Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Stefan Heinitz<br />
Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung im kommunalen <strong>Kinderschutz</strong><br />
Erste Einsichten aus dem B<strong>und</strong>esmodellprojekt »Aus Fehlern lernen –<br />
Qualitätsmanagement im <strong>Kinderschutz</strong>«<br />
Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung<br />
als zentrale Themen<br />
der Qualitätsentwicklung<br />
In der neuen Aufmerksamkeit für die<br />
Belange des <strong>Kinderschutz</strong>es spielen The -<br />
men der Zusammenarbeit, der Vernet zung<br />
<strong>und</strong> der Verbesserung der interdiszipli -<br />
nären Kommunikation eine zentrale Rolle.<br />
Eine Debatte um die Verbesserung des<br />
<strong>Kinderschutz</strong>es kommt nicht ohne das<br />
»Leitmotiv Kooperation« aus. Dieser Eindruck<br />
wird auch durch erste Erfah run gen<br />
bestätigt, die wir im Rahmen unseres<br />
Projekts in Qualitäts ent wick lungs werk -<br />
stätten (QE-Werk stätten) an zwölf Mo dell -<br />
standorten mit insgesamt 42 beteiligten<br />
Kommunen in zwölf B<strong>und</strong>esländern<br />
machen konnten.1 Im vorliegenden Text<br />
soll jedoch etwas genauer erk<strong>und</strong>et werden,<br />
wie Koope ration <strong>und</strong> Vernetzung<br />
in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden,<br />
vor welchen Herausforderungen die<br />
kom munale <strong>Kinderschutz</strong>praxis in den<br />
beteiligten Kommunen dabei steht <strong>und</strong><br />
wie sich das Feld zwischen »<strong>Frühe</strong>n<br />
<strong>Hilfen</strong>« <strong>und</strong> »<strong>Kinderschutz</strong>« gestaltet.<br />
Eine erste zentrale Einsicht, die sich<br />
schon im Vorfeld der QE-Werkstätten<br />
abzeichnete, ist die Heterogenität der<br />
<strong>Kinderschutz</strong>praxis in den einzelnen<br />
Kommunen. Gelang es beispielsweise in<br />
einigen <strong>Kinderschutz</strong>regionen, Vertreter<br />
unterschiedlicher Professionen an einen<br />
Tisch zu bekommen, so wurde in den<br />
meisten der beteiligten Kommunen eine<br />
starke »Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe lastig keit«<br />
der lokalen <strong>Kinderschutz</strong>praxis offensichtlich,<br />
was sich auch in der Zusam mensetzung<br />
der TeilnehmerInnen der QE-<br />
Werkstätten zeigte. 2<br />
Darüber hinaus sticht bei einem ers ten<br />
Blick in die Praxis die Tendenz zu for ma ler<br />
Regelung von Kooperations bezie hun gen<br />
ins Auge. Vor allem im Feld der Kinder<strong>und</strong><br />
Jugend hilfe gibt es in der weiteren<br />
Umsetzung des § 8a SGB VIII, wenn<br />
auch immer noch nicht überall, so doch<br />
in der überwiegenden Mehr zahl der am<br />
Projekt be teiligten Kommu nen, gemeinsame,<br />
aber wiederum sehr unterschiedlich<br />
ausgestaltete <strong>und</strong> in die Praxis um -<br />
gesetzte Ver fahren <strong>und</strong> Hand lungs abläufe<br />
bei einer vermuteten Kindes wohl gefähr -<br />
dung. Zu dem lässt sich eine hohe Dichte<br />
an Fach anweisungen <strong>und</strong> Verein barun -<br />
gen zur Kooperation zwischen spe zia -<br />
lisierten Ein richtungen <strong>und</strong> Diens ten<br />
(bspw. zwischen Beratungs stellen <strong>und</strong><br />
Jugend äm tern) finden, <strong>und</strong> es gibt vereinzelt<br />
Ko operations verein barungen, die<br />
zwischen den Jugend ämtern <strong>und</strong> Ein -<br />
rich tun gen aus anderen Berufs sys temen<br />
wie dem Ges<strong>und</strong>heits wesen, der Polizei<br />
<strong>und</strong> vereinzelt auch Schulen ge troffen<br />
wor den sind. Die Kinder schutz gesetze<br />
einzel ner B<strong>und</strong>es länder unterstützen <strong>und</strong><br />
fordern vielfältige Aktivitäten zur Netz -<br />
werk bil dung. Lokale Koopera tions kreise<br />
zum Thema »<strong>Kinderschutz</strong>« oder auch<br />
»<strong>Frühe</strong> Hil fen« werden von engagierten<br />
Fach kräf ten vor Ort gegründet bzw.<br />
von ers ten regionalen oder kom munalen<br />
Koor di nations stellen eingerichtet <strong>und</strong><br />
