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Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...

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Zusammenhang zwischen sozioökono -<br />

mischem Status <strong>und</strong> Belastungseinschätzung<br />

Drittelt man die tatsächlich erreichten<br />

AdressatInnen nach ihrem sozioöko no mischen<br />

Status, so fällt auf, dass das mitt lere<br />

<strong>und</strong> obere Drittel von den Mit ar bei terIn -<br />

nen der <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> im Erst ge spräch<br />

etwa gleich (gut) ein ge schätzt wer den,<br />

die Problem- bzw. Risiko zu schrei bungen<br />

sich im unteren Drittel jedoch ballen.<br />

Es mag sein, dass diese soziale Selektion<br />

der Einschätzung tatsächlich in der Wirklichkeit<br />

der Fa milien begründet ist. Aller -<br />

dings ist in dieser Hinsicht durchaus<br />

interessant, dass diese Einschätzung we -<br />

niger mit Blick auf unmittelbar sichtbare<br />

bzw. prüf bare Aspekte gilt, wie etwa die<br />

Ges<strong>und</strong> heits situation des Kindes <strong>und</strong><br />

dessen körper liche Erscheinung <strong>und</strong> Ver -<br />

sorgungsgrad oder auch das Inter aktions -<br />

verhalten, die Fürsorglichkeit <strong>und</strong> Auf -<br />

merksamkeit gegenüber dem Kind.<br />

Die Unterschiede finden sich vor al lem<br />

auf der Ebene von vermuteten Wis sens -<br />

beständen <strong>und</strong> Motiv zuschrei bungen.<br />

Kenntnisse in Versorgung <strong>und</strong> Erziehung<br />

werden ebenso signifikant schlechter eingeschätzt<br />

wie der psychische Zustand<br />

<strong>und</strong> die Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit<br />

<strong>und</strong> die Initiative der Eltern. Signifikant<br />

häufiger werden eine (allgemein) mangeln<br />

de Betreuungssituation sowie eine<br />

Überforderung <strong>und</strong> ein Bedarf an prak -<br />

tischer Unterstützung festgestellt. Vor<br />

allem die abstrakte Frage nach der Gesamt -<br />

gefährdung fällt deutlich <strong>und</strong> statistisch<br />

signifikant zu ungunsten des sozioökonomisch<br />

niedrigsten Drittels der Adres -<br />

satIn nen aus. Auch eine Einzel fallhilfe<br />

wird deutlich häufiger für diese Gruppe<br />

eingeleitet. In der Befragung der Eltern<br />

selbst fanden sich diese Differen zen<br />

bemerkenswerterweise nicht. Weder die<br />

allgemeine parentale Kompetenz über -<br />

zeugung der Befragten noch ihre entwick -<br />

lungs-, beziehungs- oder ges<strong>und</strong>heits -<br />

bezogene Kompetenzüberzeugung, noch<br />

das Ausmaß ihrer Freude am, ihrer Ver -<br />

b<strong>und</strong>enheit mit oder ihrer Aggression<br />

gegenüber dem Kind, noch ihre Tendenz<br />

zur Rollenumkehr oder das Maß, in<br />

dem sie über Stress <strong>und</strong> Überforderung<br />

in der Erziehung berichten, korrelieren<br />

mit dem Sozialstatus der Befragten (<strong>und</strong><br />

auch nicht mit ihrem Familienstand, z.B.<br />

als alleinerziehende Mutter). Dies scheint<br />

nicht nur ein Ergebnis dieser Studie zu<br />

sein. Auch auf Basis der Daten aus einer<br />

14<br />

Zielgruppen, Zugänge <strong>und</strong> Wirksamkeit<br />

repräsentativen Untersuchung der Bevöl -<br />

kerung, dem sozioökonomischen Panel<br />

(SOEP), kann, wenn überhaupt, nur von<br />

einem geringen Unterschied des gr<strong>und</strong> -<br />

legenden Erziehungs-, Versor gungs- <strong>und</strong><br />

Interaktionsverhaltens von Eltern von<br />

zwei- <strong>und</strong> dreijährigen Kindern entlang<br />

sozioökonomischer Parameter die Rede<br />

sein (vgl. Volkert/Wüst 2009). Es wäre<br />

durchaus ein interessantes eigenständiges<br />

Projekt, der Differenz zwischen diesen<br />

Bef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> den fachlichen Einschät -<br />

zungen der MitarbeiterInnen in den<br />

Projekten intensiver nachzugehen.<br />

Diskussion<br />

Es stellt sich jedenfalls die Frage, wie die<br />

Fachkräfte in den untersuchten An ge bo ten<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Hilfen</strong> zu ihren Ein schät zun gen<br />

