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Auch eine Aktualisierung durch Um- und Neudefinition bestehender, nicht mehr
gebrauchter Begriffe ist möglich, trotz der unsicheren Übergangszeit mit Homonymie:
Noch heute wird zavrar nur auf ‘Schafe scheiden’ beschränkt, trotz zavrader
‘Sortwort’ und zavrar ‘sortieren’; man verwendet sortar oder das ungenaue separar
‘trennen’. Eine wirkliche „Herausforderung“ bedeutet eben dessen Bezeichnung: Das
surselvische provocaziun ist vermutlich zu nahe an die deutsche „Provokation“, so dass
man heute vermehrt sfida, eine italienische Entlehnung im Engadinischen, verwendet,
obwohl sfida, und ganz besonders sfidar in Rheinischbünden näher an sfidar, disfidar
‘misstrauen’ liegt. Eine Erweiterung erfuhr das Verb sunar ‘musizieren’, im Engadin
noch ‘Glocken läuten’, durch die Unterdifferenzierung von ‘spielen’ und ‘abspielen’
sunar ina platta, in(a) CD anstatt tadlar, far ir ina platta, in(a) CD. Dem Biologiebegriff
tessì ‘Gewebe’ fehlt das typische Fadenmuster eines gewobenen Tuches, und er ist
deshalb nicht alltagstauglich; stattdessen verwendet man konkret pel ‘Haut’, charn
‘Fleisch’ bis zu material ‘Material’. Auch der Fachausdruck petroli für ‘Erdöl’ wird
nur in der engeren Bedeutung von Lampenbrennstoff ‘Petrol’ wahr genommen und
erfordert infolgedessen ein Calque ieli (mineral) ‘Mineralöl’.
Die gesamtromanische Standardisierung, angestrebt in Rumantsch grischun, zeigt
im Alltag ihre Grenzen wegen einer hohen Heteronymie. Entweder verwendet man
beide Ausdrücke wie taglia/imposta ‘Steuer’, buis/schluppet ‘Gewehr’, entschaiver/
cumenzar ‘beginnen’ oder man vereinfacht unzulässig, indem man glisch für ‘Lampe’
anstatt cazzola in der Surselva verwendet, wo glisch nur ‘Licht’ bedeutet, weil
lampa aus puristischen Gründen ausfällt. Manchmal wird der ursprüngliche Begriff
missverstanden und das Resultat ist unbrauchbar wie plimatsch ‘Kissen’ in bischla da
plimatsch ‘Lagerhülse’ als Umdeutung eines horizontal beweglichen Holzes auf dem
Wagen für eine rotierende Drehbewegung, der rullera ‘Rolllager’, cullanera ‘Kugellager’
entsprechen. Heute schmunzelt man über die Pionierbezeichnung sr: tabla spurteglia
(Gadola 1956:79) für eine ‘elektrische Schalt(er)tafel’ mit Unterdifferenzierung von
‘elektrischer Schalter’ und ‘Schalterfenster’, das inzwischen zu tavla da distribuziun,
cumond berichtigt wurde. Der ganze Bereich der Elektrizität mit ‘Strom’, ‘Spannung’,
‘Hochspannung’ und ‘Starkstrom’ usw. wurde erst nach 1990 für das Pledari Grond
terminologisch aufgearbeitet; umgesetzt ist es kaum, schließlich ist es ziemlich
abstrakt. 5
5. Auswirkungen der terminologischen Anpassung
Außer in offiziellen Bereichen mit einem vorgeschriebenen Sprachgebrauch wie
die dreisprachige Kantonsverwaltung, die Gesetzgebung und die Herstellung von
Schulbüchern, ist die terminologische Anpassung ein Zusammenspiel von glücklichen,
5 Die ersten Fachvorschläge wurden 1917 im Chalender ladin veröffentlicht: Davart l’electricited. Terms
romauntschs per l’electricited, acceptos dalla Commissiun Linguistica, 70-71.
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