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ter Ausgang muß sein. Heute abend um sieben, gleiche Stelle. Und mit Rachmet, falls er<br />

auftaucht, seien Sie vorsichtig. Den muß ich erst abklopfen.«<br />

123<br />

Er hatte eine Idee, wo man das Geld herbekommen konnte. Ohne einen Schuß. Den<br />

Versuch war es wert.<br />

Vor dem Tor zur Lobastowschen Manufaktur entließ Grin den Kutscher. Wie üblich<br />

wartete er eine Minute, ob nicht noch ein Schlitten um die Ecke kam, mit einem Spitzel<br />

darin - und erst<br />

als er sicher war, nicht verfolgt worden zu sein, betrat er das Fabrikgelände.<br />

Auf dem Weg zum Hauptkontor, vorbei an den Werkhallen, den zugeschneiten<br />

Blumenkübeln, der hübschen kleinen Kirche, sah er sich neugierig um.<br />

Lobastow hielt seinen Laden wirklich in Schuß. Selbst in den<br />

besten Fabriken Amerikas<br />

bekam man eine derart mustergültige Ordnung selten zu sehen.<br />

Die Arbeiter, die ihm unterwegs begegneten, liefen im Eilschritt, nicht so, wie man es von<br />

Russen gewohnt war. Keines der Gesichter trug die Spuren des Alkohols, und das am<br />

Montagmorgen. Es hieß, wer nach Schnaps roch, bekam bei Lobastow sofort die Tür<br />

gezeigt. Dafür seien die Löhne hier doppelt so hoch wie in anderen Manufakturen,<br />

es gebe<br />

kostenlose Werkswohnungen und fast<br />

zwei Wochen Urlaub mit halber Bezahlung.<br />

Das mit dem Urlaub war vermutlich ein Gerücht, doch daß in Lobastows Fabriken nicht<br />

länger als neuneinhalb Stunden täglich gearbeitet wurde und sonnabends gar nur acht, das<br />

wußte Grin genau.<br />

Wären alle Kapitalisten wie Lobastow, man müßte gar keine Brände legen! Dieser<br />

überraschende Gedanke ging dem stählernen Mann durch den Kopf, als er das massive<br />

Klinkergebäude sah, an dem ein Schild mit der Aufschrift Werks-<br />

124<br />

bibliothek hing. Der Gedanke war allerdings blöd, denn es gab in ganz Rußland bloß den<br />

einen Lobastow.<br />

Im Vorzimmer des Kontors schrieb Grin etwas auf einen Zettel und bat, ihn dem Chef<br />

zu<br />

überbringen. Lobastow ließ sogleich bitten.<br />

»Guten Tag, Herr Grin.«<br />

Der gedrungene kleine Mann mit dem Bauerngesicht, zu dem das gepflegte Spitzbärtchen<br />

so gar nicht passen wollte, kam hinter seinem ausladenden<br />

Schreibtisch hervor und drückte<br />

dem Gast kräftig die Hand.<br />

»Was kann ich für Sie tun?« fragte er und kniff forschend die flinken braunen Augen<br />

zusammen. »Schwierigkeiten, nehme ich an? Geht's um den Vorfall gestern auf dem<br />

Litejny?«<br />

Daß Timof ej Lobastow seine Leute an den unglaublichsten Stellen sitzen hatte, wußte<br />

Grin; soviel Einblick fand er aber nun doch erstaunlich.<br />

»Sagen Sie<br />

bloß, Sie legen auch im Departement Ihre Köder aus?« fragte er und zog im<br />

selben Moment eine Grimasse, als wollte er die ungebührliche Frage zurücknehmen.<br />

Eine Antwort war sowieso nicht zu erwarten. Vor ihm stand ein kerniger Mann, Farbe:<br />

saftiges Nußbraun, wie nur Menschen mit Selbstsicherheit und starkem innerem<br />

Antrieb<br />

sie haben.<br />

»Geschrieben steht: Laß dein Brot über das Wasser fahren; denn du wirst es finden nach<br />

langer Zeit.« Der Fabrikant lächelte listig, dann senkte er den runden Kopf wie ein Stier.<br />

»Um wieviel haben sie euch erleichtert?«<br />

»Dreihundert fünf zig.«

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