Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
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hintergr<strong>und</strong> an allen Minder jährigen<br />
ent spricht. Familien mit Mi grations hin -<br />
tergr<strong>und</strong> sind in diesem Zu sam menhang<br />
somit weder über- noch unterrepräsentiert.<br />
Es besteht kein Un ter schied zu Fa mi -<br />
lien ohne Migra tions hin tergr<strong>und</strong>. Ein<br />
bis zwei Prozent der bis 18-Jährigen im<br />
Jahr 2008 in den Projekt bezirken wurden<br />
zu einem <strong>Kinderschutz</strong> verdachtsfall.<br />
Betrachtet man die Lebenssituation<br />
der Familien, zu denen eine Gefähr dungs -<br />
meldung einging, so zeigt sich, dass diese<br />
in Familien mit <strong>und</strong> ohne Migrations -<br />
hintergr<strong>und</strong> gleichermaßen prekär ist.<br />
So sind Familien, die Arbeits losengeld II<br />
beziehen, alleinerziehende, kinderreiche<br />
<strong>und</strong> bildungsbenachteiligte Familien<br />
sowie Familien mit bei der Geburt der<br />
Kinder minderjährigen Müttern überdurchschnittlich<br />
häufig vertreten.<br />
Die Altersverteilung der Kinder -<br />
schutz verdachtsfälle sieht wie folgt aus:<br />
25 % der von der Meldung betroffenen<br />
Kinder sind unter drei Jahre alt. 18 %<br />
sind zwischen drei <strong>und</strong> unter sechs Jahre,<br />
30 % sind sechs bis unter zwölf Jahre,<br />
27 % sind zwölf bis achtzehn Jahre alt.<br />
Die Altersverteilung der Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendlichen mit <strong>und</strong> ohne Migrations -<br />
hintergr<strong>und</strong> ist ähnlich. Es zeigt sich,<br />
dass <strong>Kinderschutz</strong> ein Thema aller Al ters -<br />
stufen ist. Einen verstärkten Fokus im<br />
Sinne der <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> zu legen ist<br />
bedeutsam, allerdings muss auch der Blick<br />
auf den <strong>Kinderschutz</strong> bei Jugend lichen<br />
gestärkt werden, der bislang in der fachlichen<br />
Debatte wenig Beachtung findet.<br />
Infolge der Einschätzung der Situ ation<br />
in <strong>und</strong> mit der Familie seitens des Ju -<br />
gendamtes wurde in 37 % der Fälle<br />
keine Kindeswohlgefährdung festgestellt.<br />
In 25 % der Fälle wurde eine Kindes -<br />
wohl gefährdung eindeutig bejaht, in<br />
38 % der Fälle konnte eine Kindes wohl -<br />
gefährdung nicht ausgeschlossen werden.<br />
Gerade die letzte Zahl verweist auf die<br />
Bedeutung der Prozesshaftigkeit der<br />
Einschätzung. Hilfebedarfe werden in<br />
vielen dieser Fälle sichtbar. Ob jedoch<br />
die Grenze zur Kindeswohlgefährdung<br />
überschritten ist bzw. durch Unter stüt -<br />
zung abgewendet werden kann, muss im<br />
Verlauf weiter beobachtet werden.<br />
In den Fällen, in denen die Einschätzung<br />
der Kindeswohlgefährdung eindeutig<br />
be jaht wurde, zeigen sich keine nennens-<br />
werten migrationsspezifischen Unter -<br />
schie de. Allerdings verschieben sich in<br />
der migrationsdifferenzierten Betrach tung<br />
die Anteile der eindeutig auszuschließenden<br />
Gefährdung zur nicht auszuschließenden<br />
Gefährdung. Der Anteil der Fälle<br />
bei Familien mit Migrations hintergr<strong>und</strong>,<br />
bei denen eine Kindes wohl gefährdung<br />
aus Fachkräfteperspektive nicht ausgeschlossen<br />
werden kann, liegt bei 43 %.<br />
Die Unsicherheit in der Ein schätzung<br />
differiert um fast zehn Prozent zwischen<br />
Familien mit <strong>und</strong> ohne Migra tions hin ter -<br />
gr<strong>und</strong>. Vor allem bei Jugend lichen wird<br />
anteilig am häufigsten eine Kindes wohl -<br />
gefährdung nicht ausgeschlossen.<br />
Geht man der Frage nach, aus wie<br />
vielen <strong>Kinderschutz</strong>verdachtsmeldungen<br />
im Zuge oder in Folge des Prozesses der<br />
Risikoeinschätzung eine Hilfe zur Erzie -<br />
hung eingeleitet wird, so zeigt sich, dass<br />
dies in 51 % aller Fälle erfolgt. Kinder -<br />
schutz <strong>und</strong> <strong>Hilfen</strong> zur Erziehung stehen<br />
in engem Zusammenhang.<br />
In der Summe der Ergebnisse sind<br />
viele Gemeinsamkeiten der Zielgruppe<br />
von Familien mit <strong>und</strong> ohne Migrations -<br />
