die kardinaltugenden und ihre bedeutung für das ... - Theologie heute
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„Jedem <strong>das</strong> Seine“, <strong>das</strong> ist ein bedeutender Gr<strong>und</strong>satz nicht nur des<br />
Christentums, sondern ganz allgemein der Menschheit, zumindest in der abendländischen<br />
Überlieferung. Unter <strong>die</strong>sem Aspekt meint <strong>die</strong> Tugend der Gerechtigkeit jene<br />
Haltung, in der der Mensch standhaft <strong>und</strong> beständig jedem sein Recht zuerkennt. So<br />
hat Thomas von Aquin (+ 1274) <strong>die</strong> Gerechtigkeit definiert. Was aber ist <strong>für</strong> einen<br />
jeden <strong>das</strong> Seine? Wieso steht jemandem überhaupt etwas zu? Aufgr<strong>und</strong> von was steht<br />
einem etwas zu? Und wieso steht jemandem so sehr zu, <strong>das</strong>s jeder andere, jede<br />
menschliche Macht es ihm geben oder lassen muss? Die faktische Ungerechtigkeit in<br />
der Welt macht uns hellhörig <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Fragen. Denn wenn wir jedem <strong>das</strong> Seine geben<br />
sollen, dann müssen wir wissen, was <strong>das</strong> Seine ist <strong>für</strong> einen jeden. Das bedeutet, <strong>das</strong>s<br />
der Gerechtigkeit <strong>das</strong> Recht vorausliegt, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Gerechtigkeit also etwas Zweites ist.<br />
Stellen wir uns vor: Jemand leistet <strong>für</strong> einen anderen eine Arbeit. Beispielsweise gräbt<br />
er ihm den Garten um. Aufgr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Leistung entsteht auf der Seite des Arbeitenden<br />
ein ihm Zustehendes. Und indem der andere es ihm gibt, ist er gerecht, vollzieht er<br />
einen Akt der Gerechtigkeit. Der aber hat zur Voraussetzung, <strong>das</strong>s dem anderen, dem<br />
Partner, etwas zusteht.<br />
Nun leuchtet es aber ein, <strong>das</strong>s es Rechte gibt, <strong>die</strong> nicht durch Arbeit zustande kommen,<br />
<strong>das</strong>s dem Menschen ein Seiniges zusteht, ohne <strong>das</strong>s der Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong> in seinem Tun<br />
liegt. So wird niemand bezweifeln, <strong>das</strong>s es ein Recht auf <strong>das</strong> eigene Leben gibt. Was<br />
aber ist der Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s dem Menschen überhaupt etwas zusteht, sei es der Lohn<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeit, sei es <strong>das</strong> Recht auf <strong>das</strong> eigene Leben?<br />
Zunächst sei einmal festgestellt, <strong>das</strong>s Gott dem Menschen nichts schuldet, <strong>das</strong>s aber<br />
umgekehrt der Mensch Gott alles schuldet. Gott hat den Menschen geschaffen, aber<br />
der Mensch hatte kein Recht, geschaffen zu werden. Wenn Gott dem Menschen darüber<br />
hinaus, über <strong>das</strong> Geschaffensein hinaus, <strong>das</strong> ihm auf Gr<strong>und</strong> von seiner Natur Zukommende<br />
gibt, ist er dennoch nicht sein Schuldner. Der Mensch hat keine Ansprüche<br />
Gott gegenüber.<br />
Eine Gerechtigkeitspflicht besteht nicht, wenn es nicht auf Seiten des Partners etwas<br />
Zustehendes gibt. Immer ist <strong>das</strong> Recht Gegenstand der Gerechtigkeit. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
kann ein Recht, etwas Zustehendes, nur einem geistigen Wesen zukommen.