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Schutzmann auf und ab, der offensichtlich nicht echt war. Zwei junge Hausknechte mit<br />
sonderbar langen Barten und gar zu intelligenten Gesichtern schoben ungeschickt ihre<br />
Schippen durch den Schnee. Zwei andere Burschen etwas weiter hinten spielten Swaika,<br />
schienen aber nicht<br />
recht bei der Sache zu sein, hatten ihre Augen immerzu anderswo.<br />
Neun Uhr war vorbei, doch Posharski<br />
ließ sich Zeit. Wahrscheinlich wartete er darauf, daß<br />
der Filius der Kampfgruppe zurückkehrte.<br />
Da war er schon. Kam pfeifend die Allee herauf, setzte sich auf die Nachbarbank, direkt<br />
neben den doppelbödigen Schneehaufen, in Armeslänge Abstand zu Fandorin. Gierig<br />
stopfte er sich eine Handvoll Schnee in den Mund. Ach je, dachte Fandorin. Ein Kind<br />
noch, und schon aufs Töten abgerichtet.<br />
Anders als beim falschen General wirkte die Ver-<br />
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kleidung als Gymnasiast sehr überzeugend. Bestimmt war das Stieglitz.<br />
Dann tauchte Posharski auf, die Nagelwerfer brachen ihr Spiel ab und kamen in die Mitte<br />
des Parks gelaufen. Fandorin rüstete sich innerlich.<br />
Der Fürst brüllte seinen Spruch, bot den Nihilisten an, sich zu ergeben. Fandorin schnellte<br />
von der Bank, packte den »Gymnasiasten«<br />
flugs beim Mantelkragen und zerrte ihn hinter<br />
sich her<br />
in den rettenden Schneehaufen. Der Knabe war zum Sterben zu jung.<br />
Der Schneehaufen sorgte für eine weiche Landung, gab jedoch nur wenig, kaum mehr<br />
als<br />
einen halben Meter, nach. Stieglitz fiel auf Fandorin und zappelte, die kräftigen Arme des<br />
Staatsrats hielten ihn fest.<br />
Nun krachten von allen Seiten Schüsse. Fandorin wußte, daß die Schützen des<br />
Einsatztrupps, verstärkt durch Mylnikows Agenten, auf den Klostermauern und den<br />
Dächern im Umkreis saßen<br />
und nicht aufhören würden zu schießen, solange sich im Park<br />
noch irgend etwas bewegte.<br />
Wo war die verhießene Grube?<br />
Fandorins Finger der einen Hand suchten am Körper des jungen Terroristen einen<br />
Nervendruckpunkt, damit er aufhörte zu strampeln, während die andere Faust ein um das<br />
andere Mal den Boden abklopfte. Wäre dort unter dem Schnee wirklich Sperrholz gewesen,<br />
es hätte federn müssen;<br />
hier war alles hart wie Stein.<br />
Der »Gymnasiast« hörte auf sich zu sträuben, zuckte nur hin und<br />
wieder wie von einem<br />
elektrischen Schlag, wofür es eigentlich<br />
keinen Grund gab: Fandorin hatte nur so stark<br />
zugedrückt, daß für ungefähr zehn Minuten Ruhe war.<br />
Ein paarmal schlugen Kugeln gräßlich pfeifend dicht neben<br />
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ihnen in den Schnee. Immer wütender hämmerte Fandorin<br />
auf das unnachgiebige<br />
Sperrholz ein, versuchte gar hochzuspringen, soweit das im Liegen und unter der Last<br />
möglich war. Doch die Grube wollte sich nicht auf tun. Entweder war das Holz über Nacht<br />
völlig vereist, oder das Problem lag woanders.<br />
Unterdessen wurden die Schüsse seltener, hörten bald ganz auf.<br />
Auf der Allee erschollen Stimmen. »Der ist hin. Das blanke<br />
Sieb.«<br />
»Der hier auch. Mitten in die Visage ... Den erkennt keiner mehr<br />
wieder.«<br />
Den Schneehaufen zu verlassen wäre unvernünftig gewesen - sofort wäre ein Dutzend<br />
Kugeln auf sie eingeprasselt. Also brüllte Fandorin im Liegen.<br />
»Hier ist Fandorin!« brüllte er. »Nicht schießen, meine Herren!«