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Julie stand starr an der Wand. Die Augen schreckgeweitet, der Mund offen. Die eine<br />

Hand<br />

hielt krampfhaft die große Champagnerflasche, während die Finger der anderen<br />

mechanisch<br />

die Goldfolie vom Korken rissen.<br />

»Was ist, Metze?« fragte der Gauner sie mit gehässigem Grinsen. » Hast du den Joker gegen<br />

eine Lusche getauscht? Sieh ihn dir an, den Kretin. Fast schon ein toter Mann.«<br />

»Das bildest du dir ein, Jokerchen«, stammelte Julie mit zittriger Stimme. »Alles Einbildung.<br />

Nichts davon ist wahr.«<br />

»Lüg nicht. Für Verrat hat Joker<br />

eine feine Nase. Den riecht er sofort. Nur deswegen läuft<br />

er noch frei auf Erden rum, anstatt im Kittchen zu versauern. «<br />

Der » Experte« beugte sich nach vorn und zog aus dem Stiefelschaft eine schmale, feine<br />

Klinge.<br />

»Ich werd dich jetzt schlachten, Totenkopf. Und zwar fein langsam. Scheibchenweise.«<br />

Grin wischte sich mit dem Ärmel<br />

die zerschlagene Braue, damit das Blut ihn nicht am<br />

Sehen hinderte, und hob die bloßen Hände in Abwehrstellung. Das Messer hatte er Rach-<br />

met geopfert. Egal. Es ging auch ohne Messer.<br />

Joker kam tänzelnd näher, entzog sich Grins rechtem<br />

189<br />

Haken mit einer leichten Drehung und ritzte ihm das Handgelenk. Es tropfte rot. Julie<br />

schrie auf.<br />

»Das war die Vorspeise«, versprach ihm Joker, und Grin sagte: »Sei leise, Julie.<br />

Du darfst<br />

hier nicht schreien.«<br />

Er unternahm einen Versuch, seinen Gegner beim Kragen zu packen, stieß jedoch erneut<br />

ins Leere, während ihm der scharfe Stahl durch das Wams drang und heiß in die Seite fuhr.<br />

»Das das<br />

Süppchen.«<br />

Jetzt schnappte sich Joker mit der Linken urplötzlich die Wasserkaraffe<br />

vom Tisch und<br />

schleuderte sie auf Grin. Der mußte, um ihr auszuweichen, den Kopf einziehen und dabei<br />

den »Experten« einen Moment aus den Augen lassen. Das Messer nutzte ihn unverzüglich,<br />

wischte am Ohr vorbei - es begann zu brennen wie Feuer, so als hätte die Berührung es<br />

entzündet. Grin hob die Hand: Der obere Teil der Ohrmuschel hing nur noch an einem<br />

dünnen Hautfetzen. Er riß ihn ab, warf das Stück Ohr von sich. Das Blut rann ihm heiß den<br />

Hals hinab.<br />

»Das war der Hauptgang«, erläuterte Joker. »Und gleich kommen wir zum Dessert.«<br />

Grin mußte<br />

seine Taktik ändern. Er wich zur Wand zurück, stellte sich reglos dort auf. Er<br />

durfte<br />

nicht länger auf die Klinge achten. Sollte er zustechen. Wichtig war, daß ihm selbst<br />

der Vorstoß gelang. Den Gegner mit einer Hand am Kinn packen, mit der anderen am<br />

Schädel. Und dann kräftig ausrenken. Wie damals, vierundachtzig, bei der Schlägerei auf<br />

dem Transport nach Tjumen.<br />

Doch Joker schien es mit dem nächsten Angriff nicht eilig zu haben. Er stand in drei Schritt<br />

Entfernung und ließ die Finger spielen, zwischen denen das Messer aufleuchtete wie eine<br />

blitzende kleine Schlange.<br />

93<br />

»Was ist, Juliettchen, wen erwählst du dir?« fragte er mit unverhohlenem Spott.<br />

»Möchtest<br />

du ihn geschenkt haben? Macht ja nichts, daß er ein bißchen verbeult und zerschnippelt ist,<br />

du könntest ihm die Wunden lecken ... Oder willst du lieber mit mir verreisen? Geld hab<br />

ich<br />

jetzt im Überfluß. Damit könnten wir Mütterchen Rußland für immer den Rücken kehren.«

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