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weiterer Vergleich fiel Fandorin ein: Hier hatte sich ein Flamingo in einen Hühnerstall<br />

verirrt.<br />

Um das Nichtoffizielle des Empfangs zu bekräftigen, ließ Seine Erlaucht noch auf sich<br />

warten und gab so den Gästen die Gelegenheit zum freien Umgang miteinander. Der Furor<br />

aber, den die Frau an Staatsrat Fandorins Seite auslöste, war so gewaltig, daß die angesagte<br />

lockere Konversation immer wieder versandete - wenn schon kein Skandal in der Luft lag,<br />

so war die Situation doch pikant genug, um Moskau den nötigen Gesprächsstoff für den<br />

nächsten Tag zu bieten.<br />

Die schamlose Abendtoilette der kurzgeschorenen jungen Dame (eine Entgleisung der<br />

neuesten Mode, die wohl auch noch in Paris für Aufruhr gesorgt hätte, verächtlich herabgezogene<br />

Mundwinkel ebenso wie verstohlen sehnsüchtige<br />

221<br />

Blicke) wurde von den Frauen kritisch beäugt. Die Männer aber, die von der<br />

bevorstehenden Revolution auf dem Gebiet der Damenmode nichts wußten, glotzten wie<br />

versteinert auf die frivol schaukelnden, vom feinen Stoff nur wenig verhüllten zwei<br />

Halbkugeln - ein Anblick, der ungleich<br />

mehr Wallung verursachte, als die übliche<br />

Entblößung von Schultern und Rücken es je vermocht hätte.<br />

Esfir indes schien das allgemeine Aufsehen nicht im geringsten verlegen zu machen. Um so<br />

unverhohlener die Neugier, mit der sie ihrerseits die Anwesenden betrachtete.<br />

»Wer ist das denn? « fragte sie den Staatsrat immer wieder mit vernehmlichem Flüstern.<br />

»Die Vollbusige da?« Und einmal gar der helle Ausruf: »Du lieber Gott! Das reinste Raritätenkabinett!«<br />

Anfangs hielt Fandorin sich wacker. Verbeugte sich höflich vor jedermann, tat so, als<br />

bemerkte er nicht, wohin alle Blicke, ob nun bloßen Auges oder mit gezückter Lorgnette,<br />

zielten. Als aber endlich Kammerdiener Frol Wedischtschew an ihn herantrat und flüsterte:<br />

»Erlaucht lassen bitten!«, da entschuldigte sich Fandorin, dienstliche Obliegenheiten<br />

vor-<br />

schützend, sogleich bei Esfir und strebte in beschämender Eile auf die hinteren Gemächer<br />

der Gouverneursresidenz zu, womit er seine Begleiterin dem Schicksal überließ. Erst knapp<br />

vor der Tür besann er sich und wandte sich um.<br />

Doch Esfir wirkte durchaus nicht verloren, hielt<br />

es nicht einmal für nötig, dem<br />

Flüchtenden hinterherzusehen. Gelassen stand sie der Moskauer Damenwelt gegenüber;<br />

deren Bemühen, ein angeregtes, ungezwungenes Gespräch vorzutäuschen, amüsierte sie.<br />

Wie es schien, mußte man sich um Mademoiselle Litwinowa keine Sorgen machen.<br />

109<br />

Der Generalgouverneur folgte dem Bericht seines Sonderbeauftragten mit sichtlicher<br />

Genugtuung, auch wenn er sich den Anschein gab, dem Verlust der fiskalischen Gelder<br />

nachzutrauern<br />

- nur waren die ja ohnehin für Turkestan bestimmt gewesen.<br />

»Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt«, sagte Dolgorukoi schließlich. »Sie<br />

wollten dem alten Dolgorukoi die Schuld in die Schuhe schieben, die Herren Schlaumeier.<br />

Nun sollen sie mal sehen ... Hat sich also verrannt, das Großmaul<br />

aus der Hauptstadt?<br />

Geschieht ihm recht, geschieht ihm ganz recht.«<br />

Wedischtschew war es unterdessen gelungen, Seiner Erlaucht den gestärkten Hemdkragen<br />

aufzustecken; jetzt puderte er ihm den faltigen Nacken sorgsam mit Talkum, damit der<br />

Kragen<br />

nicht rieb.<br />

»Froluschka, rück das hier mal zurecht!« Der Generalgouverneur hatte vor dem Spiegel<br />

Aufstellung<br />

genommen und deutete, den Kopf hin- und herdrehend, auf die leicht schief

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