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Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...

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Kamera sozial erwünscht handeln oder<br />

in der Interaktion verun sichert werden.<br />

Dem kann entgegnet werden, dass zu -<br />

mindest die Säuglinge sich einer Video -<br />

aufzeichnung nicht be wusst <strong>und</strong> damit<br />

nicht befangen sind. Durch eine an -<br />

schließende Befragung der Eltern kann<br />

festgestellt werden, wie sie die An wesen -<br />

heit der Kamera empf<strong>und</strong>en haben. Prin -<br />

zipiell sollte eine videogestützte Dia gnos -<br />

tik nicht zur Etikettie rung der Eltern<br />

<strong>und</strong> einer einseitigen Ursachen zu schrei -<br />

bung bei Beziehungs problemen führen.<br />

Sie sollte vielmehr dem Zweck dienen,<br />

konkrete Ansatz punkte für eine gezielte<br />

Beratung <strong>und</strong> Intervention zu liefern.<br />

Seit den 70er Jahren haben sich vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> von bindungstheo -<br />

retischen Bef<strong>und</strong>en zahlreiche Verfahren<br />

zur Einschätzung von elterlichen Bezie -<br />

hungs- <strong>und</strong> Erziehungs kompetenzen entwickelt.<br />

Auch wenn die älteren Verfahren<br />

zur Interaktionseinschätzung in ihrer<br />

ur sprünglichen Form nicht den Einsatz<br />

von Video vorsahen, so gehört er heute<br />

zum Durchführungsstandard <strong>und</strong> zur<br />

Schulung der Beobachter dazu. Zu den<br />

Verfahren, die die Qualität der Eltern-<br />

Kind-Interaktion erfassen, gehören beispielsweise<br />

die Ainsworth-Feinfühlig keits -<br />

skala (vgl. Ainsworth u.a. 1974), die<br />

Emotional Availability Scale (vgl. Birin gen<br />

1998), das AMBIANCE-Ver fahren (vgl.<br />

Lyons-Ruth u.a. 1999) <strong>und</strong> der CARE-<br />

Index (vgl. Crittenden 2006).<br />

Die genannten Verfahren unterscheiden<br />

sich in ihren Beurteilungs dimensio nen<br />

<strong>und</strong> darin, ob sie zusätzlich zum Ver hal ten<br />

der Eltern auch das Verhalten des Kin des<br />

bei der Auswertung berücksich tigen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich können diese Ver fah ren<br />

Tabelle 1: Verfahren zur videogestützten<br />

Interaktionsdiagnostik bei Kleinkindern<br />

Skala Feinfühligkeit<br />

Ainsworth u.a.<br />

1971<br />

Eltern<br />

Dimen sionen feinfühlig<br />

der<br />

Beurteilung<br />

Alter 0–30 Monate<br />

der Kinder<br />

58<br />

Schnittstellen <strong>und</strong> Übergänge<br />

von allen Fachkräften in der Ju gend- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitshilfe angewendet werden,<br />

sie setzen jedoch jeweils ein Trai ning mit<br />

einer anschließenden Prü fung der Be -<br />

obach tungszuverlässigkeit voraus. Eine<br />

zusammenfassende Dar stel lung der<br />

genannten Verfahren erfolgt in Tabelle 1.<br />

Im Folgenden wird exemplarisch der<br />

CARE-Index vorgestellt, da sich dieser<br />

als Screening-Instrument zur Risiko erfas -<br />

sung in Eltern-Kind-Interaktionen <strong>und</strong><br />

für die Einschätzung mütterlicher Fein -<br />

fühligkeit bei klinischen Stichproben fest<br />

in der Forschung etabliert hat.<br />

Ein Beispiel für videogestützte<br />

Diagnostik – Der CARE-Index<br />

Der CARE-Index wurde zur Identi -<br />

fizie rung früher Eltern-Kind-Beziehungs -<br />

muster entwickelt (vgl. Crittenden 2006).<br />

Eine Besonderheit des CARE-Index liegt<br />

in der klinischen Erfahrung der Autorin<br />

Patricia Crittenden u.a. als Leiterin eines<br />

Child Protection Teams, die in die Ent -<br />

wicklung des Verfahrens eingeflossen ist.<br />

Der CARE-Index ist ein dyadisches Ver -<br />

fahren, das die Qualität der Eltern-Kind-<br />

Interaktion von der Geburt bis etwa zum<br />

dritten Lebensjahr des Kindes erfasst. In<br />

einer neueren Untersuchung konnte die<br />

prinzipielle Anwendbarkeit des Verfah rens<br />

bis zum sechsten Lebensjahr nachgewiesen<br />

werden (vgl. Künster 2008; Künster<br />

u.a. 2010). Crittenden definiert fein füh -<br />

liges Verhalten als »jedes Verhal tens mus ter<br />

(im Spiel), das dem Kind gefällt, sein<br />

Wohl befinden <strong>und</strong> seine Aufmerk sam keit<br />

erhöht, <strong>und</strong> Belastetheit <strong>und</strong> Des interes se<br />

