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Hohenzollerlsche Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Jahrgang 1967 H O E E N Z O L L E R I S C B E H E I M A T 35<br />

die mehr als verdienten Ohrfeigen. Als wir uns darauf<br />

beriefen, der „Hofmaurer" Michel habe uns dazu aufgefordert,<br />

rief sie ihm auf das Dach hinauf zu, daß er eigentlich<br />

auch Ohrfeigen verdient habe. Er hatte das gar<br />

nicht bestritten, war bereit, sie in Empfang zu nehmen, erklärte<br />

aber, daß er nicht hinuterkommen werde, sondern unsere<br />

Mutter soll zu ihm hinaufkommen, womit dann der<br />

ganze Prozeß erledigt war.<br />

Eine mehr als abwechslungsreiche Unterhaltung<br />

brachten uns die verschiedenen Tiere des Hofes:<br />

Katzen, Hunde, Hühner, Enten, Gänse, Schafe, Schweine,<br />

Kühe, Ochsen und Pferde, denen nicht selten die „Stallratten"<br />

den Hafer aus der Futterkrippe wegfraßen.<br />

Unser ganz besonderer Freund war ein uns von unserem<br />

Vater geschenkter kleiner Esel, auf dem wir öfters zu dreien<br />

ritten, obwohl er gar nicht gerne mitging, wenn wir ihn dazu<br />

aus dem Stall holten. Sein Mißfallen hatte er oft dadurch<br />

ausgedrückt, daß er ganz dicht an der Stallmauer entlang<br />

ging, so daß unsere Strümpfe zerrissen. Da die Mutter die<br />

Strumpflöcher stopfen mußte, hatte sie das „E s e 1 r e i t e n"<br />

verboten und nur „strumpflos" gestattet. Auf unseren Hinweis,<br />

daß dann unter Umständen die Haut unserer Beine<br />

reißt, hatte die Mutter erwidert: „Die Hautwunden heilen von<br />

selbst wieder, aber die Strumpflöcher muß ich stopfen."<br />

Eine vom Esel sehr beliebte Tätigkeit, uns loszuwerden, bestand<br />

darin, daß er im anliegenden Obstgarten unter einem<br />

ganz schräg stehenden Baum hindurchging und uns nach<br />

rückwärts abstreifte. Aus Empörung über unsere, mit ihm<br />

getriebene Tierquälerei hatte er dann oft beim Weggehen<br />

mit dem einen Hinterhuf noch nach uns ausgeschlagen.<br />

Aus Freude, uns losgeworden zu sein, stimmte er beim<br />

Weggaloppieren ein überlautes „J-a", „J-a" an. Seine Verachtung<br />

über uns brachte er öfters zum Ausdruck durch<br />

Ausstoßen einer ganzen Serie von überlauten Blähungen.<br />

Vom Pferdestall brachte ich meiner Mutter einmal ein<br />

halbjähriges Fohlen ins Zimmer; zum Empfang bekam ich<br />

zunächst eine der üblichen Ohrfeigen und dann die Aufforderung,<br />

alsbald wieder zu gehen. Beim Abschied hatte<br />

das Fohlen im Zimmer der Mutter zum Andenken<br />

einen frisch gebackenen Pferdeapfel hinterlassen.<br />

Außer den genannten Stalltieren gab es auf dem Hof<br />

eine ganze Anzahl von Vögeln: Spatzen, die täglich in<br />

übergroßer Menge auf der „Tierstallmiste" ihr Futter holten;<br />

ferner Tauben, Schwalben, Nachteulen, Fledermäuse, Lerchen,<br />

Drosseln, Amseln, Finken, Staren, Fledermäuse, Störche vom<br />

Kirchturm des benachbarten Dorfes Weilheim.<br />

Im unmittelbar anschließenden Wald gab es Hasen,<br />

Eichhörnchen, Wiesel, Rehe, und auf den Getreidefeldern<br />

stellten sich zur Erntezeit große Scharen von Rebhühnern<br />

ein.<br />

Nur wenige Minuten von unserem Wohnhaus entfernt lag<br />

in verträumter Stille das fürstliche Schloß Lindich. Da<br />

Bs leer stand, hatten wir Kinder es oft als besonders schönen<br />

Spielplatz benutzt und es als „unser Sehl oß" bezeichnet.<br />

Nach Aussterben des Hechinger Fürstenhauses<br />

wurde das Land Hohenzollern dem Königreich<br />

„Preußen", dem sogenannten „großen Vaterland" einverleibt.<br />

Diesen Staatsakt hatte meine Mutter noch selbst erlebt.<br />

Die Geistlichen sollen die ihnen aufgetragene sonntägliche<br />

Festpredigt nach zwei Punkten ausgerichtet<br />

haben:<br />

Die Burladinger<br />

Das Kapellchen an der Ringinger Straße und dem „Hohen<br />

Steig", unweit der neuen Volksschule, stammt nicht aus dem<br />

Ende des 17. Jahrhunderts, wie W. Genzmer und A. Speidel<br />

angeben, sondern von 1863. Das Heiligenhäusle in Hagens Lagerbuch<br />

des Jahres 1544 stand am Hohen Steig ganz unten,<br />

unterhalb der jetzigen Landesbahn und wurde unter Pfarrer<br />

Benedikt Schmid im Jahre 1689 abgebrochen. Fräulein Maria<br />

Kornelia Hauser hat nun das Erbauungsjahr in ihrer „Goffine"<br />

des „Nähnes" (Großvaters), des Buchbinders Högner<br />