hintergr<strong>und</strong> im Kontext von Kindes -<br />
wohl gefährdungen erkennbar. Die pre -<br />
käre Lebenssituation der Mehrzahl der<br />
Familien ist das herausstechende Merk -<br />
mal in diesem Zusammenhang.<br />
Dennoch verweisen die Daten auf<br />
einige migrationsspezifische Aspekte.<br />
So lebt in gut jeder zehnten Familie mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> mindestens ein<br />
Elternteil in einer ungesicherten aufenthaltsrechtlichen<br />
Situation. Zugleich ist<br />
der Anteil der Fälle, bei dem diese Frage<br />
nicht beantwortet werden konnte, relativ<br />
hoch, sodass der reale Anteil wahrscheinlich<br />
noch höher einzuschätzen ist. Die<br />
sprachliche Verständigung wird als beson -<br />
dere Herausforderung in 17 % der Fa mi -<br />
lien mit Migrationshintergr<strong>und</strong> vonseiten<br />
der Fachkräfte benannt, d.h. in der überwiegenden<br />
Zahl der Fälle ist die sprach -<br />
liche Verständigung unproblematisch.<br />
Generell geben Fachkräfte an, dass sie in<br />
der Arbeit mit Familien mit Migrations -<br />
hintergr<strong>und</strong> im Kontext der Ein schät zung<br />
einer Kindeswohl gefähr dung oftmals Un -<br />
sicherheiten im Um gang mit den jungen<br />
Menschen <strong>und</strong> ihren Eltern aufgr<strong>und</strong><br />
des anderen kulturellen Hintergr<strong>und</strong>s<br />
empfinden.<br />
IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />
Zielgruppen, Zugänge <strong>und</strong> Wirksamkeit<br />
Schaffung eines migrationssensiblen<br />
kommunalen Gesamtkonzepts<br />
<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kinderschutz</strong><br />
Ausgangspunkt des verstärkten Auf<strong>und</strong><br />
Ausbaus <strong>Frühe</strong>r <strong>Hilfen</strong> war die in tensive<br />
Auseinandersetzung mit dem Thema<br />
<strong>Kinderschutz</strong>. <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> sind allerdings<br />
weit mehr als nur Maßnahmen zur<br />
Prävention von Kindeswohl gefähr dun gen.<br />
Durch die Schaffung <strong>und</strong> Aus weitung<br />
von Infrastruktur <strong>und</strong> Angebo ten für die<br />
Zielgruppe der unter Drei jäh rigen <strong>und</strong><br />
deren Eltern werden notwendige <strong>und</strong><br />
überfällige Entwicklungen im Gesamt -<br />
spektrum der <strong>Hilfen</strong> vollzogen. Durch<br />
eine stärker präventive Ausrich tung von<br />
Maßnahmen der Jugendhilfe <strong>und</strong> des<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesens <strong>und</strong> das früh zeitige<br />
Angebot von Hilfe sollen schwierige<br />
Familiensituationen verhindert bzw. ge -<br />
mildert werden. <strong>Frühe</strong> Hil fen haben somit<br />
eine eigenständige Existenz berech tigung<br />
im Gesamt spek trum der <strong>Hilfen</strong>.<br />
Damit <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> ihre Potenziale<br />
entfalten können, ist es wichtig, sie so -<br />
wohl bei der konzeptionellen Entwick lung<br />
als auch im Rahmen der Umset zung in<br />
einem kommunalen Gesamt konzept zu<br />
verorten. Innerhalb dieses Konzepts ist es<br />
bedeutsam sicherzustellen <strong>und</strong> zu überprüfen,<br />
inwiefern Familien mit Migra tionshintergr<strong>und</strong><br />
ausreichend angesprochen<br />
<strong>und</strong> erreicht werden. Damit dies f<strong>und</strong>iert<br />
erfolgen kann, braucht es ein migrationssensibles<br />
Daten konzept für die Jugend -<br />
hilfe planung, welches sozialräumliche Be -<br />
darfe deutlich werden lässt, Fragen nach<br />
Zugangs barrie ren in einzelnen Hilfe -<br />
segmenten beantworten <strong>und</strong> Fort schritte<br />
der interkulturellen Öffnung nachvollziehbar<br />
machen kann. Vor dem Hinter -<br />
gr<strong>und</strong> eines solchen Daten kon zepts kann<br />
begründet entschieden werden, in welchen<br />
(sozial benachteiligten) Sozial räu men<br />
niedrigschwellige Unter stützungs struk tu -<br />
ren <strong>und</strong> Angebote im Kontext <strong>Frühe</strong>r<br />
<strong>Hilfen</strong> vordringlich auf- <strong>und</strong> ausgebaut<br />
werden sollten.<br />
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