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PUA - Prof. Dr. med. Andreas Zieger

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3.6 Zwischenfazit – Empirie<br />

3. Empirie – Teil II<br />

Die Person-Umfeld-Analyse von W.D. zum Zeitpunkt seiner stationären Rehabilitation (Phase C und<br />

D) hat ergeben, dass aus den Folgen seines Schlaganfalls überwiegend negative Valenzen im<br />

Wirkungsraum der (sinnstiftenden) Tätigkeiten (Nicht-Freizeit), im alternativen Wirkungsraum<br />

(Freizeit) sowie im Wirkungsraum der Freundschaften (Peergroup) existieren, während im<br />

Wirkungsraum der Familie vorrangig positive Valenzen vorherrschen. Auf der Grundlage dieser<br />

Feldkräfte entstehen Spannungen, die eine Attraktion des familialen Wirkungsraumes sowie eine<br />

Aversion der drei übrigen Wirkungsräume bedingen. Dies bewirkt eine Lokomotion von W.D. in die<br />

Richtung seines familialen Wirkungsraumes sowie einen Bindungsprozess an diesen, während er sich<br />

von den anderen Wirkungsräumen entfernt und ablöst.<br />

Die starke Bindung an den familialen Wirkungsraum sowie die Ablösung von den übrigen drei<br />

Wirkungsräumen kann ambivalent diskutiert werden. Einerseits können die intensiven Familien-<br />

beziehungen die Motivation von W.D. in Bezug auf seine Krankheitsbewältigung fördern, anderseits<br />

besteht dadurch aber auch die Gefahr des sozialen Rückzuges bis hin zur familialen Isolation. In<br />

diesem Zusammenhang ist ein verstärkter Aufenthalt von W.D. im ehelichen Zweipersonenhaushalt<br />

anzunehmen, der das Risiko einer weiteren Einnahme bisher unabhängiger und selbstständig<br />

gestaltbarer Lebensbereiche der Ehefrau birgt und damit ihre Abhängigkeit sowie Unselbstständigkeit<br />

weiter erhöhen würde. Für W.D. kann diese Einnahme hingegen als Ressource interpretiert werden,<br />

wenn es sich dabei um häusliche Tätigkeiten, Aufgaben und Verpflichtungen handelt, die nützlich<br />

sind. Dadurch hätte er die Möglichkeit, einen Teil seines prämorbiden Identitätskonzeptes, d.h. seiner<br />

einstigen sozial zugeschriebenen Rolle als „handwerklich begabter, hilfsbereiter und fürsorglicher<br />

Mann“, aufrecht zu erhalten.<br />

Zwischen dem familialen Wirkungsraum von W.D. und dem Wirkungsraum seiner Freundschaften<br />

(Peergroup) gibt es Wechselbeziehungen, die auf dem freundschaftlichen Verhältnis seiner Ehefrau zu den<br />

Witwen seiner ehemaligen männlichen Freundschaftsbeziehungen basieren. W.D. selbst hatte zu den<br />

Witwen vor seinem Schlaganfall keine Freundschafts-, sondern eine Dienstleistungsbeziehung, indem er<br />

sie mit Heimwerkerarbeiten unterstützte und dafür soziales Ansehen sowie soziales Prestiges erhielt.<br />

Dadurch konnte er sein Identitätskonzept aufrecht erhalten. Seit seinem Schlaganfall und den damit<br />

bedingten körperlichen Einschränkungen, kann er die Heimwerkerarbeiten für die Witwen nicht mehr<br />

durchführen, weshalb er sich von diesen Beziehungen ablöst und Identitätsprobleme entwickelt. Auch<br />

ansonsten hat er keine informellen sozialen Beziehungen. Deswegen ist sein Zugang zum Wirkungsraum<br />

der Freundschaften (Peergroup) mit einer Barriere abgegrenzt, was seine Möglichkeiten für emotionalen<br />

Austausch insgesamt beschränken. Die Barriere grenzt W.D. allerdings nicht vollständig aus, da er es nicht<br />

ausschließt über formelle soziale Beziehungen zu Gleichbetroffenen (z.B. in einer Selbsthilfegruppe) neue<br />

informelle soziale Beziehungen einzugehen. Dadurch könnte die Barriere zum Wirkungsraum der<br />

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