KÜCHENPLANER Ausgabe 3/4- 2024

der Verbund der Deutschen Möbelindustrie (VDM) zur Pressereise
in den Schwarzwald geladen hat, nun selbst von der Handarbeit
überzeugen, die natürlich, trotz chinesischer Eigentümer, noch immer
vor Ort getätigt wird. Rund 420 Mitarbeitende sind an beiden
Standorten für Rolf Benz tätig. Schnell wird klar, dass in diesen
Hallen, im Gegensatz zum Mitbewerber Walter Knoll, zwar weitaus
mehr Prozesse automatisiert und damit in höherer Stückzahl
und schnellerer Fertigung ablaufen. Zugleich werden aber immer
noch erstaunlich viele Hände in allen Teilbereichen der Polstermöbelfertigung
benötigt. Und auch die Materialien erweisen sich als
anspruchsvoll.
Zur Herstellung einer Sitzeinheit wird im Schnitt eine ganze
Rinderhaut verwendet; pro Sofa kommen so rund zwei bis drei
Häute zusammen – zum Beispiel vom Simmentaler Rind. Wer Rolf
Benz als Produzenten über die Schulter schaut und die Wertigkeit
des weichen Leders oder der rund 220 Stoffe spürt, die Kundinnen
und Kunden beim Bezug ihres individuellen Polstermöbelstücks
zur Auswahl stehen, kann sich besser in die durchaus anspruchsvolle
Preispolitik des Unternehmens einfinden.
Fotos: Maerzke
Augenmaß: Eine Mitarbeiterin kontrolliert das Rindsleder
auf Makel und Falten, bevor es weiterverarbeitet wird.
Können derzeit trotz Krise gelöst in die Zukunft sehen:
Helge Gemsjäger, technischer Leiter (Foto links) und
Jürgen Mauß, Vorstandsvorsitzender. Hier gemeinsam
mit dem Hauptgeschäftsführer des VDM Jan Kurth.
Der Küchenindustrie vorgelebt
Die hat auch etwas mit dem beständigen Antrieb nach Innovationen
zu tun. Zwar betonen Jürgen Mauß und Jens Kittel, Brand
Manager bei Rolf Benz, die Zeitlosigkeit der schwäbischen Marke,
die seit 1964 nach eigener Aussage mit dem Modell „Addiform“
als Begründer der modernen Wohnlandschaft gilt. Zugleich lehnt
sich das Unternehmen mit verschiedenen Möbelzweigen durchaus
innovativ an neue Geschäftszweige und Trends an. Hat der Mittelständler
mit der Sparte „Rolf Benz Contract“ attraktive Aufträge
im Business-Segment an Land gezogen, die von der „Gourmet
Lounge“ in der Münchner Allianz Arena bis zur Lobby des 25hrs-
Hotel in Zürich reichen, so wagt man sich seit etwa drei Jahren
mit einer hochwertig aufgestellten Outdoor-Möbelkollektion auch
an das gefragte Segment im Grünen heran. Wo Küchenmöbler derzeit
noch exzessiv – und überschaubar erfolgreich – mit Luxus im
eigenen Garten werben, ist Rolf Benz mit wetterfesten Gartenmöbeln
in modularer Form, die sich beliebig umstecken lassen, schon
einen Schritt weiter. Das Stichwort „Relax“ zieht eben nicht nur auf
einem Kreuzdampfer im Mittelmeer.
Mögen Küchen- und Polstermöbelhersteller in diesem Bereich
noch schwer miteinander vergleichbar sein, könnte sich die Küchenbranche
indes durchaus etwas von der jungen Zweitmarke
„freistil by Rolf Benz“ abschauen. Mit recyclebaren und reparierbaren
Multifunktionsmöbeln knüpft Rolf Benz an die Ansprüche
einer umweltbewussten Generation an, die dennoch das nötige
Kleingeld hat, um sich gehobene Möbel von langer Lebensdauer
zu kaufen.
Wetten, dass… die Marke zählt
Es ist ein Ansatz, der das Spagat zwischen Wertigkeit und Bezahlbarkeit
meistern muss – und der doch auch für Küchenproduzenten
interessant sein könnte, die sich in der derzeitigen Krise dringend
neue Zielgruppen erschließen müssen. Markenbewusstsein stärken,
Emotionen wecken – die Schlüsselbegriffe der Stunde. Manchmal
gelingt das auch mit Klassikern aus der Vergangenheit: Die
legendäre „Wetten, dass…?“-Couch, die vom Jahr 2000 an bis zur
letzten Folge Ende 2023 für das ZDF im Einsatz war, hat mittlerweile
den Weg zurück in den Nagolder Showroom von Rolf Benz gefunden.
Kein zweites Mal bezogen, versichern die Manager der Rolf
Benz GmbH, aber optisch immer noch so gut wie neu. Es sind die
Konzepte von Qualität und Langlebigkeit, die es zu kommunizieren
gilt – und die hoffentlich Küchen- wie Möbelherstellern langfristig
helfen wird, die Krisen unserer Zeit zu überwinden.
3/4/2024 KÜCHENPLANER 63