Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
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Elternteils aus. Damit wird eine sicherlich<br />
wichtige, aber doch sehr spezifische Le -<br />
benssituation »junger« Eltern(teile) erfasst.<br />
§ 27 ff: Hilfe zur Erziehung<br />
Die Hilfe zur Erziehung nach § 27<br />
mitsamt den in §§ 28–35 geregelten<br />
Hilfetypen ist – nach der Förderung von<br />
Kindern in Tageseinrichtungen <strong>und</strong> in<br />
Tagespflege – die statistisch gesehen am<br />
häufigsten gewährte Hilfeart. Dabei rangiert<br />
die Erziehungsberatung ganz vorne.<br />
Legt man die Folie »<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong>« über<br />
den Leistungstatbestand der Hilfe zur<br />
Erziehung, so finden sich durchaus An -<br />
knüpfungspunkte bzw. teilweise Übereinstimmungen.<br />
Vorab ist zu konstatieren,<br />
dass die Hilfe zur Erziehung als einklagbarer<br />
Rechtsanspruch ausgestaltet ist,<br />
was aufseiten der für die Gewährleistung<br />
der Angebote verantwortlichen Jugend -<br />
ämter dazu führt, dass ein breites Spek -<br />
trum von <strong>Hilfen</strong> zur Erziehung verfügbar<br />
ist <strong>und</strong> andererseits die Möglich keit<br />
eröffnet wird, verweigerte Leis tun gen<br />
gerichtlich einzuklagen. Gleichzeitig ist<br />
jedoch darauf hinzuweisen, dass die im<br />
Einzelfall geeignete <strong>und</strong> erforderliche<br />
Hilfe sich nicht ohne Weiteres aus einem<br />
Blick ins Gesetz ergibt, sondern erst im<br />
konkreten Einzelfall – gemeinsam –<br />
ermittelt wird. Damit sind auch einer<br />
gerichtlichen Einklagbarkeit Grenzen<br />
gesetzt, da die gerichtliche Entscheidung<br />
das Jugendamt zwar zu einer neuen<br />
Bedarfs feststellung verpflichten, dessen<br />
fachliche Entscheidung aber nicht einfach<br />
ersetzen kann.<br />
Eine erste Restriktion ergibt sich im<br />
Hinblick auf den Kreis der anspruchs -<br />
berechtigten Personen: Hilfe zur Erzie hung<br />
steht den Personensorgeberechtigten zu,<br />
setzt also die Geburt eines Kindes voraus<br />
<strong>und</strong> bezieht damit vorgeburtliche Hilfe<br />
nicht mit ein.<br />
Hinzuweisen ist im Hinblick auf die<br />
Zielsetzung <strong>Frühe</strong>r <strong>Hilfen</strong> auch auf die<br />
in § 27 normierten Voraussetzungen für<br />
die Gewährung von <strong>Hilfen</strong> zur Erzie hung.<br />
Zwar hat der Gesetzgeber bewusst eine<br />
Schwelle gewählt, die unterhalb der<br />
der Kindeswohlgefährdung nach § 1666<br />
BGB liegt, war es doch seine Absicht,<br />
durch frühzeitige <strong>Hilfen</strong> eine Zuspitzung<br />
der Gefahrensituation <strong>und</strong> damit ggf.<br />
sorgerechtliche Maßnahmen nach § 1666<br />
BGB zu vermeiden. Insoweit hat § 27<br />
34<br />
Strukturen <strong>und</strong> Finanzierung<br />
eine gegenüber der gerichtlichen Ent -<br />
schei dung nach § 1666 BGB präventive<br />
Funktion. Andererseits ist die Formu lie -<br />
rung »wenn eine dem Wohl des Kindes<br />
oder des Ju gendlichen entsprechende<br />
Erziehung nicht gewährleistet ist <strong>und</strong> die<br />
Hilfe für seine Entwicklung geeignet <strong>und</strong><br />
notwendig ist« sehr unterschiedlichen –<br />
extensiven <strong>und</strong> restriktiven – Interpreta -<br />
tionen zugänglich. Der damit eröffnete<br />
Gestal tungsspielraum wird häufig aus<br />
fiska lischen Motiven verengt. Inzwischen<br />
sind aus mehreren kommunalen Gebiets -<br />
kör per schaften offene <strong>und</strong> verdeckte An -<br />
wei sungen bekannt, in denen den Fach -<br />
kräf ten auferlegt wird, Hilfe zur Erzie hung<br />
(ggf. in stationärer Form) erst <strong>und</strong> nur<br />
dann zu gewähren, wenn das Kindes wohl<br />
gefährdet ist – eine offensichtlich rechtswidrige<br />
Anweisung. Aber auch eine recht -<br />
mäßige Auslegung der Leistungs vor aus -<br />
setzungen des § 27 wird in der Regel zur<br />
Konstruktion einer Schwelle führen, die<br />
für die mit »<strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong>« verb<strong>und</strong>enen<br />
