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wie zivile, konnten sie zur Klärung wenig beitragen. Alles sprach von einem bombenwerfenden<br />

Offizier, doch wie sich herausstellte, hatte niemand ihn gesehen. Daß die<br />

observierenden Polizisten und Agenten auf die in den Zug Einsteigenden fixiert gewesen<br />

waren, keiner die Fensterfront des Bahnhofsgebäudes im Visier gehabt hatte, ließ sich<br />

nachvollziehen. Trotzdem sonderbar: Da gaben sich auf diesem Bahnsteig professionelle<br />

Beobachter zu Dutzenden die Ehre, und dann kam einer daher und sprengte ihren<br />

Vorgesetzten in die Luft,<br />

und keinem war nur das Geringste aufgefallen. Wenn überhaupt<br />

etwas die Hilflosigkeit der Polizei entschuldigen konnte, dann die unerhörte Dreistigkeit<br />

des Angriffs.<br />

Klar war nicht einmal, aus welcher Richtung die Bombe geworfen worden war. Am<br />

wahrscheinlichsten vom Flur her, denn keiner hatte in den Sekunden vor der Explosion<br />

Scheiben klirren gehört. Den Zettel mit den Buchstaben KG hatte man allerdings auf dem<br />

Bahnsteig gefunden, direkt<br />

unter dem Fenster. Vielleicht hatten sie den Sprengkörper<br />

durch die offenstehende Luke im Oberfenster geworfen?<br />

120<br />

Von den vier Personen, die sich zum Zeitpunkt der Explosion im Dienstraum aufgehalten<br />

hatten, war einzig Oberleutnant Smoljaninow heil davongekommen — und das nur, weil er<br />

zufällig<br />

gerade einen Handschuh fallengelassen und sich unter den Eichentisch gebückt<br />

hatte, ihn aufzuheben. Bis auf ein einziges Stückchen Metall, das in seinem Arm steckte,<br />

hatte die kräftige Tischplatte alle Splitter abgehalten. Einen brauchbaren Zeugen gab der<br />

Oberleutnant dennoch nicht ab, konnte sich an nichts erinnern, nicht einmal, ob die<br />

Luke<br />

im Fenster zuvor offen gewesen war. Swertschinski und die noch nicht identifizierte Dame<br />

waren auf der Stelle tot gewesen. Den Gymnasiasten hatte der Sanitätswagen ins<br />

Krankenhaus gebracht, doch er war nicht bei Bewußtsein und wohl dem Tode nah.<br />

Auf dem Bahnhof erteilte Posharski die Anweisungen -der Minister hatte ihn in einem<br />

Telegramm zum provisorischen Nachfolger des Ermordeten bestellt. Fandorin kam sich<br />

irgendwie überflüssig vor. Die Leute schielten nach seinem Frack, der unter den gegebenen<br />

Umständen reichlich deplaciert<br />

wirkte.<br />

Gegen acht Uhr, als der Staatsrat endgültig jede Hoffnung aufgegeben hatte, noch etwas<br />

Nützliches in Erfahrung zu bringen, verabredete er sich mit Posharski für später im Amt<br />

und fuhr, in trüben Gedanken befangen, nach Hause. Seine Absicht war, sich für zwei<br />

Stunden aufs Ohr zu legen, dann seine gymnastischen Übungen zu absolvieren und den<br />

Kopf durch Meditation zu reinigen. Die Ereignisse hatten sich überschlagen, der Verstand<br />

kam nicht hinterher, es bedurfte der Einmischung tieferer Seelenkräfte. Unter den<br />

Eilenden weile, unter den Zeternden schweige - so eine alte Weisheit.<br />

245<br />

Leider war es ihm nicht vergönnt, seinen Plan umzusetzen.<br />

Fandorin hatte sich Mühe gegeben, beim Aufschließen der Haustür kein Geräusch zu<br />

machen. In der Diele stieß er auf Masa, der dort lag - Rücken gegen die Wand, Beine<br />

angezogen - und schlief. Das war außergewöhnlich. Es sah so aus, als<br />

hätte er auf seinen<br />

Herrn<br />

gewartet, ihm irgend etwas mitteilen wollen, bevor der Schlaf ihn übermannt hatte.<br />

Um sich langwierige Erklärungen zu sparen, weckte Fandorin seinen Kammerdiener gar<br />

nicht erst (denn dessen Neugier war mindestens so groß wie seine Beflissenheit) , schlich<br />

auf leisen Sohlen geradenwegs ins Schlafzimmer - und hier konnte er sehen, was Masa ihm<br />

wohl hatte mitteilen wollen.

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