Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Désirée Frese<br />
Unter dem Schlagwort »<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong>«<br />
werden sowohl Initiativen zur besseren<br />
Koordination der interdisziplinären Zu -<br />
sam menarbeit der Hilfesysteme (soziale<br />
Frühwarnsysteme) als auch eine Band -<br />
breite diverser Angebote verstanden, die<br />
Familien frühzeitig in den ersten Lebens -<br />
jahren des Kindes <strong>und</strong>/oder vor der<br />
Verfestigung einer Risikosituation helfen<br />
sollen. Gemeinsam ist diesen Initiativen<br />
das Ziel, in Analogie zur (Verkehrs-)Am -<br />
pel nicht erst bei Rot (Krise), sondern<br />
»bereits im Vorfeld tätig zu werden <strong>und</strong><br />
Probleme in ihrem Entstehungs prozess,<br />
d.h. im Übergang von Grün (›Normal -<br />
zustand‹) nach Gelb bzw. bei Gelb<br />
(um fassenderer Unter stützungs bedarf) zu<br />
erkennen <strong>und</strong> zu bearbeiten« (vgl. Nord -<br />
rhein-Westfalen, Ministerium für Ge -<br />
nerationen, Familie, Frauen <strong>und</strong> Inte gra -<br />
tion 2005, S. 8). Das Feld der <strong>Frühe</strong>n<br />
<strong>Hilfen</strong> befindet sich derzeit noch in einer<br />
Entwicklungsphase, in der Theo rie <strong>und</strong><br />
Praxis auf der Suche nach einer Begriffs -<br />
bestimmung der »<strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong>« sowie<br />
ihrer praktischen Aus gestaltung <strong>und</strong><br />
Abgrenzung von anderen Hilfeformen<br />
sind.1 Im Fol genden soll die Definition<br />
der <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> des Nationalen Zen -<br />
trums als Orientierung dienen:<br />
»<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> bilden lokale <strong>und</strong> regionale<br />
Unterstützungssysteme mit koordinierten<br />
Hilfsangeboten für Eltern <strong>und</strong> Kinder<br />
ab Beginn der Schwangerschaft <strong>und</strong> in den<br />
ersten Lebensjahren mit einem Schwer -<br />
punkt auf der Altersgruppe der 0- bis 3-<br />
Jährigen […] <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> umfassen vielfältige<br />
sowohl allgemeine als auch spezi -<br />
fische, aufeinander bezogene <strong>und</strong> einander<br />
ergänzende Angebote <strong>und</strong> Maßnahmen.<br />
Gr<strong>und</strong>legend sind Angebote, die sich an<br />
alle (werdenden) Eltern mit ihren Kindern<br />
im Sinne der Ges<strong>und</strong>heitsförderung richten<br />
(universelle/primäre Prävention). Darüber<br />
hinaus wenden sich <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> insbesondere<br />
an Familien in Problemlagen (selek -<br />
tive/sek<strong>und</strong>äre Prävention). <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />
tragen in der Arbeit mit den Familien<br />
dazu bei, dass Risiken für das Wohl <strong>und</strong><br />
die Entwicklung des Kindes frühzeitig<br />
wahrgenommen <strong>und</strong> reduziert werden.<br />
Wenn die <strong>Hilfen</strong> nicht ausreichen, eine<br />
Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden,<br />
sorgen <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> dafür, dass weitere<br />
Maßnahmen zum Schutz des Kindes er -<br />
grif fen werden. <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> basieren vor<br />
allem auf multiprofessioneller Koope ration,<br />
beziehen aber auch bürgerschaftliches<br />
Engagement <strong>und</strong> die Stärkung sozialer<br />
Netzwerke von Familien mit ein. Zentral<br />
für die praktische Umsetzung <strong>Frühe</strong>r<br />
Hil fen ist deshalb eine enge Vernetzung<br />
<strong>und</strong> Kooperation von Institutionen <strong>und</strong><br />
Ange boten aus den Bereichen der Schwan -<br />
ger schaftsberatung, des Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />
der interdisziplinären Frühförderung, der<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe <strong>und</strong> weiterer<br />
sozialer Dienste« (vgl. <strong>Nationales</strong> Zentrum<br />
<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> 2010; eigene Hervorhebung).<br />
So kann eine <strong>Frühe</strong> Hilfe beispielsweise<br />
die Durchführung eines Begrü ßungs -<br />
besuchs einer Familie bei der Ge burt<br />
