die kardinaltugenden und ihre bedeutung für das ... - Theologie heute
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Alles Sollen gründet im Sein. Das Gute ist <strong>das</strong> Wirklichkeitsgemäße. Die Verwirklichung<br />
des Guten setzt daher <strong>das</strong> Wissen um <strong>die</strong> Wirklichkeit voraus. Das Gute<br />
hat sein F<strong>und</strong>ament im Wahren. Daher ist <strong>die</strong> Tugend der Klugheit der Gipfel aller<br />
Tugenden, sofern sie <strong>die</strong> Urgr<strong>und</strong>sätze des menschlichen Handelns der Wirklichkeit<br />
entnimmt <strong>und</strong> <strong>die</strong>se jeweils anwendet auf <strong>die</strong> konkrete Wirklichkeit. Was gut ist, <strong>das</strong><br />
bestimmt <strong>die</strong> Klugheit, was aber klug ist, <strong>das</strong> bestimmt <strong>die</strong> Sache selbst 115 .<br />
Wer nicht auf <strong>die</strong> Dinge schaut <strong>und</strong> nur auf sich selber blickt, verliert <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
zu einem tugendhaften Leben, weil er auf <strong>die</strong>se Weise <strong>die</strong> Tugend der Klugheit verliert,<br />
<strong>die</strong> Voraussetzung <strong>für</strong> alle Tugenden, <strong>die</strong> „auriga virtutum“, wie man sie genannt<br />
hat, den „Wagenlenker der Tugenden“. Aber nicht nur <strong>das</strong>, er verliert damit nicht nur<br />
<strong>die</strong> Tugend der Klugheit, er verliert damit auch seine seelische Ges<strong>und</strong>heit. Wir wissen<br />
<strong>heute</strong>, <strong>das</strong>s nicht wenige seelische Erkrankungen <strong>ihre</strong> Ursache haben in einer ichhaften<br />
Unsachlichkeit.<br />
In der Tugend der Klugheit setzen wir <strong>die</strong> Wahrheit der wirklichen Dinge um in <strong>das</strong><br />
Handeln. Der Mensch unserer Tage hat weithin <strong>das</strong> Verhältnis zur Wahrheit der Dinge<br />
verloren. Schon deshalb neigt er vielfach dazu, willkürlich <strong>und</strong> verantwortungslos zu<br />
handeln.<br />
Letztlich ist <strong>die</strong> Klugheit, wie alle Tugenden, eine Gabe Gottes. Im Buch der Sprüche<br />
lesen wir im Alten Testament: „Der Herr ist es, der Weisheit verleiht, <strong>und</strong> aus seinem<br />
M<strong>und</strong>e kommt Klugheit <strong>und</strong> Weisheit“ (Spr 2, 6). Die ewige Weisheit selbst ist <strong>die</strong><br />
Lehrerin der Klugheit, so heißt es im Buch der Weisheit (Weish 8, 7). Darum ist sie<br />
ein vorzüglicher Gegenstand des Gebetes (Eph 1, 8). Wenn <strong>die</strong> Klugheit als Gabe Gottes<br />
betrachtet werden muss, so ist der Mensch jedoch dadurch nicht der Pflicht entb<strong>und</strong>en,<br />
sie zu erwerben <strong>und</strong> sie zu lernen. Darauf wird immer wieder hingewiesen im<br />
Buch der Sprüche (Spr 1, 3; 4, 1; 4, 7; 16, 16). Die Tugend der Klugheit erwerben,<br />
heißt vor allem, sie von Gott erflehen, sodann verlangt sie <strong>das</strong> eigene Tun der Betrachtung<br />
der Gebote Gottes (Bar 3, 9), <strong>das</strong> Klugwerden aus eigener Erfahrung, sowie <strong>das</strong><br />
Lernen von den Alten <strong>und</strong> Klugen (Tit 2, 4).<br />
Gemäß der Heiligen Schrift bewahrt uns <strong>die</strong> Klugheit vor den verkehrten <strong>und</strong> trügerischen<br />
Wegen der Sünde, ist sie ein Schutz gegenüber der Verführung durch den Teufel<br />
115 Josef Pieper, Kleines Lesebuch von den Tugenden des menschlichen Herzens, Stuttgart 1988, 10 f.