begleitet.<br />
Als eine weitere wichtige Erfahrung<br />
zeigt sich in den QE-Werkstätten ferner<br />
auch, dass unter dem Begriff der Ko ope -<br />
ration vor allem das Zusammen wirken<br />
von Professionellen verstanden wird. Die<br />
Beteiligung von Nutzerinnen <strong>und</strong> Nut zern<br />
sozialer Dienstleistungen (hier vor allem<br />
Eltern) im Rahmen der QE-Werk stätten<br />
war an einigen Modell standorten mit er -<br />
heblichen Irritationen, Ängsten <strong>und</strong> Ab -<br />
wehr verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gelang nicht überall.<br />
In den Themen Kooperation <strong>und</strong> Ver -<br />
netzung steckt enormes Potenzial. Lässt<br />
sich in der Praxis der beteiligten Kom -<br />
mu nen dabei insgesamt ein wachsender<br />
Konsens über die Notwendigkeit von<br />
Ko operation <strong>und</strong> Vernetzung als Gr<strong>und</strong> -<br />
lage gelingender <strong>Kinderschutz</strong> praxis be -<br />
ob achten, so wird diese gemeinsame Form<br />
der Praxis als Entwicklungs chance gleich -<br />
zeitig aber auch als erhebliche Schwä che<br />
IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />
Strukturen <strong>und</strong> Finanzierung<br />
in der kommunalen Kin derschutzarbeit<br />
wahrgenommen.3 Mit der Frage nach<br />
gelingender Koope ration <strong>und</strong> Vernetzung<br />
öffnet sich ein weiter Fächer fachlicher<br />
Fragestellungen von A wie Auftrags klä rung<br />
über R wie Ressour cenausstattung bis<br />
hin zu Z wie Zusam menarbeit im Hilfe -<br />
system, die an dieser Stelle jedoch nicht<br />
ausführlich diskutiert werden können.<br />
Um dennoch eine etwas genauere Vor -<br />
stellung von der aktuellen Praxis der Ko -<br />
ope ration <strong>und</strong> Vernetzung in den am Projekt<br />
beteiligten Kommunen zu be kom men,<br />
lohnt es sich, ihre konkrete Aus ge stal tung<br />
vor allem auf drei Ebenen etwas diffe -<br />
renzierter zu betrachten, nämlich auf der<br />
Ebene der Fallarbeit<br />
Ebene der interorganisationalen<br />
Zusammenarbeit<br />
Ebene des Zusammenwirkens im<br />
kommunalen <strong>Kinderschutz</strong>netzwerk<br />
1 Das Forschungs- <strong>und</strong> Qualitätsentwicklungs pro -<br />
jekt »Aus Fehlern lernen – Qualitätsmanage ment<br />
im <strong>Kinderschutz</strong>« zielt auf die gr<strong>und</strong>legende<br />
Erforschung des kommunalen Qualitäts manage -<br />
ments im <strong>Kinderschutz</strong> (Baseline-Erhe bung in<br />
sechs Kommunen) <strong>und</strong> auf die Weiter entwick lung<br />
der lokalen <strong>Kinderschutz</strong>praxis in dialogischen<br />
Qualitätsentwicklungswerkstätten (in zwölf so -<br />
genannten <strong>Kinderschutz</strong>-Clustern). Darin werden<br />
inter disziplinär Schwachstellen, Fehler <strong>und</strong> Er -<br />
folge in der Praxis herausgearbeitet <strong>und</strong> Haltun -<br />
gen, Methoden <strong>und</strong> Konzepte in einem multiprofessionellen<br />
Setting weiterentwickelt. Der hier<br />
vorliegende Text bezieht sich auf die Erfahrun -<br />
gen, die wir in diesen QE-Werk stätten bisher<br />
machen konnten.<br />
2 Insgesamt nehmen 508 Fachkräfte aus unterschied<br />
lichen Einrichtungen <strong>und</strong> Berufssystemen<br />
sowie BürgerInnen an den QE-Werkstätten teil.<br />
Der Anteil der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe beläuft<br />
sich dabei auf 83 % (davon 50 % Fachkräfte aus<br />
Jugendämtern, 33 % Fachkräfte von freien Trä gern<br />
der Erziehungshilfen, Kitas <strong>und</strong> Ein rich tun gen<br />
Frü her <strong>Hilfen</strong>). Angaben nach: »2. Mei len stein -<br />
bericht ›Aus Fehlern lernen – Qualitäts manage -<br />
ment im <strong>Kinderschutz</strong>‹« vom 15.3.2010, unveröffentlichtes<br />
Manuskript.<br />
3 So die Gesamtschau der Ergebnisse der SWOT-<br />
Analyse, einer Stärken-Schwächen-Analyse des<br />
kommunalen <strong>Kinderschutz</strong>systems aus der Sicht<br />
der TeilnehmerInnen der QE-Werkstätten, die<br />
zu Beginn der QE-Werkstatt an allen zwölf Modellstandorten<br />
durchgeführt wurde.<br />
37