Diplomarbeit - Leben und Werk des Dichters Gottfried August Bürger
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Lan<strong>des</strong>beschreibungen <strong>und</strong> regionalen Kulturbeschreibungen. Kaschuba beschreibt diese<br />
Entwicklung so:<br />
Hier ging es bereits um Natur <strong>und</strong> Geographie als die stofflich-räumlichen Bedingungen menschlichen<br />
<strong>Leben</strong>s, um materielle <strong>Leben</strong>sweisen wie Arbeit, Hausbau <strong>und</strong> Ernährung in konkreten Regionen <strong>und</strong><br />
um Traditionen <strong>und</strong> Bräuche als Hinweise auf regionale Eigenarten <strong>und</strong> Mentalitäten der Bewohner. 57<br />
Der primäre Nutzen dieser Beschäftigung lag in der Erfassung von Verwaltungsgebieten (Volks- <strong>und</strong><br />
Viehzählungen, Lan<strong>des</strong>beschreibungen). Im Zuge der Aufklärung wandelt sich diese Beschäftigung in<br />
Richtung einer Bevölkerungsk<strong>und</strong>e. Paradigmatisch für einen Gelehrten, der zwischen Aufklärung,<br />
Kameralistik <strong>und</strong> Literatur changierte, ist wohl Justus Möser, der auch in der unten behandelten<br />
Programmschrift <strong>des</strong> Sturm <strong>und</strong> Drang Von deutscher Art <strong>und</strong> Kunst den Beitrag Deutsche Geschichte<br />
beisteuerte.<br />
Auch auf dem Gebiet der Reiseliteratur, einem Genre, das zu dieser Zeit wohl eher der<br />
Gebrauchsliteratur zugerechnet werden muss, findet der Volksbegriff Eingang in den Diskurs. Im 15.<br />
<strong>und</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>ert kommen zunehmend Reisebeschreibungen von fernen Ländern (Afrika, Asien) in<br />
Umlauf, die auch Beschreibungen fremder Völker <strong>und</strong> ihrer Sitten enthalten. Diese<br />
protoethnographische Literatur bekommt im 17./18. Jahrh<strong>und</strong>ert (in England schon im 16.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert) setzt sich in den grand tours der adeligen <strong>und</strong> bürgerlichen Eliten als Tradition fort <strong>und</strong><br />
wird zunehmend verwissenschaftlicht. Zentral dabei ist die Förderung neuer Sehweisen auf andere,<br />
fremde Kulturen – nicht zuletzt auch im Kontrast zur eigenen. (Die ersten Reiseführer entstehen in<br />
dieser Zeit). Durch die Verschriftlichung von Reiseberichten bekommt das Thema Volk zusätzlich<br />
diskursive Kraft.<br />
Vor 1770 wird der Begriff außerhalb <strong>des</strong> oben skizzierten staatsrechtlichen Diskurses vor allem in drei<br />
Bedeutungen verwendet, die einander in ihrer Wichtigkeit ablösen. Das theologische Gottesvolk<br />
verliert gegenüber dem militärischen Kriegsvolk an Bedeutung, dieses wiederum wird vom Volk als<br />
soziologischer Kategorie für die unteren Schichten eingeholt. Mit letzterer befinden wir uns bereits<br />
voll in der im Untersuchungszeitraum stattfindenden Auseinandersetzung um die Begrifflichkeit. Ob<br />
dem Historischen Wörterbuch der Philosophie in der Behauptung „im 18. Jh. verliert der Sozialbegriff<br />
seine abwertende Tendenz“ 58 zuzustimmen ist, bleibt abzuwarten. Die Volksaufklärung begreift<br />
das Volk als roh <strong>und</strong> setzt sich die Volksbildung zum Ziel. 59 Herder schließt in seinen Gedanken zum<br />
Volksgeist <strong>und</strong> zur Volksseele ebenfalls an die französische aufklärerische Tradition an. Hier vor allem<br />
57<br />
Kaschuba: Europäische Ethnologie, S. 23.<br />
58<br />
Brandt: Volk, Sp. 1081.<br />
59<br />
Wobei auch hier zwischen verschieden radikalen Strömungen unterschieden werden muss. So wird<br />
beispielsweise bei den Enzyklopädisten mit dem Volk durchaus spitz gegen Adel <strong>und</strong> Großbürgertum<br />
argumentiert. Jaucourt beginnt in der Encyclopédie (1751-1765) das Stichwort Volk mit dem Satz: „Früher<br />
wurde in Frankreich das Volk als der nützlichste, wertvollste & <strong>des</strong>halb ehrwürdigste Teil der Nation<br />
angesehen.“ (Welt der Encyclopédie, S. 420). Für ihn sind das wahre Volk die Arbeiter <strong>und</strong> Landleute.<br />
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