verringert« (vgl. Crittenden 2006). Fein -<br />

fühligkeit, wie sie mit dem CARE-Index<br />

gemessen wird, ist keine individuelle<br />

Eigenschaft, vielmehr cha rak terisiert sie<br />

Ambiance<br />

Lyons-Ruth, Bronfman, Parsons 1999<br />

Eltern<br />

Affektive Kommunikationsfehler<br />

Rollendiffusion/-umkehr<br />

Intrusivität<br />

desorientiertes/ängstliches Verhalten<br />

nicht responsives Verhalten / Rückzug<br />

12–18 Monate<br />

Emotional Availability<br />

Biringen 1998<br />

Eltern Kind<br />

feinfühlig responsiv<br />

strukturierend involvierend<br />

nicht intrusiv<br />

nicht feindselig<br />

3–40 Monate<br />

IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />

eine spezifische Bezie hung. Eingeschätzt<br />

werden feinfühliges, feindseliges <strong>und</strong><br />

nicht responsives Ver halten bei der Bezugs -<br />

person sowie ko ope ratives, überangepasstes,<br />

schwieriges oder passives Verhalten<br />

beim Kind. Beur teilt werden diese Ver -<br />

hal tensstile von Bezugsperson <strong>und</strong> Kind<br />

auf unterschiedlichen Ausdruckskanälen,<br />

die sowohl affektive Aspekte (Gesichts -<br />

aus druck, Tonfall, Körperhaltung <strong>und</strong><br />

Kör perkontakt, Gefühlsausdruck) als<br />

auch kognitive Aspekte (zeitliche Auf ein -<br />

anderfolge <strong>und</strong> die Kontingenz in der<br />

Interaktion wie abwechselndes Handeln,<br />

Steuerung der Aktivität, entwicklungsangemessene<br />

Aktivität) beinhalten. Insge samt<br />

reichen die Skalenwerte von 0 bis 14.<br />

Laut Crittenden gelten Werte von 5 bis 6<br />

als Hinweis für die Notwendigkeit einer<br />

Beratung der Eltern, Werte von 3 bis 4<br />

als Hinweis für eine nötige Inter vention<br />

<strong>und</strong> Werte von 0 bis 2 legen eine Psy chotherapie<br />

der Bezugsperson nahe. Critten -<br />

den konnte in mehreren Studien nachweisen,<br />

dass ein signifikanter Zu sam menhang<br />

zwischen den Mutter-Skalen im<br />

CARE-Index (Feinfühligkeit, Kon trolle<br />

<strong>und</strong> Nicht-Feinfühligkeit) <strong>und</strong> Miss handlung<br />

bzw. Vernachlässigung der Kinder<br />

be steht (Alter der Kinder: 1 bis 24 Mo -<br />

nate) (vgl. Crittenden 1985; Crittenden<br />

1981). Dasselbe zeigte sich ebenfalls be -<br />

züglich der Kinder-Skalen (Koopera tivi tät,<br />

Überangepasstheit, schwierig <strong>und</strong> passiv)<br />

<strong>und</strong> Misshandlung bzw. Vernach läs sigung<br />

der Kinder (Alter der Kinder: 1 bis 48<br />

Mona te) (vgl. Crittenden 1992). Das<br />

Instru ment kann als Screening-Verfahren<br />

An haltspunkte für kritisches Eltern ver -<br />

hal ten liefern. Zu beachten ist aber, dass<br />

Scree ning-Instru mente generell absichtlich<br />

mögliche Risiken überschätzen, damit im<br />

Sinne einer rechtzeitigen <strong>Frühe</strong>rkennung<br />

CARE-Index<br />

Crittenden 2006<br />

Eltern Kind<br />

feinfühlig kooperativ<br />

kontrollierend schwierig<br />

nicht responsiv überangepasst<br />

passiv<br />

0–15 Monate<br />

15–36 Monate

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