PUA - Prof. Dr. med. Andreas Zieger
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2. Theoretische Grundlagen – Teil I<br />
Inhaltlich distanziert sich Lewin mit seiner Feldtheorie aus wissenschaftstheoretischer Perspektive vom<br />
aristotelischen Kausalitätsbegriff, der einen Ursache-Wirkungszusammenhang von zwei zeitlich aufein-<br />
anderfolgenden Aspekten (auf a (t₁) folgt b (t₂)) erklärt (vgl. ebd., S. 20). Stattdessen betrachtet er<br />
Wirkungszusammenhänge als geschlossene Systeme und die Wirkungen stets im Systemzusammenhang<br />
(vgl. ebd.). Die Person und ihre Umwelt bilden in Lewins Theorie ein interdependentes und dynamisches<br />
System beziehungsweise das empirische Konstrukt eines Feldes (vgl. ebd., S. 28). Das Feld besteht aus<br />
einer Anzahl von systemisch variierten Situationen, woraus Vorhersagen über das Verhalten einer<br />
Person in einer bestimmten Situation gemacht werden sollen (vgl. ebd., S. 30-31). Daraus ergeben sich<br />
die beiden grundlegenden Sätze der lewinschen Feldtheorie (vgl. 1963, S. 69):<br />
1. Das Verhalten einer Person muss aus einer Gesamtheit der gegebenen Tatsachen im Feld<br />
abgeleitet werden.<br />
2. Diese Tatsachen sind insofern als ein dynamisches Feld aufzufassen, als der Zustand jedes<br />
Teils eines Feldes von jedem anderen Teil abhängt.<br />
Aus diesen beiden Grundsätzen leitet Lewin die allgemeine Annahme seiner Feldtheorie ab, nach der<br />
das Verhalten (V) eine Funktion der Person (P) und der Umwelt ist (V = F (P, U)), wobei P und U<br />
wechselseitig abhängige Größen sind (vgl. ebd.). In Anbetracht dieser Funktion wird deutlich, dass<br />
Lewin der Überzeugung ist, dass die psychologische Analyse des Verhaltens einer Person an der<br />
individuellen Welt dieses Menschen ansetzen muss (vgl. Lohr, 1963, S. 23). Diese individuelle Welt<br />
eines Menschen ist sein jeweiliger Lebensraum (vgl. ebd.).<br />
Der Lebensraum umfasst die Gesamtheit aller psycho-biologischen Bedingungen sowie außerpsycho-<br />
logische Gesetze der Physik, Soziologie und Ökonomie, insoweit diese das Verhalten einer Person zu<br />
einem bestimmten Zeitpunkt bewusst oder unbewusst beeinflussen (vgl. ebd., S. 31). Dieser Raum einer<br />
Person gilt auch als „äußere Hülle“, die in sich geschlossen, allerdings umweltoffen ist (vgl. ebd.). Die<br />
Person tritt mit dieser „äußeren Hülle“ über das Sensorium (Gesamtheit aller Sinne) und das Motorium<br />
(Gesamtheit aller Handlungen) in Kontakt (vgl. ebd., S. 32). Der Punkt des Kontaktes markiert zugleich<br />
die Grenzzone zwischen Person und Umwelt (vgl. ebd.).<br />
Zur Analyse des Verhaltens einer Person in ihrem Lebensraum zu einem bestimmten Zeitpunkt,<br />
bedient sich Lewin an folgenden formalen Erklärungssystemen (vgl. ebd. S. 23-26):<br />
1. Topologie ist eine mathematische Disziplin, die sich ausschließlich mit den qualitativen<br />
Lageverhältnissen von Regionen und Verbindungsweisen zwischen diesen Regionen beschäftigt.<br />
2. Vektoren sind psychologische Kräfte die im Lebensraum bestehen und das Verhalten einer<br />
Person in Bezug auf ihre Bedürfnisse sowie Ziele bestimmen.<br />
3. Hodologie ist der Raum der ausgezeichneten Wege einer Person in einer topologischen<br />
Struktur, ausgehend von der gegenwärtigen Tätigkeitsregion im Lebensraum, hin zum Ziel.<br />
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