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Diplomarbeit - Leben und Werk des Dichters Gottfried August Bürger

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konzentrierten sich Jacob <strong>und</strong> Wilhelm Grimm auf den Aufbau einer dedizierten Position im<br />

literarischen Feld: die Schwierigkeit zeigt sich bereits daran, dass beide bis 1829 als untergeordnete<br />

Bibliothekare in Kassel tätig waren <strong>und</strong> erst 1830 bzw. 1835 Professuren in Göttingen erhielten. Die<br />

Aufwertung der Gattung Märchen in Verbindung mit der Schaffung der Gattung Grimm (Rölleke),<br />

dem Buchmärchen mit seinem spezifisch überformten Ton, bezieht einerseits gegen die Ablehnung<br />

<strong>des</strong> aufgeklärten Lese- <strong>und</strong> Kritikerpublikum gegen volkstümliche Märchenstoffe (hier ist der<br />

Gegenbegriff „Ammenmärchen“ 281 ) Stellung; andererseits aber grenzt sie sich durch die Auswahl <strong>und</strong><br />

den immer mitgeführten wissenschaftlichen Anspruch gegen die Popularisierung der Stoffe <strong>und</strong> die<br />

literarischen Praktiken unterbürgerlicher Schichten ab.<br />

3.5.4. Zusammenschau<br />

Beide <strong>Werk</strong>e – sowohl Arnim/Brentanos W<strong>und</strong>erhorn, als auch die KHM der Brüder Grimm – gehen<br />

von einer Verfallserzählung aus. Während es bei Arnim eine hochgradig politische Verfallsgeschichte<br />

ist, handelt es sich bei der Erzählung Jacob Grimms um eine geschichtsphilosophisch-idealistische<br />

Geschichte eines verlorenen goldenen Zeitalters. Unterschiedlich sind damit die Konsequenzen:<br />

Arnim gelangt vor dem Hintergr<strong>und</strong> der napoleonischen Kriege zum politischen Programm einer<br />

deutschen Kulturnation, zu dem Literatur ihren einigenden Beitrag leistet – vergangene Literatur<br />

ebenso wie aktuelle. Grimm betreibt eine Archäologie der Volkspoesie <strong>und</strong> sucht im Krebsgang zu<br />

einer Vereinigung von Subjekt <strong>und</strong> Objekt zu gelangen, den Volksgeist durch Literatur wieder unters<br />

Volk zu bringen – <strong>und</strong> ist damit nicht weniger politisch. Auffallend ist in beiden Fällen die durch den<br />

Druck der historischen Situation gegebene Wandelbarkeit <strong>des</strong> im literarischen Feld erworbenen<br />

symbolischen Kapitals. Literatur <strong>und</strong> Politik stehen sich in den Programmen um 1800 sehr nahe.<br />

Gleichzeitig ist das Feld selbst schon stark differenziert, die Volkspoesie ist etabliert <strong>und</strong> nun treten<br />

innerhalb dieses Spektrums Definitions- <strong>und</strong> Abgrenzungslinien zu Tage. Dabei fällt eine<br />

Radikalisierung der vorhandenen Gr<strong>und</strong>linien auf, die Feminisierung <strong>und</strong> Naturalisierung <strong>des</strong><br />

Volksbegriffes wird in Verbindung mit geschichtsphilosophischen Modellen begründet.<br />

4. Schlussbetrachtung: Vom Kunstdiskurs zur Wende ins Politische<br />

Die Untersuchung hat gezeigt, dass Volk <strong>und</strong> Volkspoesie als Forschungskategorien eine Betrachtung<br />

der Institution Kunst als ganzer, sowohl von ihren Kodierungs- <strong>und</strong> Signifikationsprozessen her<br />

gesehen, als auch von ihren sozialen, institutionellen <strong>und</strong> nicht zuletzt politischen Zusammenhängen<br />

her, erlauben.<br />

Das Volk erweist sich dabei weniger als eine fest definierte Kategorie, die an Texte <strong>und</strong> Diskurse<br />

angelegt wird, sondern (ähnlich wie <strong>Bürger</strong>s Institution) als offenes Konzept. Offen in mehrere<br />

Richtungen, womit es auch für höchst unterschiedliche Akteure in seiner Bedeutung anschließbar<br />

281 Vgl. Rölleke: Märchen der Brüder Grimm, S. 11,12.<br />

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