PUA - Prof. Dr. med. Andreas Zieger
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5. Gesamtfazit und Ausblick<br />
5. Gesamtfazit und Ausblick<br />
Ausgehend vom biopsychosozialen Modell wurde in der vorliegenden Arbeit eine ICF-bezogene<br />
Person-Umfeld-Analyse nach Schulze mit einem 77-Jährigen Hirninfarkt-Rehabilitanden durch-<br />
geführt. Bei dieser Analyse wurde das Interaktionsmodell zum Identitätskonzept von Frey integriert.<br />
Als Ergebnis konnte die individuelle Lebenssituation des Falls W.D. umfassend dargestellt werden.<br />
Diese ist durch eine starke Bindung an den familialen Wirkungsraum sowie eine Ablösung vom<br />
Wirkungsraum der Freundschaften (Peergroup), alternativen Wirkungsraum (Freizeit) und Wirkungs-<br />
raum der Tätigkeiten (Nicht-Freizeit) gekennzeichnet. Die Ablösungsprozesse sind auf die über-<br />
wiegend negativen Valenzen in diesen drei Wirkungsräumen zurückzuführen. Die negativen Valenzen<br />
sind wiederum hauptsächlich durch die Folgen des Schlaganfalls bedingt und beeinflussen sich<br />
wechselseitig innerhalb sowie zwischen den Wirkungsräumen. Dies führt insgesamt zum biopsycho-<br />
sozialen Kernproblem von W.D., der aufgrund seiner eingeschränkten körperlichen Funktionsfähigkeit<br />
(bio), weniger aktiv in seinen vier Wirkungsräumen partizipieren kann (sozial) und dadurch<br />
Minderwertigkeits- und Selbstwirksamkeitsprobleme entwickelt (psycho). Dieses Kernproblem sowie<br />
die aktuelle und neue Lebenssituation von W.D. hat Auswirkungen auf sein Identitätskonzept.<br />
Insbesondere die Diskontinuität seines Identitätskonzeptes, die sich aus der Differenz zwischen seinem<br />
prämorbiden und postmorbiden Selbstbild ergibt, bedingt Inkongruenzen zwischen seinem sozialen<br />
und privaten Selbst und führt letztlich zu Identitätsproblemen.<br />
Der Einbezug des gesellschaftlichen Kontextes der aktuellen Lebenssituation von W.D., erweitert das<br />
Fallverstehen um die soziologische Perspektive. Diese verdeutlicht, dass die vier Wirkungsräume von<br />
W.D. von sozialen Strukturen sowie Prozessen beeinflusst werden und somit seine aktuelle Lebenssituation<br />
mitbestimmen. Auch seine situativen Bedingungen in der Phase C und D der neurologischen Rehabilitation<br />
und der damit verbundene Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik haben vermutlich Einfluss auf seine<br />
aktuelle Lebenssituation, insbesondere auf sein gegenwärtiges psychisches Befinden.<br />
Zu berücksichtigen ist, dass die Ergebnisse der Analyse der vorliegenden Arbeit auf die aktuelle<br />
Lebenssituation eines 77-Jährigen Hirninfarkt-Rehabilitanden zu diesem Zeitpunkt seiner neurologischen<br />
stationären Rehabilitation (Phase C und D) beschränkt sind. Damit konnten Valenzen, die sich erst nach<br />
der Rückkehr in sein häusliches Umfeld und gewohnten Sozialraum ergeben, nicht erfasst werden.<br />
Diesbezüglich könnten weitere Person-Umfeld-Analysen von W.D. neue Erkenntnisse und zusätzliche<br />
Ressourcen sowie Barrieren in seinem Lebensraum nachweisen. In diesem Zusammenhang könnten<br />
kontrastierende Vergleiche zwischen den verschiedenen Analysezeitpunkten, Entwicklungen im Lebens-<br />
und Krankheitsverlauf von W.D. aufzeigen, die eine mögliche Vorhersage zukünftiger Konflikte und<br />
damit die Ableitung von präventiven Interventionsmaßnahmen ermöglichen.<br />
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