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Hohenzollerlsche Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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40 HOHEN Z Ö L LERISCHE HEIMAT Jahrgang 1967<br />

Im Kreis Balingen und den angrenzenden Bezirken wirkte<br />

in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ein Bildschnitzer,<br />

dessen Namen noch unbekannt ist, der aber wegen<br />

seines persönlichen, originellen Stils Beachtung verdient. Man<br />

nennt ihn den „Meister von Weilen", weil in der Dorfkirche<br />

in Weilen unter den Rinnen 5 Figuren von ihm im Jahr<br />

1923 wieder zu einem Altar vereinigt wurden. Auch in Heinstetten<br />

stand bis zum Jahr 1910 ein großer Schnitzaltar mit<br />

sechs Schreinfiguren und zwei Reliefflügeln des Meisters bzw.<br />

seiner Werkstatt. Jetzt ist dieser Altar in einer Neufassung<br />

in der Blumenegg-Kapelle des Freiburger Münsters zu sehen.<br />

Nach diesem Werk wird unser Holzbildhauer auch „Meister<br />

des Heinstetter Altars" genannt. In Geislingen bei Balingen<br />

müssen ein oder zwei Altäre von ihm gestanden haben, eine<br />

Barbara und eine Katharina sind noch an der Emporenwand<br />

der neuen Kirche angebracht. Der Nachweis seiner Werke<br />

ist nur durch Stilvergleiche möglich, da jegliche Signatur an<br />

den Schnitzwerken fehlt. Vermutlich hat er in Balingen oder<br />

Rottweil seine Werkstatt gehabt und dort auch mehrere Gesellen<br />

beschäfigt, denn es sind nicht alle, seinem Stil zugehörigen<br />

Arbeiten, von gleicher Qualität.<br />

Der Meister von Weilen<br />

Ein schwäbischer Bildschnitzer der Spätgotik<br />

tritt in diesen Gewändern auf, es bauscht sich vielmehr der<br />

sprödere, taft- oder seidenartige Stoff und legt sich in lebendigem,<br />

vielfältigem Rhythmus um den Körper.<br />

Im Altar von Weilen ist die Zentralfigur eine Madonna. Sie<br />

tritt in sechs Varianten verschiedener Schaffensperioden im<br />

Werk des Meisters auf. Um sie gruppieren sich Ottilie, Katharina,<br />

Nikolaus und Johannes der Täufer. Diese Art der<br />

Aufstellung war aber sicher nicht die ursprüngliche. Diese<br />

Plastiken sind wohl das reifste Werk, das zwischen 1520 und<br />

1530 zu datieren ist, weil das Gewand der Katharina modische<br />

Merkmale der ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts<br />

zeigt. Noch reicher und schwungvoller ist die Gewandrapierung,<br />

noch stärker das Gegeneinander von Diagonal- und<br />

bauschigen Knitterfalten. Mimik und Geste sind freier und<br />

lebendiger, aber die Körper behalten ihre gedrungenen Gestalten<br />

und ihre runden Köpfe.<br />

Katharina von Alexandrien, die zu den 14 Nothelfern gehört,<br />

ist in fünf Beispielen erhalten. In Weilen zeigt sie sich<br />

als stattliche stolze Königstocher in üppigem Gewand. Das<br />

Schwert in ihrer Linken trifft einen Kopf mit Turban zu<br />

ihren Füßen. Er wird als der des Kaisers Maximin gedeutet,<br />

Katharina Neufra Madonna Neufra Katharina Böhringen Barbara Geislingen<br />

Wir finden außerdem Arbeiten des Meisters bzw. seiner<br />

Werkstatt in Neufra bei Gammertingen, in Neukirch und<br />

Böhringen, Kreis Rottweil, in Friedingen/Donau, in Schlatt im<br />

Starzeltal, in Kreenheinstetten (eine Madonna, die vielleicht<br />

aus Ebingen stammt) und verschiedene in der Lorenzkapelle<br />

in Rottweil, die von Geislingen und Schörzingen kommen —<br />

im ganzen ein Opus von bis jetzt 32 bekannten Skulpturen.<br />

Diese Schnitzwerke zeigen gedrungene Gestalten mit meist<br />

heiteren Gesichtern. Nase, Kinn, Mund und Wangen sind in<br />

weichen Formen gearbeitet. Die Haare fallen in Wellen oder<br />

Locken über die Schultern. Die gotische S- oder Gegen-S-<br />

Linie wird vielfach noch beibehalten. Stand- und Spielbein<br />

lassen sich wegen der reichen Gewanddrapierung kaum erkennen.<br />

Die Behandlung des Gewandes, vor allem die des<br />

Mantels, ist viel lebendiger als bei den meisten schwäbischen<br />

Bildschnitzern. Diese Skulpturen stehen der oberrheinischen<br />

Art dieser Zeit näher als der schwäbischen, mehr verhaltenen<br />

Gestaltungsweise.<br />

Knitterige, knorpelige Falten beleben die sonst in Geste<br />

und Mimik wenig lebendigen Körper und Gesichter zu einer<br />

nicht unsympathischen Unruhe. Die langgezogenen Diagonalfalten<br />

verstärken diese Wirkung der bauschigen Falten, die<br />

bis zum Boden reichen. Nicht die weich fallende Stofflichkeit<br />

der sie von ihrem Glauben abbringen wollte. Sie aber besiegte<br />

die von ihm beauftragten 50 Philosophen durch ihre<br />

Beredsamkeit und Klugheit und bekehrte sie zu Christen. —<br />

Einfacher und schlichter ist sie in Neufra zu sehen, wo Bescheidenheit,<br />

Demut und adlige Gesinnung sich vereinen zu<br />

einem sehr ansprechenden Wesen. Ottilie trägt das Kleid der<br />

Nonnen mit Skapulier und Schleier. In der Rechten hält sie<br />

ein Buch mit Augen darauf, in der Linken einen Kelch. Der<br />

Legende nach soll diese blindgeborene Herzogstochter bei<br />

ihrer Taufe im Kloster wieder sehend geworden sein. Sie ist<br />

Stifterin der Klöster Odilienberg und Neumünster im Elsaß.<br />

Als Landespatronin wird sie vor allem dort viel verehrt.<br />

Nikolaus, mit Mitra und Krummstab in der Rechten und<br />

dem Buch mit den drei goldenen Kugeln in der Linken, war<br />

Bischof von Myra in Lykien und soll, wie die Legende berichtet,<br />

drei Töchtern eines verarmten Edelmannes die drei<br />

goldenen Kugeln in ihre Kammer geworfen haben, damit sie<br />

ihre Aussteuer kaufen konnten. Der Geislinger Nikolaus<br />

stammt aus etwas früherer Zeit.<br />

Auch Johannes der Täufer zeigt die typischen Gewandmerkmale<br />

des Meisters. Mit lockigem Haupt, in ein Schafsfell<br />

gehüllt, trägt er zusätzlich noch einen bauschigen Mantel<br />

mit den eigenartigen Knorpelfalten. In der rechten Hand hält

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