Hohenzollerlsche Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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HohenzoDerisehe <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Schriftleitung:<br />
Fritz S c h o d e r, Hauptlehrer<br />
7451 Rangendingen, Mühlweg 22<br />
4 P 3828 F<br />
Preis halbjährlich 1.40 DM<br />
Druck und Verlag:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Nummer 4 Gammertingen, Oktober 1967 j17. Jahrgang<br />
Vergangen ist des Sommers hohe Zeit. Die wogenden Fruchtfelder<br />
harrten unter brütender Sommerhitze der Ernte. Erwartungsvoll<br />
sah der Bauer wie seit eh und je derselben entgegen.<br />
Aber wie ganz anders ist heute ihr Vollzug und ihr<br />
Verlauf gegenüber früher. Die Wirtschaftsform im Getreideanbau<br />
blieb zwar dieselbe; die Dreifelderwirtschaft hat sich<br />
trotz des Zeitenwandels erhalten und der Anbau von Weizen,<br />
Gerste und Hafer (bzw. Mischfrucht) in einem Winter-<br />
Sommer-Brachösch wechselt auf unserer Ackerflur in derselben<br />
Folge wie vor Jahrhunderten. Zwar ist der Brachösch<br />
mit Klee und anderen Futterpflanzen, mit Kartoffeln,<br />
Rüben und vereinzelt auch mit Ackerbohnen bebaut. Die<br />
einst gelbblühenden und honigduftenden Rapsfelder und die<br />
blaublühenden Flachsfelder sind verschwunden, desgleichen<br />
hat das Korn (Dinkel), das uns früher so gutes Brot, Küchle<br />
und Bauernspätzle lieferte, dem ertragreicheren Weizenanbau<br />
weichen müssen.<br />
Nachstehende Ausführungen über den Ablauf der Ernte in<br />
früherer Zeit sollte nicht nur die Erinnerung an die Vergangenheit<br />
wachrufen, sondern in einem Beitrag den grundlegenden<br />
Wandel in allen Lebensbereichen zur Industrieund<br />
Massengesellschaft mit aufzeigen. Noch vor Jahrhunzehnten<br />
war Rangendingen ein Kleinbauerndorf. Die Existenzgrundlage<br />
seiner Bewohner bildete in der Hauptsache<br />
der Ackerbau und die Viehzucht. In Ermangelung landw.<br />
Maschinen und motorisierter Zug- und Transportmittel war<br />
der bäuerliche Mensch auf seine eigene Arbeitskraft und auf<br />
die seiner Zugtiere angewiesen. Zwischen ihm, seinem Grund<br />
und Boden, der Natur und dem Herrgott bestanden sehr<br />
enge Beziehungen und die Ernte, die die Ernährung sicherte,<br />
war ein großes gemeinsames Anliegen unserer Bevölkerung.<br />
In einer gewissen Ruhepause zwischen Heuet und Ernte<br />
trafen unsere Väter vielseitige und umfangreiche Erntevorbereitungen.<br />
Zunächst mußte auf dem Fruchtbarn Platz<br />
für die neue Ernte geschaffen werden. Die Mäh- und Erntegeräte<br />
waren auszubessern und teilweise durch neue zu ersetzen.<br />
Das Schneiden der Wieden und diese zum Binden<br />
bereit zu machen, nahm einige Tage in Anspruch. Im Walde<br />
suchten die Bauern schlanke Laubholzschößlinge, schnitten<br />
sie mit dem „Häple", banden sie in Büscheln und ersetzten<br />
damit die fehlenden Garbenbänder. Bereits gebrauchte vom<br />
Vorjahr wurden zum Weichmachen ins Wasser oder in die<br />
Jauchegrube gelegt, damit sie geschmeidig und biegsam wurden.<br />
Im Schopf oder in der Scheune, wo es kühl und schattig<br />
war, saßen die Bauern und machten die frischen Wieden<br />
bindebereit. Das „Knitten" derselben war eine interessante<br />
Tätigkeit und erforderte Geschick und Erfahrung. Stückweise<br />
abgezählt und in Büscheln gebunden standen sie dann<br />
für die Ernte griffbereit. Auch das zum Binden erforderliche<br />
Schaubstroh, das angenetzt auf den Acker gebracht wurde,<br />
wurde bereitgelegt. Hiervon nahm man zum Binden jeder<br />
Garbe einen Wisch und befestigte diesen am oberen Ende der<br />
Wiede, um den der „Wiedboten" gedreht und dann untergeschoben<br />
wurde. Der Schwiebel zum Aufziehen der Garben<br />
durchs „Obadaloch" war zu schmieren und in Ordnung<br />
zu bringen. Ferner waren die Leiterwagen aufzubauen und<br />
leicht gangfähig zu machen und die Gatter, das Spannseil,<br />
die Wellen und Wagentücher wurden angebracht und auf<br />
einwandfreien Gebrauch überprüft. Sogar das Wasserfäßchen<br />
(Lägel) fand unter dem Hinterteil des Wagens seinen Platz.<br />
Für einen einwandfreien Ablauf der Ernte mußte noch an<br />
vieles gedacht werden, wenn man „Unterhäspei" vermeiden<br />