kommen <strong>und</strong> ob sie dabei be stimmte Infor -<br />

mationen über die Fa milien über- bzw.<br />

un ter bewerten. Es ist, wie ausgeführt, schwer<br />

zu sagen, ob die Ein schätzung der Fach -<br />

kräfte, dass die Familien in der Gruppe<br />

mit niedrigstem sozioökonomischen Status<br />

über geringere Erziehungs- <strong>und</strong> Für sorge -<br />

kom pe ten zen verfügen, auf objektive Fak -<br />

toren oder auf Zuschreibungen <strong>und</strong> Stig matisierung<br />

zurückzuführen ist. Evident ist,<br />

dass sich Armut <strong>und</strong> deprivierte Lebens -<br />

verhält nis se nicht eben günstig auf fami liale<br />

Situ a tionen <strong>und</strong> das Auf wachsen von<br />

Kin dern auswirken. Aller dings zeigen For -<br />

schungs ergebnisse, dass (relative) Armut<br />

für sich genommen kaum das Risiko er höht,<br />

dass Eltern das Wohl ihres Kindes jemals<br />

ge fährden. Die Zahl der von Armut be troffenen<br />

Familien ist groß, <strong>und</strong> die meisten<br />

Eltern vernachlässigen oder misshandeln<br />

ihre Kinder selbstverständlich nicht. Doch<br />

besteht in der Praxis unter Um ständen<br />

die Gefahr, bei Familien mit niedrigem<br />

sozio ökono mischen Status vorschnell <strong>und</strong><br />

un reflektiert auch gleichzeitig von einer<br />

Hoch belas tung <strong>und</strong> daran gekoppelt von<br />

einer geringen Erzie hungs- <strong>und</strong> Fürsorge -<br />

kom petenz auszugehen. Die Frage nach<br />

refle xiver Professionalität stellt sich auch in<br />

dieser Hinsicht im Feld der <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong>.<br />

In der Diskussion wurde hervorgehoben,<br />

dass der vermutete Zusammenhang von<br />

niedrigem sozioökonomischem Sta tus <strong>und</strong><br />

hoher Risikobelastung eventuell dazu führen<br />

kann, dass sich Angebote zu schnell auf<br />

arme Familien konzentrieren. Es ist davor<br />

zu warnen, <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> auf Familien<br />

mit niedrigem sozioökono mischem Status<br />

zu beschränken <strong>und</strong> Mittel schichtsfamilien<br />

IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />

aus dem Blick zu verlieren. In der Praxis<br />

sei zu beobachten, dass es diesen häufig nur<br />

besser gelänge, ihre Probleme nach außen<br />

hin zu verschleiern <strong>und</strong> sozial erwünschtes<br />

Verhalten an den Tag zu legen. Nur in<br />

Angeboten, die sich über einen längeren<br />

Zeitraum erstrecken, wie beispielsweise<br />

Mutter-Kind-Gruppen, könnten auch solche<br />

anfänglich verdeckten Probleme mit der<br />

Zeit erkannt werden.<br />

Selbst- <strong>und</strong> Fremdeinschätzung<br />

von Belastungen<br />

Belastungsgrad<br />

Zwischen den dokumentierten Risiko -<br />

einschätzungen in den <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong><br />

<strong>und</strong> denen der befragten Eltern findet<br />

sich insgesamt kein signifikanter Zusam -<br />

menhang. Dies liegt aber nicht darin<br />

begründet, dass die Eltern ein übermäßig<br />

positives Bild von ihrer Situation zeichnen<br />

würden. Im Gegenteil, tendenziell<br />

schätzen die Eltern ihre Belastung <strong>und</strong><br />

Überforderung höher ein als die Mit ar beiterInnen<br />

in <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong>.<br />

Belastungsart<br />

Auf Basis der Angaben der Eltern<br />

(Selbstwahrnehmung) lassen sich mit hilfe<br />

eines statistischen Verfahrens (Cluster -<br />

analyse) Gruppen subjektiv wahr ge -<br />

nomme ner Belastungen bilden (siehe<br />

Ab bildung 2).<br />

Die Gruppen, die sich auf Basis der<br />

Risikodokumentationen der Fachkräfte in<br />

den <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> (Fremd wahr neh mung)<br />

ergeben, zeigt Abbildung 3.<br />

Die Belastungseinschätzungen von<br />

Eltern <strong>und</strong> Fachkräften weichen deutlich<br />

voneinander ab. Die dabei festzustellenden<br />

Konvergenzen (Übereinstimmungen)<br />

<strong>und</strong> Divergenzen (Unterschiede) der<br />

Ein schätzungen sind in Abbildung 4<br />

dargestellt.<br />

Insgesamt erleben sich mehr als zwei<br />

Drittel der befragten Eltern als hoch<br />

belastet bzw. überfordert, während für die<br />

Fachkräfte nur bei einem guten Drittel<br />

der Familien in den Angeboten Belas tun -<br />

gen gesehen werden. In beinahe der Hälf -<br />

te der Fälle stimmen die Ein schät zun gen<br />

der Eltern <strong>und</strong> Fachkräfte nicht überein.<br />

So geben 42,1 % der be fragten Eltern,<br />

bei denen die Fachleute nicht von einer<br />

vorliegenden Überforderung ausgehen,<br />

selbst eine hohe Belastung bzw. eine

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