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Wieviel Shaku sind es? versuchte Fandorin sich mit dem Gedanken anzufreunden.<br />
Höchstens fünfzig. Für einen Kundschafter des Mittelalters wohl ein Klacks.<br />
Darauf achtgebend, nur ja keinen Schwung zu nehmen, straffte Fandorin seinen Körper<br />
und tat den Schritt ins Leere.<br />
Das Gefühl zu fliegen fand Fandorin abscheulich. Der Magen unternahm den Versuch, zur<br />
Kehle herauszuspringen, während die Lungen sich totstellten, weder ein- noch auszuatmen<br />
imstande waren. Doch all dies spielte keine Rolle. Hauptsache: zählen.<br />
Bei fünf winkelte Fandorin die Beine an, stieß die Füße mit aller Kraft nach hinten und<br />
spürte an den Sohlen den sengenden Kontakt mit der harten Oberfläche, ehe er die nicht<br />
sehr schwierige Figur »Angreifender<br />
Drache« vollführte, die der europäische Zirkus unter<br />
der Bezeichnung Doppelsalto kennt.<br />
Namu Amida Butsu**, schaffte er es noch zu denken, dann sah und hörte er gar nichts<br />
mehr.<br />
* 1 Shaku = 30,3 cm. (jap.) Ich nehme meine Zuflucht zum Buddha Amida.<br />
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Die Sinne kehrten wieder - wenn auch nicht alle. Er fror entsetzlich, bekam keine Luft, und<br />
zu sehen war immer noch nichts. Im ersten Moment meinte Fandorin voller Grausen,<br />
seiner letzten Rezitation wegen in jener Eishölle gelandet zu sein, wo dem Buddhismus<br />
zufolge allzeit Kälte und Finsternis herrschen. Allerdings wurde dort gewiß nicht russisch<br />
gesprochen<br />
- die dumpfen Stimmen aber,<br />
die von irgendwo himmelwärts zu ihm drangen,<br />
taten es.<br />
»Wo ist er denn? Siehst du ihn, Schwarz? Wie vom Erdboden verschluckt!«<br />
»Da vorne!« rief eine andere Stimme, jung und hell. »In der Schneewehe. Mensch, ist der<br />
weit geflogen!«<br />
Und erst da verstand Fandorin in seiner Benommenheit, daß er weder tot noch blind war.<br />
Sondern tatsächlich bäuchlings in einer tiefen Wehe lag, Augen, Mund und Nase voll<br />
Schnee - womit erklärt war, warum er nichts sah und nicht atmen konnte.<br />
»Hauen wir ab«, erklang es von oben. »Der hat ausgehaucht. Oder jedenfalls sämtliche<br />
Knochen gebrochen.«<br />
Worauf der Himmel verstummte.<br />
Sämtliche jedenfalls nicht! entschied<br />
der Staatsrat, nachdem es ihm gelungen war, auf alle<br />
viere zu kommen und schließlich gar auf die Füße.<br />
Vielleicht hatte ihm die Kunst der Ninjas das Leben gerettet, vielleicht auch die Anrufung<br />
des Buddha Amida. Am wahrscheinlichsten aber doch der zufällige Schneehaufen.<br />
Taumelnd überquerte er den Hof, schleppte sich durch den Hausflur hinaus auf die Straße<br />
- einem Schutzmann direkt in die Arme.<br />
»Du lieber Gott!« ächzte der, als er den schneeverklebten<br />
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nackten Mann auf sich zukommen sah. »Vollkommen übergeschnappt, die Bande. Erst<br />
herumballern ohne Sinn und Verstand, jetzt auch noch nackig im Schnee baden. Das kostet<br />
dich eine Nacht auf der Wache, mein Freundchen!«<br />
Fandorin taumelte noch ein wenig näher, krallte die Hand in den Aufschlag des<br />
steifgefrorenen, reifbedeckten Uniformmantels und ging langsam in die Knie.<br />
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ZWÖLFTES<br />
KAPITEL Die Giraffen