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abzugeben, also seien Sie für diesmal das Deichselpferd, und ich bin das Beipferd. Wir<br />
haben zwei Verdachtslinien: Doppelagentin Diana oder jemand aus dem Tross. Lassen Sie<br />
uns beide entwickeln. Sie übernehmen Diana?«<br />
»Ja.«<br />
»Ausgezeichnet. Würde Ihnen hierfür ein Tag Zeit genügen? Ich meine, der heutige? Wir<br />
müssen uns sputen.« Fandorin nickte entschlossen.<br />
»Mir auch«, sagte Posharski. »Zwar ist der Aufwand<br />
nicht<br />
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zu unterschätzen, so einen Haufen von Leuten abzuklappern und abzutasten. Aber ich<br />
werde schon klarkommen damit. Vereinbaren wir also unser nächstes Rendezvous.« Der<br />
Fürst überlegte. »Da wir uns im Moment unserer nächsten Mitarbeiter nicht sicher sein<br />
können, sollten wir uns gleich außerhalb der Dienststellen treffen, wo keiner zusieht und<br />
mithört. Und zu keinem ein Wort davon, ja? Ich schlage vor, wir verabreden uns in der<br />
Sauna, in einem Chambre séparée. Dort hätten wir am wenigsten voreinander zu<br />
verbergen«, lachte er. »Petrossows Badehaus scheint mir in Moskau die beste Adresse, noch<br />
dazu ist es günstig gelegen. Ich gebe meinen beiden Knappen Anweisung, eine Kabine zu<br />
bestellen. Sagen wir, Nummer sechs.«<br />
Hier hatte Fandorin etwas einzuwenden.<br />
»Sagten Sie nicht gerade, zu keinem ein Wort? Dann geben Sie Ihren Leibwächtern besser<br />
einen freien Tag. Damit wir niemanden unnötig verdächtigen. Ich k-kann selbst bei<br />
Petrossow vorbeifahren und Kabine sechs bestellen. Wir treffen uns dort unter vier Augen,<br />
berichten einander und besprechen das weitere Vorgehen.«<br />
»Um zehn?«<br />
»Gut. Um z-z-... zehn.«<br />
»Wohlan!« Posharski hob in scherzhafter Theatralik seinen Spazierstock. »Der Worte sind<br />
genug gewechselt. Vorwärts, Aristokraten! Die Ärmel aufgekrempelt!«<br />
Petrossows Badehaus nahe der Roshdestwenka, erst kürzlich eröffnet, galt bereits als eine<br />
Moskauer Attraktion. Noch vor wenigen Jahren hatte an seiner Stelle ein flaches,<br />
unansehnliches Holzhaus gestanden, wo man für fünfzehn Kopeken baden konnte, zur<br />
Ader gelassen wurde, Schröpfköpfe<br />
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angesetzt und Hühneraugen verschnitten bekam. Vornehmes Publikum ließ sich in der<br />
schmutzigen, stinkenden Baracke nicht blicken, es zog Chludows Zentralbad vor. Doch<br />
dann bekam das Petrossow einen neuen Besitzer, der die Sache anging wie ein echter<br />
Europäer und das Haus nach dem neuesten Stand der Technik sanierte. Er errichtete ein<br />
steinernes Palais mit Karyatiden und Atlanten, Springbrunnen im Innenhof, die Wände<br />
marmorverkleidet, überall in den Räumen Spiegel und weich gepolsterte Diwane, kurz: Das<br />
Billigbad hatte sich in einen Tempel der Seligkeit verwandelt, den auch der preziöse Kaiser<br />
Heliogabalus nicht verschmäht hätte. Eine Abteilung<br />
fürs einfache Volk konnte man indes<br />
lange suchen, nur eine für kaufmännische und eine für adlige Kundschaft gab es, je<br />
beiderlei Geschlechts.<br />
Letztgenannte beehrte Fandorin mit einem Besuch, gleich nachdem die beiden<br />
Untersuchungsführer sich getrennt hatten. Zu dieser frühen Stunde war das Haus noch<br />
ohne Gäste; der Bademeister in seinem Eifer führte den verheißungsvollen neuen Kunden<br />
persönlich durch die Gemächer.