selig, entdeckt. Dort steht: „Ich Katharina Scheu und Georg<br />

Högner haben das Käppele Ringingen zu erbaut im Jahre<br />

1863. Xaver Högner, sein Bruder, brachte den Altar her von<br />

Saulgau. An Mariä Geburt hat man das Heiligtum unter Böllersalven<br />

eingeweiht." (Somit ist die fast unbeachtete Altarinschrift<br />

bestätigt und ergänzt!)<br />

1.) „Von wannen es kam",<br />

2.) „Daß wir es verdient haben um unserer Sünden<br />

willen."<br />

Aber die Ausrichtung der Schulkinder war zu<br />

meiner Zeit ganz preußisch: Die Namen der 12 Kurfürsten<br />

von Brandenburg hatten wir fast früher gelernt als das<br />

Vaterunser. Und schon als Kinder sangen wir voll Stolz: „Ich<br />

bin eine Preuße, will ein Preuße sein."<br />

Die überragende Gestalt von Friedrich dem Großen<br />

wurde uns eindringlich vorgeführt. Seinen Respekt vor<br />

dem „Recht des Volkes" lernten wir kennen an dem „M ü 1 -<br />

ler von Sansouc i", der angesichts der vom König geplanten<br />

Enteignung seiner Mühle sagte: „ja, wenn es das<br />

Kammergericht in Berlin nicht gäbe."<br />

Ueber die persönliche Güte von Friedrich dem Großen<br />

liefen allerlei Anekdoten um: Als ein Berliner Rekrut zur<br />

Verantwortung gezogen wurde, weil er von einem „Mutter<br />

Gottes Altar" etwas hatte mitlaufen lassen, behauptete, die<br />

Mutter Gottes habe ihm den Gegenstand geschenkt, erwiderte<br />

der König: „Diesmal soll noch Gnade vor Recht ergehen;<br />

aber wenn er sich wieder einmal von der Mutter Gottes ein<br />

Geschenk machen läßt, dann bekommt er Arrest."<br />

Die Feldherrnkunst von Friedrich dem Großen<br />

brachte unser Lesebuch zum Ausdruck mit den Worten:<br />

„Wenn der große Friedrich kommt und klopft nur auf die<br />

Hosen, dann läuft die ganze Reichsarmee, Panduren und<br />

Franzosen."<br />

Als besonderer Schmuck der Stadt Hechingen galt<br />

die „Villa Eugeni a". Die leider so früh verstorbene Fürstin<br />

Eugenie wurde auf Grund ihrer tiefen Frömmigkeit und<br />

ihrer zahlreichen Wohltaten im Volk geradezu als Heilige<br />

verehrt. Nach ihrem in Freudenstadt erfolgten Tod soll beim<br />

Durchfahren ihres Sarges durch Haigerloch durch das<br />

Walten von unsichtbaren Engeln in der St. Anna Kirche<br />

ein wundervolles Orgelspiel und ein prachtvoller Chorgesang<br />

ertönt sein.<br />

Die ausgesprochene <strong>Heimat</strong>liebe der Hohenzollerischen<br />

Bevölkerung geht letzten Endes zurück auf den „Zolle r",<br />

den ich von meinem Elternhause aus den ganzen Tag vor<br />

Augen hatte. Die besondere <strong>Heimat</strong>liebe kommt zum Ausdruck<br />

im allgemein bekannten Zollernlied : „Auf Hohenzollern<br />

steilem Felsen wohnt unverzagt die Eintracht nur."<br />

Das Zollerlied verband auch die zum Militärdienst<br />

eingezogenen Söhne des Landes, wo immer auch die<br />

jeweilige Garnison liegen mochte. — Die nach Beendigung der<br />

Militärzeit auf der Heimfahrt angesichts des aus der Ferne<br />

winkenden Hohenzollern ausgelöste Freude kommt zum Ausdruck<br />

mit den Worten:<br />

Wir rufen aus: o heiliges Land,<br />

wie ist mein Herz an Dich gebannt.<br />

Auf Hohenzollerns steilem Felsen<br />

wohnt unverzagt die Eintracht nur.<br />

Aus den geschilderten kurzen Jugenderinnerungen<br />

heraus möchte ich auch hier sagen:<br />

O wonnevolle Jugendzeit,<br />

Wie bist du fern, wie bist du weit,<br />

An meiner Jugend Tage mit ihrem stillen Glück<br />

denk ich so gern und oft zurück.<br />

Marienkapelle<br />

Aus weiteren Eintragungen geht hervor, daß Georg Högner<br />

schon am 2. Dezember 1865 an „Kopfweh" verstarb und zwar<br />

abends beim Gebetsläuten. Sein Bruder Xaver folgte ihm am<br />

10. Mai (wenn ich recht lese) 1876. Die Witwe Katharina Scheu<br />

fügte hinzu: „O möchten wir einst den Lohn im Himmel finden<br />

für den Kapellenbau!"<br />

Die Eigentümerin des Buches besitzt auch eine kleine, farbig<br />

gefaßte barocke Pieta, die zuerst den Altar geschmückt<br />

habe, bevor sie von der jetzigen Madonna abgelöst wurde. Das<br />

Altärchen setzte W. Genzmer ins ausgehende 17. Jahrhundert,<br />

der frühere Konservator, Professor W. F. Laur, hat gemeint,<br />

diese Madonna sei noch gotisch. Sie wurde jedoch laut Notiz<br />

im Pfarrarchiv erst 1891 neu aus München bezogen. Krs.

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