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Sie mußten das Geld so schnell wie möglich abstoßen.<br />
Die Lage verkomplizierte sich auch dadurch, daß Grin dringend Erholung brauchte, um<br />
wieder zu Kräften zu kommen. Er hatte in sich hineingehorcht und war zu dem Schluß<br />
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gekommen, nicht voll handlungsfähig zu sein. Nach dem Zusammenprall mit Joker gab<br />
sein Organismus ihm zu verstehen, daß er ausspannen mußte. Grin pflegte auf seinen<br />
Körper zu hören, da er wußte, daß der nichts Unnötiges verlangte. Wenn er eine<br />
Atempause einforderte, so war sie ihm zu gewähren. Sich darüber hinwegzusetzen hieß,<br />
höheren Schaden in Kauf zu nehmen, nachzugeben hingegen zahlte sich aus: Der<br />
Organismus kam in kürzester Zeit wieder in Gang. Hierfür waren keine Medikamente<br />
nötig, nur völlige Ruhe und Selbstbeherrschung. Einfach daliegen, vollkommen<br />
bewegungslos, einen Tag lang oder besser zwei - und die gebrochene Rippe würde sich<br />
richten, die genähten Wunden würden verheilen, die abgeschlafften Muskeln ihre Spann-<br />
kraft zurückgewinnen.<br />
Sechs Jahre war es her, daß Grin in Wladimir aus dem Gefangenentransport entwichen<br />
war. Er hatte das Gitter aus dem Waggonfenster gebrochen und war hinunter auf das<br />
Gleisbett gesprungen - dummerweise gerade vor die Füße eines Wachsoldaten, der ihm das<br />
Bajonett in die Schulter rammte. Den Verfolgern zu entkommen, war er Zickzack zwischen<br />
den Gleisen und Zügen gelaufen, den Rücken naß vom Blut. Am Ende verkroch er sich in<br />
einem Lagerhaus zwischen riesigen Ballen von Schaffellen. Das Versteck durfte er nicht<br />
gleich wieder verlassen, der Flüchtling wurde überall gesucht. Bleiben ging ebensowenig:<br />
Man hatte begonnen, die Ballen zu verladen, es wurden weniger und weniger. Da knüpfte<br />
er einen von ihnen auf, kroch hinein zwischen die nassen, stinkenden Häute -<br />
wahrscheinlich hatte man sie extra eingeweicht, damit sie mehr auf die Waage brachten.<br />
Weshalb das zusätzliche Gewicht nicht weiter auffiel. Die Arbeiter zerrten<br />
den<br />
Riesenballen mit Haken vom Fleck, schleiften<br />
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ihn über die Planken. Am Ende landete er in einem Waggon, der von außen versiegelt<br />
wurde, und der Zug rollte gemütlich gen Westen, an allen Schlagbäumen,<br />
allen Patrouillen<br />
vorbei. Wer wäre auf die Idee gekommen, einen plombierten Waggon zu kontrollieren?<br />
Der Zug brauchte seine Zeit bis Moskau, sechs Tage. Den Durst stillte Grin, indem er die<br />
Feuchte aus der klammen Schafwolle saugte. Zu essen gab es nichts, also hungerte er.<br />
Und<br />
doch wurde er nicht schwächer, sondern kräftiger dabei, weil er vierundzwanzig Stunden<br />
am Tag darauf verwenden konnte, seinen Organismus per Willensanstrengung instand zu<br />
setzen. Wie sich zeigte, war dafür keine feste Nahrung nötig. Als schließlich auf dem<br />
Moskauer Rangierbahnhof die Plombe<br />
fiel, sprang Grin aus dem Waggon und spazierte<br />
seelenruhig<br />
an den Transportarbeitern vorbei (die viel zu besoffen waren, als daß sie sich<br />
um ihn geschert hätten) zum Ausgang. Keiner versuchte<br />
ihn aufzuhalten. Er ging zu einem<br />
Arzt, der das Vertrauen der Partei genoß, zeigte ihm die Rückenwunde<br />
- und der traute<br />
seinen Augen nicht: Das Loch war schon halb vernarbt.<br />
Alte Erinnerungen. Sie brachten ihn auf die Idee.<br />
Alles war ganz einfach - wenn Lobastow einwilligte.<br />
Er mußte. Da er doch inzwischen wußte, daß die KG auch ohne seine Hilfe zurechtkam.<br />
Von Swertschinski<br />
würde er gehört haben. Abzulehnen darum nicht wagen.<br />
Außerdem hegte Grin eine Vermutung, für die ihm der Beweis noch fehlte. Konnte es sein,<br />
daß Timofej Grigorjewitsch Lobastow hinter TG, seinem »Geheimkorrespondenten«,