eines Kindes beinhalten, die erfolgreiche<br />
Weitervermittlung einer Familie durch<br />
eine Kinderarztpraxis an eine ko ordi nie -<br />
rende Präventions- oder Clea ring stelle,<br />
einen Elternbildungskurs zur Stär kung<br />
der Erziehungskompetenz in einer Fa mi -<br />
lienbildungsstätte oder auch eine Er zie -<br />
hungsberatung nach § 28 SGB VIII.<br />
An dieser Bandbreite der Angebote ist<br />
erkennbar, dass die <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> von<br />
unterschiedlichen Profes sio nen, in verschiedenen<br />
Hilfesystemen <strong>und</strong> unter<br />
jeweils anderen rechtlichen Rah men be -<br />
din gungen erbracht werden.<br />
Fallkonstellationen <strong>und</strong><br />
Handlungsschritte bei Nicht-Annahme<br />
einer <strong>Frühe</strong>n Hilfe<br />
So unterschiedlich die Ausgangs be -<br />
dingungen <strong>und</strong> die Akteure der <strong>Frühe</strong>n<br />
<strong>Hilfen</strong> sind, so kennzeichnend ist für<br />
diesen Bereich, dass die <strong>Hilfen</strong> freiwillig<br />
von den Personensorgeberechtigten angenommen<br />
werden. Für die Praktiker stellt<br />
sich dabei häufig die Frage, was sie tun<br />
können, wenn ein solches freiwilliges<br />
Hilfsangebot von der Familie nicht an -<br />
genommen wird, insbesondere wenn sie<br />
IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />
Schnittstellen <strong>und</strong> Übergänge<br />
Welche Handlungsschritte sind geboten, wenn Eltern trotz erkennbarer<br />
Belastungen ein Angebot der <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> nicht annehmen?<br />
durchaus Belastungen beobachten, die<br />
im Rahmen einer Hilfe aufgefangen werden<br />
könnten. Prinzipiell ist auf den ers ten<br />
Blick die Antwort einfach: Die Fach kräf -<br />
te besitzen aufgr<strong>und</strong> der Frei willig keit<br />
der Angebote keine anderen Hand lungs -<br />
optionen, als weiter Kontakt <strong>und</strong> Bera -<br />
tung anzubieten. Bei genauerer Betrach -<br />
tung ergeben sich allerdings im Fall einer<br />
»Nicht-Annahme eines An ge bots <strong>Frühe</strong>r<br />
<strong>Hilfen</strong>« je nach Ausgangs situation des<br />
Kindes bzw. der Familie unterschiedliche<br />
Handlungs schritte. Je nach Ausgangslage<br />
des Falles »Nicht-An nahme einer <strong>Frühe</strong>n<br />
Hilfe« sind somit abhängig von der<br />
Einschätzung der Lebens situation <strong>und</strong> des<br />
Zustandes des Kin des andere Schritte <strong>und</strong><br />
Übergänge zu organisieren.<br />
Um den Fall einzuschätzen, müssen<br />
die Fachkräfte, die in Kontakt mit den<br />
Familien stehen, in der Risiko einschät zung<br />
<strong>und</strong> der Gewichtung der Indikatoren der<br />
Lebenssituation des Kindes <strong>und</strong> der Fa -<br />
milie geschult sein, sodass sie entscheiden<br />
können, ob <strong>und</strong> wenn ja, welche <strong>Hilfen</strong><br />
notwendig <strong>und</strong> geeignet sind. Dies er -<br />
fordert eine entsprechende Per so nal beset -<br />
zung, entsprechende Qualifizie rungen<br />
<strong>und</strong>/oder Möglich keiten für Fach kräfte,<br />
die über kein vertieftes Fach wissen zur<br />
Risikoeinschätzung verfügen (z.B. Kin derärztInnen,<br />
Hebam men etc.), sich bei<br />
entsprechenden Stellen umgehend beraten<br />
zu lassen. Die Kontakt auf nahme zu den<br />
Familien <strong>und</strong> ggf. eine Hilfediagnose<br />
<strong>und</strong> -vermittlung könnte ebenfalls über<br />
diese Stellen erfolgen (z.B. Clearing stel len<br />
oder Koordina tions stellen im Rah men<br />
<strong>Frühe</strong>r <strong>Hilfen</strong>, ASD im Rah men der er -<br />
zieherischen <strong>Hilfen</strong> nach § 27 ff SGB VIII).<br />
Zum an deren geht es immer um die Ge -<br />
win nung der Eltern für eine Hilfe an nah -<br />
me. Meh rere Autoren weisen darauf hin,<br />
wie förderlich für die Beratung zu einer<br />
Hilfe der Aufbau einer vertrauens vollen<br />
Bezie hung zwischen HelferIn <strong>und</strong> KlientIn<br />
1 Vgl. Reinhold Schones Beitrag zur Differenzierung<br />
<strong>und</strong> Klärung der Begriffe »<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong>«<br />
<strong>und</strong> »Schutzauftrag bei Kindeswohl gefährdung«<br />
in diesem Heft.<br />
63