so eine Wahrheit zu Tage fördert, „die anders gesagt untragbar wäre.“ 53<br />

2.3 Von der Theorie zur Praxis: Untersuchungsfokus<br />

Die vorangehenden Ausführungen zu Peter <strong>Bürger</strong> <strong>und</strong> Pierre Bourdieu bilden den theoretischen<br />

Rahmen für diese Untersuchung. Aus ihnen ergibt sich eine Reihe von Forschungsfragen <strong>und</strong><br />

Ansätzen, von denen aus die einzelnen Diskurse betrachtet werden.<br />

Bei der Untersuchung der literarischen Diskurse wird versucht, den Stand der Autonomisierung <strong>des</strong><br />

literarischen Fel<strong>des</strong> sichtbar zu machen. Mit Peter <strong>Bürger</strong> wird davon ausgegangen, dass ein<br />

Zusammenhang besteht zwischen zunehmender Autonomisierung <strong>und</strong> Dichotomisierung von<br />

Literatur. Daher wird versucht, den literarischen Prozess in seiner Abgrenzung gegenüber anderen<br />

Formen von (populärer, „niederer“) Literatur sichtbar zu machen. Durch zunehmende<br />

Autonomisierung wird politische Kunst ein Problem, weshalb auch nach dem Verhältnis von Kunst<br />

<strong>und</strong> Engagement gefragt wird bzw. welche Antworten darauf in den untersuchten Diskursen zu<br />

finden sind. Dies ist gerade in Bezug auf die Kategorie Volk von Interesse, da es sich dabei ja um eine<br />

vorderhand politische (also öffentliche) Kategorie handelt. Gleichzeitig ist die Autonomisierung von<br />

Kunst die Voraussetzung für ästhetisches Erleben <strong>und</strong> die Ästhetisierung von Phänomenen. Welche<br />

Rolle das Ästhetische im Diskurs um Volk spielt, ist ebenfalls eine Leitlinie dieser Untersuchung.<br />

Diese Autonomisierungs- <strong>und</strong> Abgrenzungsprozesse werden an Diskursen um die Begriffe Volk <strong>und</strong><br />

Volkspoesie exemplifiziert. Bourdieu zu Folge sind Begriffe immer auch Waffen <strong>und</strong> Einsätze in<br />

Kämpfen um Bedeutung <strong>und</strong> symbolisches Kapital. 54 Daher wird speziell untersucht, wie sich die<br />

52 Bourdieu: Regeln der Kunst, S. 66.<br />

53 Bourdieu: Regeln der Kunst, S. 67. – Vgl. dazu auch Jurt: Das literarische Feld, S. 99-101. – Im Übrigen<br />

erinnert die Konzeption von Literatur, die Bourdieu hier vertritt stark an Georg Lukács. In Einführung in die<br />

ästhetischen Schriften von Marx <strong>und</strong> Engels schreibt er über Literatur: „Die wirkliche Kunst tendiert daher auf<br />

Tiefe <strong>und</strong> Umfassung. Sie ist bestrebt, das <strong>Leben</strong> in seiner allseitigen Totalität zu ergreifen. Das heißt, sie<br />

erforscht […] jene wesentlichen Momente, die hinter den Erscheinungen verborgen sind, aber sie stellt sie nicht<br />

abstrakt […] dar, sondern gestaltet gerade jenen lebendigen dialektischen Prozeß, in dem das Wesen in<br />

Erscheinung umschlägt […].“ (Lukács: Marx <strong>und</strong> Engels, S. 90f.) Bei Lukács ist dies ein aktiver Prozess, der durch<br />

die Bildung von Typen stattfindet – während dies bei Bourdieu eher unbewusst durch künstlerische Form<br />

geschieht.<br />

54 Vgl. Bourdieu: Regeln der Kunst, S. 466.<br />

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