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»... ist noch ein Stück gelaufen und dann gestürzt. Hier hat es ihn erwischt.« Stieglitz deutete<br />
auf eine Stelle oberhalb seines Schlüsselbeins. »Splint und ich, wir wollten ihn wegtragen,<br />
aber da hatte er sich schon den Revolver an die Schläfe gesetzt, so schnell konnte man gar<br />
nicht gucken ... Den Kopf<br />
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hat es zur Seite gerissen, und er ist umgekippt. Und wir sind gerannt ...«<br />
»Gut«,<br />
unterbrach ihn Grin. Er fand, daß das genügte. »Zur Sache. Die Säcke mit dem Geld<br />
sind am Bahnhof. Sie zu klauen<br />
war das eine, jetzt müssen wir sie nach Petersburg schaffen.<br />
Nicht einfach. Polizei, Gendarmerie, Agenten. Vorher haben sie bloß uns gejagt, jetzt jagen<br />
sie uns und das Geld. Und es muß schnell gehen.«<br />
»Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Nadel schnell. »Man könnte sechs Mann<br />
losschicken, jeder mit einem Sack. Daß alle sechs hängen bleiben, ist unwahrscheinlich,<br />
irgendwer kommt auf alle<br />
Fälle durch. Ich könnte mich morgen darum kümmern. Fünf<br />
Mann hätte ich, ich wäre die sechste. Als Frau hat man es sogar einfacher.«<br />
»Überschlafen wir das«, schlug Jemelja vor und räkelte sich.<br />
»Ich könnte auch einen nehmen«, meldete Julie sich zu Wort. »Obwohl, in meinem Gepäck<br />
fiele ein Sack zu sehr auf. Vielleicht, daß ich das Geld in einen Koffer umpacke?«<br />
Grin zog die Uhr aus der Tasche. Es war halb zwölf.<br />
»Nein. Morgen wird alles abgeriegelt sein,<br />
dann ist kein Durchkommen mehr. Alles Gepäck<br />
wird kontrolliert. Das hat keinen Zweck. Es muß heute passieren.«<br />
»Heute?« fragte Nadel ungläubig zurück. »Sie wollen das Geld heute nach Petersburg<br />
schaffen?«<br />
»Ja. Mit dem Nachtzug. Um zwei.«<br />
»Aber das ist ganz unmöglich! Schon jetzt ist die Polizei komplett alarmiert. Auf dem Weg<br />
hierher habe ich mehrmals gesehen, wie Fuhrwerke angehalten<br />
wurden. Man kann sich<br />
ausmalen, was auf dem Bahnhof los ist ...«<br />
Nun rückte Grin mit seinem Plan heraus.<br />
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Nur eines war nicht vorherzusehen gewesen: daß der Bahnhofsvorsteher in seinem Schreck<br />
nach der Detonation den Petersburger Zug nicht mehr abfahren und überhaupt jeglichen<br />
Zugverkehr einstellen ließ.<br />
Bis dahin<br />
war alles streng nach Plan verlaufen.<br />
Zwanzig vor zwei brachte Grin Nadel und Julie, verkleidet als gnädiges Fräulein und<br />
Dienstmädchen, zur Gepäckaufbewahrung. Er blieb im Schlitten zurück.<br />
Der Träger hatte die Säcke eben auf seinen Karren geladen und schickte sich an, sie zum<br />
Zug zu zerren,<br />
als die dürre, verkniffene Herrin dem niedlichen Dienstmädchen plötzlich<br />
einen Skandal zu machen anfing, irgendeiner zu Hause vergessenen<br />
Hutschachtel wegen,<br />
und sich dabei so echauffierte, daß sie erst innehielt, als die Glocke schon zum zweiten Mal<br />
zum Einsteigen aufforderte - worauf sie auch gleich noch den<br />
Träger beschimpfte: wieso er<br />
denn so trödelte und die Säcke nicht endlich zum Gepäckwagen brachte? Wider Erwarten<br />
spielte Nadel ihre Rolle hervorragend.<br />
Diese zweite Glocke war das Signal zum Handeln auch für Jemelja und Stieglitz. Die vorher<br />
ausreichend Zeit gehabt hatten, zu Nobel zu fahren und eine Bombe zu holen.<br />
Es klappte. Just als der Karren mit den Säcken sich der Sperre zum Bahnsteig näherte und<br />
vier Herren in Zivil auf den Träger<br />
zueilten, der von dem keifenden Fräulein immerzu mit