Intentionen zu hoch erscheint. Dabei<br />
soll nicht in Ab rede gestellt werden, dass<br />
bestimmte Frühinterventions programme<br />
wie z.B. STEEP 2 (vgl. Deut scher Bun -<br />
des tag 2009, S. 183 ff, S. 189) durchaus<br />
auf dieser Schwelle angesiedelt sein können.<br />
Da der Leis tungs katalog der §§ 27 ff<br />
nicht abschließend ist, hätte die Praxis<br />
zudem bereits heute die Mög lichkeit,<br />
<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> als atypische Hil fen nach<br />
§ 27 zu gewähren.<br />
Hinzu kommt bei allen <strong>Hilfen</strong>, deren<br />
Gewährung die Feststellung eines indi -<br />
viduellen Bedarfs voraussetzt, das gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Verbot der Selbstbeschaffung.<br />
So statuiert § 36a den Gr<strong>und</strong>satz des<br />
Entscheidungsprimats des öffentlichen<br />
Trägers, eröffnet aber die »niedrigschwellige<br />
unmittelbare Inanspruchnahme von<br />
ambulanten <strong>Hilfen</strong> insbesondere der<br />
Erziehungsberatung«. Im Hinblick auf<br />
»<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong>« müsste deshalb genau<br />
untersucht <strong>und</strong> ggf. differenziert werden,<br />
welche einzelnen Hilfeformen für eine<br />
unmittelbare Inanspruchnahme offen -<br />
stehen <strong>und</strong> welche einer Entscheidung<br />
seitens des Jugendamts vorbehalten<br />
bleiben. Im letzteren Fall wäre der Hilfe -<br />
zugang durch bürokratische Hürden im<br />
Einzel fall erschwert, was ihre präventive<br />
Wir kung sicherlich beeinträchtigen würde.<br />
Zwischenfazit<br />
Dieser kursorische Gang durch verschie<br />
dene Leistungstatbestände des SGB<br />
VIII macht deutlich, dass verschiedene<br />
Bedarfe, die dem Komplex »<strong>Frühe</strong> Hil -<br />
fen« zugerechnet werden, bereits derzeit<br />
durch das Aufgabenspektrum der Kin -<br />
der- <strong>und</strong> Jugendhilfe abgedeckt werden;<br />
jedoch leidet die konkrete Verfügbarkeit<br />
der Leistungen vielfach darunter, dass<br />
der jeweilige Leistungstatbestand entweder<br />
auf sehr spezifische Fallkonstella tio nen<br />
zugeschnitten ist oder aber der Ge setz -<br />
geber bei der Erfüllung der Auf gabe den<br />
Trägern zwar einen breiten Gestal tungs -<br />
spielraum eingeräumt hat, der aber – vor<br />
allem in Zeiten knapper Kassen – nicht<br />
genutzt wird. Hinzu kommen auch bei<br />
solchen Leistungen, die der Gesetz geber<br />
als einklagbare Rechtsansprüche aus ge -<br />
stal tet hat, »Vollzugsdefizite«, die zum Teil<br />
auf rechtswidrige interne An wei sun gen<br />
zurückgehen <strong>und</strong> mitunter auch den<br />
Charakter von Rechts ver wei ge rung haben.<br />
Lösungsalternativen<br />
IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />
Zunächst könnte erwogen werden,<br />
einen eigenständigen Leistungstatbestand<br />
»<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong>« zu entwickeln. Dies wür de<br />
einerseits eine Typisierung von Hilfe -<br />
formen voraussetzen, die so noch nicht<br />
existiert <strong>und</strong> angesichts der unterschiedlichen<br />
Perspektiven <strong>und</strong> Ansätze wohl<br />
kaum erstrebenswert ist, bezieht sich der<br />
Begriff »<strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong>« doch in erster<br />
Linie auf eine »besondere Lebenslage«,<br />
nicht auf einen konkreten Leistungs -<br />
inhalt. Zudem würden bei einer solchen<br />
Typisierung beträchtliche Schnittmengen<br />
zu den bereits normierten Leistungs -<br />
tatbeständen im SGB VIII entstehen:<br />
Schließ lich würde die Verankerung eines<br />
solchen Hilfetypus im SGB VIII ver -<br />
leugnen, dass es sich dabei um eine die<br />
Sys tem grenzen überschreitende Hilfe -<br />
kate gorie handelt.<br />
2 STEEP ist ein Beratungs- <strong>und</strong> Frühinterventions -<br />
programm, das auf der Bindungstheorie basiert<br />
<strong>und</strong> in den USA entwickelt wurde. STEEP be -<br />
deutet »Steps toward effective and enjoyable<br />
parenting« (»Schritte hin zu gelingender <strong>und</strong><br />
Freude bereitender Elternschaft«).