die kardinaltugenden und ihre bedeutung für das ... - Theologie heute
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2<br />
Der heilige Ambrosius (+ 397) ist es wohl gewesen, der <strong>die</strong> vier aus dem<br />
Griechentum überkommenen Gr<strong>und</strong>tugenden als Kardinaltugenden bezeichnet hat. Der<br />
Kirchenvater Hieronymus (+ 419) spricht von den Kardinaltugenden als dem Viergespann,<br />
dessen Wagenlenker Christus ist. Papst Gregor der Große, er stirbt im Jahre<br />
604, verbindet <strong>die</strong> vier Kardinaltugenden mit den ihnen zugeordneten drei theologischen<br />
Tugenden <strong>und</strong> stellt dann <strong>die</strong> sieben Tugenden in Parallele zu den sieben Gaben<br />
des Heiligen Geistes. Mit Augustinus (+ 430) bezeichnet er <strong>die</strong> Liebe als den Quellgr<strong>und</strong><br />
aller Tugenden. An <strong>die</strong> Spitze der erworbenen Tugenden stellt er jedoch <strong>die</strong><br />
Demut als <strong>die</strong> Anführerin <strong>und</strong> Mutter der übrigen. Das ist übrigens sehr plausibel,<br />
wenn man den Hochmut als <strong>das</strong> eigentliche F<strong>und</strong>ament aller Sünden <strong>und</strong> aller Laster<br />
bezeichnet 1 .<br />
Der heilige Augustinus spricht sehr häufig über <strong>die</strong> Kardinaltugenden. Einmal stellt er<br />
mit dem Blick auf sie fest: „Möchte doch ihr Wesen ebenso in aller Herzen sein, wie<br />
ihr Name in aller M<strong>und</strong> ist“ 2 . Immer wieder deutet er sie als vier Eigenschaften oder<br />
Ausstrahlungen der Liebe, des Gr<strong>und</strong>affekts des Willens oder der Liebe als übernatürlicher<br />
Gottesliebe 3 . Diese Feststellung unterscheidet <strong>die</strong> christliche Tugendlehre von<br />
der Tugendlehre der Römer <strong>und</strong> der Griechen. Sie konnten nicht sehen, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> erste<br />
<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legende natürliche Tugend des Willens nur <strong>die</strong> Liebe sein kann. In der Antike<br />
rechnete man <strong>die</strong> Liebe zu den bloßen Leidenschaften <strong>und</strong> erkannte man der Gerechtigkeit<br />
den absolut ersten Rang zu.<br />
Die vier Kardinaltugenden sind <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>tugenden oder Angeltugenden, <strong>die</strong> „cardines“<br />
sind <strong>die</strong> Angeln. Dabei darf man nicht übersehen, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> eigentlichen Gr<strong>und</strong>festen<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> eigentlichen Angeln des christlichen Tugendlebens <strong>die</strong> drei göttlichen Tugenden<br />
sind. Von daher verstehen wir <strong>die</strong> Kardinaltugenden besser als Haupttugenden.<br />
In <strong>die</strong>sem Sinne bezeichnet der Kirchenvater Ambrosius (+ 397) <strong>die</strong> vier Kardinaltugenden<br />
als <strong>die</strong> ersten Ausstrahlungen des Gnadenlebens in <strong>die</strong> sittliche Betätigung 4 .<br />
Auf jeden Fall betätigen sich <strong>die</strong> vier Kardinaltugenden als allgemeine Haltungen in<br />
jeder sittlichen Tugend, zumindest als Voraussetzung. Denn <strong>die</strong> Klugheit weist <strong>die</strong><br />
Wege des Guten, sie bringt <strong>die</strong> praktische Vernunft in <strong>die</strong> rechte Ordnung, <strong>die</strong> Gerechtigkeit<br />
gibt dem Willen <strong>die</strong> rechte Ausrichtung, sie führt ihn aus der Ichverhaftetheit<br />
1<br />
Johannes Gründel, Artikel Tugend (Väter), in: Lexikon <strong>für</strong> <strong>Theologie</strong> <strong>und</strong> Kirche, Bd. X, Freiburg<br />
1965, 396 ff.<br />
2<br />
Augustinus, De moribus ecclesiae catholicae, n. 25.<br />
3<br />
Ders., De Trinitate lib. 14, cap 12.<br />
4<br />
Bernhard Häring, Das Gesetz Christi, Freiburg 1957, 493 f.