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Diplomarbeit - Leben und Werk des Dichters Gottfried August Bürger

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studierten) sowie Schelling <strong>und</strong> seinem Mythosbegriff an.<br />

Herder kann sicherlich als einer der wichtigsten Einflüsse bezeichnet werden, was die Etablierung von<br />

Volkspoesie <strong>und</strong> die Hinwendung zum Volk als Quelle literarischer Erfahrung betrifft. Auch die<br />

Verknüpfung von geschichtsphilosophischer Betrachtung <strong>und</strong> dem Sammeln von Volkspoesie findet<br />

bei Herder ihren Vorläufer. Auch die wichtige Differenz zwischen Natur- <strong>und</strong> Kunstpoesie <strong>und</strong> die<br />

rückwärtsgewandte Utopie zeigen Übereinstimmungen mit Herder – <strong>und</strong> in weiterer Folge auch mit<br />

Rousseau. 247<br />

Von seinem ehemaligen Lehrer Carl Friedrich von Savigny übernahm Jacob Grimm „die Idee der<br />

Geschichtlichkeit aller Ausdrucksformen <strong>des</strong> Volksgeistes“ 248 . Savignys geschichtsphilosophisches<br />

Modell verläuft parabolisch: Am Anfang nimmt er einen tierischen (natürlich totalen) Zustand an, in<br />

dem Recht <strong>und</strong> Praxis in eins gedacht werden. Den Höhepunkt der Rechtsentwicklung sieht er im<br />

römischen Recht, wo Kodifikation <strong>und</strong> Praxis in einem perfekten Verhältnis stehen. Ab da konstatiert<br />

er einen bis in seine Gegenwart andauernden Verfall, im Zuge <strong>des</strong>sen (künstliche) Kodifikation <strong>und</strong><br />

(natürliche) Praxis auseinandertreten. An diesen am Volksgeist <strong>und</strong> seiner Entsprechung im Recht<br />

orientierten Standpunkt schloss Jacob Grimm mit seinem Poesieverständnis an. Er nimmt ebenfalls<br />

einen perfekten Anfang an, verbindet diesen jedoch mit einer rousseauistischen Utopie eines<br />

vollkommenen Urzustan<strong>des</strong>, in dem Natur, Poesie, Epos, Geschichte <strong>und</strong> Volk in eins gedacht<br />

werden. Analog zu Savigny nimmt Jacob Grimm ab da einen steten Verfall an, innerhalb <strong>des</strong>sen sich<br />

Natur- <strong>und</strong> Kunstpoesie <strong>und</strong> Geschichte differenzieren. So wie Savigny das Recht in Bewusstsein <strong>und</strong><br />

der konkreten Rechtspraxis <strong>des</strong> Volkes findet, sucht Grimm die Naturpoesie an Stellen der Berührung<br />

von Geschichte, Poesie <strong>und</strong> Volk.<br />

Auf die Analogien zum Denken Schellings macht Otfrid Ehrismann aufmerksam, demgemäß sich in<br />

diesem Spannungsfeld „die Logik der Philologie“ zu erkennen gäbe. 249 In Schellings mythologischer<br />

Philosophie ist „der Abstieg aus der mythischen Zeit zugleich der Eintritt in eine neue mythische<br />

Zeit“. 250 Der Mythos ist dabei eine im Schöpfungsakt freigesetzte Kraft, die sich durch die Geschichte<br />

bewegt. Somit wird die Erforschung der alten Mythen zur „Erkenntnis <strong>des</strong> Göttlichen, Epischen in<br />

uns. Den Menschen bestimmt, wie die Geschichte der epische Prozeß – bei den Deutschen der<br />

nibelungische“. 251 Der Mythos umfasst dabei Vergangenheit, Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft. Die<br />

Vergangenheit wird dabei als Identität gedacht, als Zustand ohne Subjekt-Objekt-Spaltung. 252 Für<br />

Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft herrschen sowohl Trauer über den Untergang <strong>des</strong> selbstidentischen<br />

247 Vgl. Thalheim: Natur- <strong>und</strong> Kunstpoesie, S. 1834f.<br />

248 Wyss: Die wilde Philologie, S. 60.<br />

249 Ehrismann: Philologie der Natur, S. 36. – Ehrismann spricht sich gegen eine starke Beeinflussung der Grimms<br />

durch Herder oder Savigny aus <strong>und</strong> zeigt die Unterschiede in deren Denken auf.<br />

250 Ehrismann: Philologie, S. 40.<br />

251 Ehrismann: Philologie, S. 43.<br />

252 Vgl. Ehrismann: Philologie, S. 45.<br />

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