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Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...

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Die Ursachen für die Probleme liegen<br />

dabei jedoch oft schon innerhalb der einzelnen<br />

Organisationen begründet, denn<br />

interorganisationale Kooperation setzt eine<br />

innerorganisationale Kultur der Zu sam -<br />

menarbeit voraus, die selbst oftmals brüchig<br />

ist. So wird immer wieder deutlich,<br />

wie das Zusammenwirken zwischen den<br />

Fachkräften schon in den Organisa tio -<br />

nen scheitert, weil die Anfor derungen an<br />

die jeweiligen Akteure unklar sind, die<br />

Ressource Team kaum strukturell genutzt<br />

wird <strong>und</strong> die Ent scheidungen oftmals<br />

auf die Absicherung des eigenen Han delns<br />

der Fachkräfte ausgerichtet sind (vgl.<br />

Biesel 2009). Es wird weiterhin deutlich,<br />

wie Kooperation <strong>und</strong> Vernet zung als<br />

Handlungsprinzipien von den lokalen<br />

Akteuren zwar stark angestrebt werden,<br />

aber diese nur unzureichend mit Hand -<br />

lungs- <strong>und</strong> Entschei dungs kom pe tenz<br />

sowie Ressourcen ausgestattet sind, <strong>und</strong><br />

wie sich Entschei dungs wege innerhalb<br />

von einzelnen Organisationen in vielen<br />

Fällen nicht mit den Kommuni ka tions -<br />

strukturen im einrichtungsübergreifenden<br />

Netzwerk vereinbaren lassen.<br />

Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung<br />

im kommunalen <strong>Kinderschutz</strong>system<br />

Wie steht es nun um die Netzwerke<br />

im kommunalen <strong>Kinderschutz</strong> in den am<br />

B<strong>und</strong>esmodellprojekt beteiligten Kom -<br />

mu nen? Hier zeigt sich, dass es etliche<br />

lokale <strong>und</strong> kommunale Initiativen gibt,<br />

die jedoch in Bezug auf ihre konzep tio -<br />

nelle Ausrichtung, ihre Ziele, ihre Inhalte<br />

<strong>und</strong> ihre Rahmenbedingungen meist<br />

noch auf der Suche sind. Zudem kollidieren<br />

neue Netzwerkbemühungen mit<br />

alten, <strong>und</strong> es besteht durchaus Orien -<br />

tierungsbedarf bezüglich des Wegs, den<br />

man beim Aufbau funktionierender lo -<br />

kaler <strong>Kinderschutz</strong>netzwerke gehen will.<br />

Auch bestehen Unsicherheiten in der<br />

lokalen Ausrichtung: Will man auf die<br />

gesamte Kommune oder auf sozialräumliche<br />

Quartiere abzielen? Ein Ver such<br />

besteht darin, Netzwerke auf kommunaler<br />

Ebene zu gründen <strong>und</strong> dann meistens<br />

in einer Top-down-Bewegung in der<br />

kommunalen Kinder schutzpraxis zu im -<br />

plementieren. Hierfür werden dann auch<br />

einige, wenngleich häufig nur ge ringe<br />

Ressourcen zur Verfügung gestellt, <strong>und</strong><br />

man versucht, vor allem Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendhilfe, Ges<strong>und</strong>heitshilfe, Polizei<br />

<strong>und</strong> Justiz daran zu beteiligen.<br />

In anderen Kommunen werden die<br />

Netz werke von den Verantwortlichen als<br />

lokale sozialräumliche Arbeits zusammen -<br />

hänge verstanden, die aus den bestehenden<br />

Gremien erwachsen <strong>und</strong> in denen<br />

gemein sam versucht wird, <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />

<strong>und</strong> an dere Leistungen zusammenzuführen<br />

so wie neue Ziele <strong>und</strong> Konzepte zu<br />

formu lieren. An dieser Stelle nehmen wir<br />

jedoch große Unsicherheiten <strong>und</strong> einen<br />

starken Orientierungsbedarf wahr, da es<br />

zwar vie lerlei gut gemeinte Intentionen<br />

zur Ko ope ration gibt, jedoch meist keine<br />

konzeptionelle Leitidee für den kommunalen<br />

<strong>Kinderschutz</strong> vorhanden ist, auf<br />

deren Gr<strong>und</strong>lage überhaupt eine Vernet -<br />

zung aufgebaut werden könnte. Hinzu<br />

kommt, dass die geplante Zusammen arbeit<br />

eben auch auf dieser Ebene der Netz wer -<br />

ke interessengeleitet, in spezi fi scher Form<br />

gewachsen <strong>und</strong> somit nicht konfliktfrei<br />

ist. Darüber hinaus fehlen vielerorts ausreichend<br />

Ressourcen, fachliches Knowhow<br />

<strong>und</strong> eine entsprechende Begleitung<br />

zum Aufbau dynamischer Netzwerke.<br />

Von großer Bedeutung ist vor allem<br />

die Tatsache, dass die Familien – die<br />

Nut zer der Angebote – in keinem der<br />

Netzwerke konzeptuell <strong>und</strong> konkret eine<br />

Rolle spielen. Es sind vielmehr ausschließlich<br />

professionelle Akteure beteiligt. Auch<br />

auf dieser Ebene wird das Fehlen eines<br />

ge meinsamen konzeptionellen Refe renz -<br />

punkts, einer Leitidee zur kommunalen<br />

<strong>Kinderschutz</strong>arbeit deutlich, aus der dann<br />

der Sinn einer ge mein samen Zusam men -<br />

arbeit im Kin der schutz erwachsen kann.<br />

Fazit: Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung<br />

als künftige Herausforderung<br />

Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung zur »Kindeswohlförderung«<br />

