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die kardinaltugenden und ihre bedeutung für das ... - Theologie heute

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Anders als <strong>die</strong> anderen Kardinaltugenden ist <strong>die</strong> Kardinaltugend der Zucht <strong>und</strong> des<br />

Maßes, <strong>die</strong> Kardinaltugend des Maßhaltens, auf den Wirkenden selbst bezogen 196 . In<br />

der Unzucht <strong>und</strong> in der Maßlosigkeit zerstört sich der Mensch durch <strong>die</strong> selbstische<br />

Entartung der auf Selbstbewahrung zielenden Kräfte 197 .<br />

Auf zweierlei Weise kann der Mensch sich zu sich selbst hinwenden, selbstlos <strong>und</strong><br />

selbstzentriert oder selbstisch. Die Zucht ist dann <strong>die</strong> selbstlose Selbstbewahrung, <strong>die</strong><br />

Unzucht <strong>die</strong> Selbstzerstörung durch selbstische Entartung der Selbstbewahrung. Immer<br />

sind wir selber <strong>die</strong> Täter von Zucht <strong>und</strong> Unzucht, von Selbstbewahrung <strong>und</strong> Selbstzerstörung.<br />

Stets wird <strong>die</strong> Ordnung von der Entscheidungsmitte der eigenen Person her<br />

gewahrt oder verkehrt. Wenn der Mensch nichts so sehr liebt wie sich selbst, verfehlt<br />

er nicht nur den Sinn selbstloser Selbstliebe, sondern aller Liebe überhaupt. Darum<br />

sagt Thomas von Aquin (+ 1274), dem Menschen sei es gemäß, „Gott mehr zu lieben<br />

als sich selbst“ 198 . Indem der Mensch sich selbst auf Gott hin überschreitet, wird er<br />

bewahrt vor zerstörerischer Selbstliebe 199 .<br />

Es ist ein geheimnisreicher Sachverhalt, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> innere Ordnung des Menschen nicht,<br />

wie etwa beim Tier, eine einfachhin gegebene <strong>und</strong> selbstverständliche Wirklichkeit ist,<br />

<strong>das</strong>s vielmehr „<strong>die</strong> gleichen Kräfte, aus denen <strong>das</strong> menschliche Dasein sich erhält, jene<br />

innere Ordnung bis zur Zerstörung der geistig-sittlichen Person verkehren können“ 200 .<br />

Das ist selbstverständlich, würden wir sagen, aber wenn wir tiefer darüber nachdenken,<br />

erkennen wir, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>s eigentlich erstaunlich ist. Wir berühren hier <strong>das</strong> Geheimnis der<br />

Freiheit des Menschen, mit der sich seine Verantwortlichkeit verbindet. Die Freiheit<br />

des Menschen bedingt es, <strong>das</strong>s der Mensch sich selbst, <strong>das</strong>s sein innerstes Selbst sich<br />

selber in Unordnung zu bringen vermag bis zur Selbstzerstörung. Wir sagen gern, der<br />

Mensch ist ein Kampfplatz widerstreitender Kräfte <strong>und</strong> Antriebe, <strong>die</strong> einander bekämpfen<br />

<strong>und</strong> bezwingen. Das ist jedoch nur eine bildliche <strong>und</strong> auch sehr ungenaue<br />

Redeweise. Die Wirklichkeit ist vielmehr <strong>die</strong>: Es ist nicht so, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Sinnlichkeit in<br />

uns über <strong>die</strong> Vernunft siegt, sondern immer sind wir selber <strong>die</strong> Täter von Zucht <strong>und</strong><br />

Unzucht, von Selbstbewahrung <strong>und</strong> Selbstzerstörung. „Immer ist es <strong>die</strong> Entschei-<br />

196 Thomas von Aquin, Summa Theologiae II/II, q. 141, a. 8.<br />

197 Josef Pieper, Kleines Lesebuch von den Tugenden des menschlichen Herzens, Stuttgart 1988, 29.<br />

198 Thomas von Aquin, Summa Theologiae I, q. 60, a. 5.<br />

199 Joachim Piegsa, Der Mensch – <strong>das</strong> moralische Lebewesen , St. Ottilien 1996, 502.<br />

200 Josef Pieper, Kleines Lesebuch von den Tugenden des menschlichen Herzens, Stuttgart 1988, 29.

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