Nationale Demenzstrategien - Institut für Sozialforschung und ...
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Endbericht<br />
werden müsse. Denn häufig steht die Sicherung der betrieblichen Abläufe mehr im Vordergr<strong>und</strong> als die<br />
Bedürfnisse der Nutzerinnen <strong>und</strong> Nutzer.<br />
Ein Teil der Expertinnen <strong>und</strong> Experten sprach sich da<strong>für</strong> aus, die soziale Teilhabe Demenzkranker konse-<br />
quenter umzusetzen (N=5). Ein Denkmodell mit weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen sei –<br />
in Anlehnung an das Vorbild der Inklusion Behinderter – die Barrierefreiheit der Umwelt auf Demenz-<br />
kranke auszuweiten. Es müsse ein Ziel sein, Demenzkranke selbst mehr zu Wort kommen zu lassen <strong>und</strong><br />
sie an den sie betreffenden politischen Entscheidungen zu beteiligen. Wenn Kranke sich zunehmend in<br />
der Öffentlichkeit äußerten, würde dies sukzessive diejenigen ermutigen, die derzeit aus Schamgefühlen<br />
in einen freiwilligen Rückzug abglitten. Gerade <strong>für</strong> jüngere Kranke müssten zudem Möglichkeiten einer<br />
weiteren Erwerbstätigkeit geschaffen werden, um Sinngebung zu fördern, aber auch um Probleme der<br />
Existenzsicherung zu vermeiden. Dazu müssten mit Betrieben <strong>und</strong> Wohlfahrtsverbänden Lösungsmodel-<br />
le diskutiert werden. Zudem sei es vor dem Hintergr<strong>und</strong> der demografischen Entwicklung von zuneh-<br />
mender Bedeutung, die Betriebsleitungen <strong>für</strong> die Vereinbarkeitsproblematik pflegender Angehöriger zu<br />
sensibilisieren <strong>und</strong> die Möglichkeiten <strong>für</strong> Pflegezeiten auszubauen (N=2).<br />
Insgesamt wünschten sich fast alle Befragten, dass der Demenzplan zu einer ethischen Gr<strong>und</strong>orientie-<br />
rung beiträgt, die die Frage der Menschenwürde in den Mittelpunkt rückt. Zudem – so die Auffassung<br />
einzelner Sachverständiger – biete die steigende Zahl Demenzkranker die Chance, gesellschaftlich prob-<br />
lematische Entwicklungen, wie z.B. die Singularisierung oder die Beschleunigung des modernen Lebens,<br />
kritisch zu reflektieren. Denn diese Tendenzen wirkten sich auf Demenzkranke, aber auch auf die meis-<br />
ten anderen Menschen ungünstig aus.<br />
Wenngleich die Expertinnen <strong>und</strong> Experten sich einig waren, dass das gesellschaftliche Bild der Demenz<br />
weiterentwickelt werden müsse, war die Vehemenz, mit der die Inklusion Demenzkranker gefordert<br />
wurde, jedoch unterschiedlich intensiv. Während <strong>für</strong> einen Teil der Befragten die soziale Dimension der<br />
Demenz eines unter mehreren wichtigen Handlungsfelder darstellte, hielt der andere Teil diese <strong>für</strong> die<br />
alles entscheidende Frage. Die bisherige Beschäftigung mit der Demenz habe sich zu stark auf Fragen<br />
der Versorgung fokussiert; nun müsse ein Paradigmenwechsel erfolgen. Denn die erfolgreiche Bewälti-<br />
gung eines Lebens mit Demenz hänge in erster Linie mit der „sozialen Stimmigkeit“ zusammen <strong>und</strong> erst<br />
in zweiter Linie mit Fragen einer optimierten medizinischen oder pflegerischen Versorgung.<br />
Dies verdeutlicht eine große Diskrepanz innerhalb der Expertenmeinungen, die auch an weiteren Aspek-<br />
ten aufschien. So wurde z.B. auf der Ebene der politischen Rahmensetzung vehement Stellung bezogen,<br />
dass ein deutscher Demenzplan die Forschung ankurbeln solle, jedoch wurden sehr unterschiedliche<br />
Auffassungen über die Art der zu fördernden Forschung vertreten. Mehrere Sachverständige vertraten<br />
die Ansicht, dass der Demenzplan nicht noch weitere Mittel <strong>für</strong> eine medizinische Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
freisetzen solle, weil in diesem Bereich bereits massive Anstrengungen unternommen worden sind. Ge-<br />
nau dies wurde hingegen von anderen wieder eingefordert. Die meisten [N=6] waren der Meinung, dass<br />
mehr Mittel <strong>für</strong> Versorgungsforschung bereitgestellt werden sollten, um z.B. Best Practice Konzepte<br />
weiter konkretisieren oder klinische Vergleichsstudien durchführen zu können. Aber auch sozialwissen-<br />
schaftliche Fragestellungen wurden als relevant betrachtet, wie z.B. die Analyse der Lebenssituation<br />
Demenzkranker <strong>und</strong> ihrer Angehörigen oder deren Bewältigungsstrategien.<br />
Etwa die Hälfte der Befragten äußerte im Hinblick auf die Inhalte eines Demenzplans Wünsche nach<br />
gesetzlichen Justierungen, die eine demenzsensiblere Ausgestaltung von Gesetzen <strong>und</strong> Richtlinien nach<br />
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