wollte. Kurz vor der Ernte überprüften die Bauern ihre<br />
Fruchtäcker auf Schnittreife. Nach ortsüblicher Bekanntgabe<br />
durch Schellenruf waren die Gewandwege zu öffnen, damit<br />
Die Ernte in früherer Zeit<br />
jedermann ungehindert und ohne Schaden zu verursachen zu<br />
seinem Acker gelangen konnte, und der Feldschütz hatte<br />
darüber zu wachen, daß die alten Ueberfahrtsrechte gewahrt<br />
blieben. Mit Beginn der Ernte zogen schon am frühen Morgen<br />
Männer, Frauen und Jugendliche mit geschärften Sicheln und<br />
mit dem Wetzgeschirr umgürtet zum Schneiden des Brotgetreides<br />
aus. Den Haushalt und den Stall versorgten vielfach<br />
alte Leute und größere Kinder und um die Mittagszeit brachte<br />
man den Schnittern auf weit vom Dorfe abgelegene Aecker<br />
in Körben das Essen und frischen Trank. Mit geübter Hand<br />
wurde die Frucht mit der Sichel geschnitten und jeder armvoll<br />
Getreide in „Sammelten" sorgfältig auf den Acker ausgebreitet,<br />
und oft erst am Abend kehrten die Schnitter müde<br />
und von der Sonne und Hitze fast wie ausgedörrt, aber über<br />
das geleistete Tagwerk, einen Acker geschnitten zu haben,<br />
erfreut, nach Hause. Wenn dann Vater und Mutter zu Hause<br />
einen einigermaßen geordneten Haushalt und einen versorgten<br />
Stall antrafen, ohne noch groß Hand anlegen zu müssen,<br />
waren sie sichtlich erfreut.<br />
Reges Leben herrschte auf den Aeckern beim Binden und<br />
Einbringen der Garben. Mancher Kleinbauer wartete mit<br />
Sehnsucht auf die ersten Garben, besonders dann, wenn der<br />
Mehltrog leer war, und der Fruchtvorrat keine „Mühlefahrt"<br />
mehr gab. In solchen Fällen wurde zum Flegel gegriffen, um<br />
die fehlende Fruchtmenge durch Dreschen oder „Abbausen"<br />
zu gewinnen, denn Mehl und Brot brauchte man in den<br />
Hauptarbeitszeiten in jedem Haushalt mehr als sonst, weil<br />
das oft mehrere Tage hintereinander ausgefallene Mittagessen<br />
durch das Vesper ersetzt werden mußte. Jeder kleinbäuerliche<br />
Betrieb bot für das Einbringen der Ernte — nur<br />
größere Betriebe hatten Knechte oder Mägde oder vorübergehend<br />
eingestellte Erntehelfer zur Verfügung — die gesamte<br />
Mannschaft auf; auch die Kinder mußten sich hierbei,<br />
manchmal über ihre Kräfte hinaus, irgendwie nutzbar<br />
machen. Mit Sicheln wurde die Frucht von den „Sammelten"<br />
in die bereitgelegten Wieden eingetragen und von den Bindern<br />
mit dem Bindnagel zu Garben geknüpft. In der Zwischenzeit<br />
wurden die Zugtiere eingespannt und die Leiterwagen<br />
fahrbereit gemacht, die Zugtiere mit Bremsenöl anzustreichen<br />
durfte so wenig vergessen werden als das Grastuch,<br />
das an der Leiter hing, in dem Essen und Getränke<br />
für die auf dem Acker Beschäftigten in Gras oder Klee möglichst<br />
frischhaltend verstaut war. Wagen an Wagen, schwer<br />
beladen oder leer, rollten über die Straßen und Feldwege<br />
feld- oder heimwärts. Die gebundenen Garben wurden auf<br />
dem Acker gezählt und zu Hause im Bauernkalender aufgeschrieben<br />
und dann sorgfältig auf den Wagen geladen,<br />
„Gleg" um „Gleg". Das Spannen der Wagenladung mit dem<br />
Wiesbaum war eine sehr wichtige Tätigkeit, denn es ging<br />
oft über holperige und einseitig abhängende Feldwege und<br />
nicht selten mußten die Garbenwagen bei der Ausfahrt vom<br />
Acker in den Fahrweg mit Gabeln gestützt werden — man<br />
mußte „Draheba" —, damit sie nicht umfielen. Das „Umkeien"<br />
war ein sehr unliebsamer, hemmender und nicht selten vorkommender<br />
Zwischenfall. Als man noch keine „Bohle" - breite<br />
Rechen - hatte, mußten die Kinder die zurückgebliebenen<br />
Halme und die abgefallenen Aehren sauber auflesen, denn<br />
ehrfürchtig achtete man die Frucht als Gottesgabe. Zwei<br />
zusammengekoppelte Wagen schafften die Zugtiere vom „Judenwinkel"<br />
über das Lindach und die Steigung vom Bruckbach<br />
herauf meistens nicht, weshalb letzterer an Steigungen<br />
abgehängt und nachgeholt werden mußte, was den Arbeitsablauf<br />
unliebsam störte. Wenn wir auf der Heimfahrt auf<br />
den Erntewagen sitzen durften, freuten wir uns besonders.<br />
Auch das verlängerte Wagenbrett (Schnätter) bot besonders