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ten, unser Mücklein durch Mißtrauen zu kränken. Ich kenne diesen Menschenschlag.<br />
Rachmet wird zuverlässig für uns arbeiten, und das nicht aus Angst, sondern aus<br />
Überzeugung, mit Hingabe und Phantasie. Aber nur solange der Nervenkitzel nicht<br />
nachläßt. Das ist das Allerwichtigste, meine Herren: diesen Moment abzupassen. Denn er<br />
kommt gewiß. Eines Tages wird unserem Gwidon einfallen, es könnte noch pikanter sein,<br />
doppelten Verrat zu begehen, beide Puppen nach seiner Nase tanzen zu lassen, die Polizei<br />
und die Revolution. Die Leitung<br />
des Marionettentheaters zu übernehmen, sozusagen. In<br />
dem Moment ist unser Walzer mit ihm zu Ende. Wir müssen nur genau<br />
hinhören und<br />
merken, wenn die Musik zu spielen aufhört.«<br />
»Das trifft es!« rief Subzow ganz verzückt und blickte den aus der Hauptstadt<br />
angereisten<br />
Psychologen mit aufrichtiger Bewunderung an. »Ich habe viel darüber nachgedacht, nur<br />
in<br />
anderen Begriffen. Einen >Mitarbeiter< zu führen, meine Herren, ist genauso, als<br />
pflegte<br />
man ein heimliches Verhältnis mit einer verheirateten Dame. Man muß sie in Schutz<br />
nehmen, aufrichtig lieben und sich beständig um sie kümmern, um sie nur ja nicht zu<br />
kompromittieren, ihr familiäres Glück nicht zu zerstören. Und wenn die Gefühle erkalten,<br />
dann muß man ordentlich Abschied nehmen und ihr zuletzt ein schönes Geschenk<br />
machen. Damit keine Bitterkeit zurückbleibt, kein Vorwurf.«<br />
Posharski war den emphatischen Ausführungen des jungen Mannes mit Aufmerksamkeit<br />
gefolgt.<br />
»Romantisch, aber im Grunde wahr«, kommentierte er knapp.<br />
»Darf ich auch etwas sagen?« meldete Smoljaninow sich zu Wort, wobei er schon errötete.<br />
»Das war<br />
natürlich äußerst<br />
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trickreich, Herr Oberst, wie Sie diesen Rachmet angeworben haben, aber ich denke, uns<br />
Staatsschützern steht es nicht an, mit unlauteren Methoden zu agieren.« Er sprach<br />
zunehmend schneller, wohl da er fürchtete, nicht ausreden zu dürfen.<br />
»Das wollte ich<br />
schon immer einmal sagen ... Es ist nicht korrekt, wie wir arbeiten, meine Herren. Dieser<br />
Rachmet zum Beispiel hat einen Regimentskommandeur erschossen, ist aus der Haft<br />
geflohen, hat einen unserer Leute niedergemacht und Gott weiß was für Scheußlichkeiten<br />
noch angestellt, und wir lassen ihn laufen. Anstatt ihn ins Verlies zu stecken, bedienen wir<br />
uns seiner Niedertracht, und Sie drücken ihm noch die Hand. Nein, ich verstehe schon, daß<br />
wir den Fall auf die<br />
Weise schneller aufklären, aber haben wir Schnelligkeit um diesen Preis<br />
nötig? Wir hätten Reinheit und Gerechtigkeit zu hüten und verderben<br />
die Gesellschaft<br />
noch ärger, als die Nihilisten es tun. Das ist nicht gut. Oder wie denken Sie darüber?«<br />
Zustimmung heischend, blickte der Oberleutnant seine<br />
beiden Vorgesetzten an, doch<br />
Swertschinski schüttelte nur tadelnd den Kopf, und auch Fandorin schwieg, obwohl sein<br />
Blick Sympathie verriet.<br />
»Wie kommen Sie darauf, junger Mann, daß der Staat für Reinheit und Gerechtigkeit<br />
steht?« fragte Posharski mit gutmütigem Lächeln. »Gerechtigkeit, von wegen! Unsere<br />
Vorfahren waren Räuber, die das Hab und Gut ihrer<br />
Stammesgenossen an sich gerissen<br />
und an uns weitervererbt haben, damit wir uns gut kleiden und Schubert hören können. In<br />
meinem Fall war kein Erbe vorhanden, aber das ist die Ausnahme. Haben Sie Proudhon<br />
nicht gelesen? Eigentum ist Diebstahl. Sie und ich sind als Wächter angestellt, das Geraubte<br />
zusammenzuhalten. Vernebeln Sie sich das Hirn nicht mit Illusio-<br />
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