(vgl. Wolff 2010, S. 8)<br />

stellt sich nach unseren Erfahrun gen als<br />

Feld dar, das aufgr<strong>und</strong> der oben beschriebenen<br />

internen <strong>und</strong> externen Bedin gun gen<br />

derzeit stark in Bewegung ist. Das Po ten -<br />

zial zur Selbstorganisation als Gr<strong>und</strong> lage<br />

belastbarer Netzwerke im Kinder schutz<br />

ist jedoch sehr unterschiedlich aus ge prägt.<br />

Die Praxis der Koopera tion in den am<br />

Projekt beteiligten Kom mu nen ist einerseits<br />

vor allem durch bi- <strong>und</strong> trilateral<br />

ausgerichtete <strong>und</strong> stark auf persönlichen<br />

Kontakten basierende Be zie hun gen ge -<br />

kenn zeichnet. Anderer seits sind Netz -<br />

werke mit großen Erwartungen besetzt<br />

IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />

Strukturen <strong>und</strong> Finanzierung<br />

<strong>und</strong> sollen quasi top-down in der kommunalen<br />

<strong>Kinderschutz</strong>praxis umgesetzt<br />

werden. Bei dieser Form von Fremd steu -<br />

e rung wird deutlich, dass sich ein klares<br />

Verständnis der Zusammen arbeit zwischen<br />

den unterschiedlichen professio nel len<br />

<strong>und</strong> organisationalen Akteuren sowie eine<br />

Praxisstruktur der Kooperation erst entwickeln<br />

müssen. Kommunale Kinder -<br />

schutznetzwerke werden vielerorts gerade<br />

erst »erf<strong>und</strong>en«. Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

stark divergierender Praxisbedingungen<br />

insgesamt sind sie durch sehr unter schiedliche<br />

»Versuchs anordnungen« gekennzeich<br />

net; diese Trial-and-Error-Experi men -<br />

te hängen konzeptuell oft in der Luft.<br />

Besonders in Bezug auf die Angebote<br />

der <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> kommt es hier zu<br />

Brüchen. Denn in einer am Worst Case<br />

orientierten <strong>und</strong> vor allem auf Sicher stel -<br />

lung des Handelns der Fachkräfte <strong>und</strong><br />

an Konzepten der »Gefahren ab wehr«<br />

orientierten <strong>Kinderschutz</strong>praxis werden<br />

frühe <strong>und</strong> umfassende <strong>Hilfen</strong> nur punk -<br />

tuell entwickelt, nicht in eine ab ge stimm te<br />

Angebotsplanung einbezogen <strong>und</strong> somit<br />

nur unzureichend mit anderen Ange bo ten<br />

verknüpft. Insofern kommt es auch<br />

zwischen den im Aufbau befindlichen<br />

Netzwerken <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> einzelnen<br />

bereits bestehenden Arbeits kreisen zum<br />

Thema <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong> kaum zu Synergie -<br />

effekten, sondern vielmehr zu einer Pa -<br />

rallelität. Kommunale <strong>Kinderschutz</strong> praxis<br />

ist (noch) nicht von einer gemeinsam<br />

entwickelten kommunalen Kinder schutz -<br />

konzeption getragen, die auf einem tripolaren<br />

Kinder schutz ver ständ nis beruht,<br />

das das Wohl der Kinder <strong>und</strong> Jugend -<br />

lichen <strong>und</strong> der Eltern, aber auch das Ge -<br />

meinwohl in den Blick nimmt (vgl. Wolff<br />

2010). Insofern bleiben auch die Ver -<br />

knüp fun gen zwischen frühen <strong>und</strong> präven -<br />

tiven <strong>Hilfen</strong> <strong>und</strong> den Leistungen im<br />

Bereich des nachgehenden <strong>und</strong> se kun därpräventiven<br />

sowie tertiären helfenden<br />

<strong>Kinderschutz</strong>es brüchig.<br />

Für dieses wichtige <strong>und</strong> weite Feld der<br />

weiteren Professionalisierung des Kinder -<br />

schutzes besteht so gesehen eine ganze<br />

Reihe von Herausforderungen. Neben<br />

einer gr<strong>und</strong>legenden Erforschung der<br />

Praxis der Kooperation, über die erst wich -<br />

tige Wirkfaktoren, Probleme <strong>und</strong> mög -<br />

liche Steuerungserwartungen kritisch<br />

beleuchtet werden können, die mit dem<br />

Diskurs der Kooperation <strong>und</strong> Vernet zung<br />

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